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Kurzerhand um die Ecke gebracht

Nach all dem guten Essen nun wieder zurück zur Reise selbst. Nach Meknes mit seinen tollen Handwerkern war Fès angesagt. Der Souk von Fès mit seiner riesigen Medina ist ein Abenteuer für sich. Zum Glück ist sie ausgesprochen gut ausgeschildert, es gibt nämlich verschiedene, thematisch organisierte Wanderwege durch die Altstadt: andalusisches Fès, Paläste, Mellah (Judenviertel mit Synagoge und riesigem Friedhof), Medresen und Moscheen und natürlich die Universitaet "Kairaouine".

Dabei handelt sich um eine der ältesten Universitäten überhaupt und um eine, die so berühmt war, dass sogar ein späterer Papst – Sylvester – dort studierte! In der Unibibliothek, die 30.000 alte Manuskripte besitzt, werden die Bücher nicht nach Autor sortiert, sondern nach Buchtitel.

Leider hatte ich in Fès auch ein sehr negatives Erlebnis, und zwar wurde ich von einem besonders hartnäckigen Schlepper, als ihm dämmerte, dass ich wirklich nichts kaufen wollte, ganz übel beschimpft. Ich machte nicht viel Federlesen, packte ihn am Ohr und brachte ihn im wörtlichen Sinne um die Ecke. Dort stand nämlich ein Polizist, der ihn sofort in Handschellen (!!!) abführte. Die Ruhe, mit der ich fortan durch die Altstadt ging, ist kaum zu beschreiben. Außer einem besonders höflichen "Bonjour Monsieur" wagte es kein einziger Händler mehr, mich dumm anzuschwätzen oder in seinen Laden zu zerren.

Da Moscheen in Marokko generell Nicht-Muslimen verschlossen bleiben, konnte ich leider nur einen flüchtigen Blick in die Grabmoschee Moulay Idrissis II mit ihrem überaus prächtigen Bauschmuck werfen. Von Fès aus führte mich ein Ausflug ins Rifgebirge, in dem nicht nur ein eigener Berberdialekt gesprochen wird, sondern wo es sich außerdem wunderbar wandern und in Bergbächen umgeben von rotem Oleander baden lässt.

Danach ging es weiter nach Süden, und zwar in den Mittleren Atlas nach Azrou. Dieser Ort ist ganz zauberhaft inmitten von Zedernwäldern gelegen und von Touristen weitgehend verschont. Als ich beim Durchstreifen der Wälder auf einen besonders schönen, vermeintlich abgelegenen Weg kam, bemerkte ich auf einmal, dass auf ihm recht viele Leute scheinbar in die Einöde gingen. Ich fragte einen Passanten, wohin denn der Pfad führe und er erklärte mir, da sei eine Stunde Fußmarsch entfernt im Gebirge ein Psychiater und der Weg gehöre mit zur Therapie. Vor diesem Hintergrund war die Anzahl der Wanderer hier sogar NOCH erschreckender.

Die weitere Reise führte mich am Jabal Ayachi (3737 m) vorbei nach er-Rachidiya und von dort in die Steinwüste ("hammada"). Bei Tudgha gab es dann eine über 300 m tiefe Schlucht zu sehen. Als ich in der Nähe von Tenghir eine Wanderung in den Ausläufern des hohen Atlas machte, hörte ich nach drei Stunden Fußmarsch mitten im Nirgendwo plötzlich eine Flöte. Da saß doch tatsächlich auf dem höchsten Gipfel der Umgebung der "Hirt auf dem Felsen" mit seinen Ziegen, der mich sogar noch zum Tee einlud. Als ich versuchte, mich mit ihm zu unterhalten, wunderte ich mich sehr. SOOOO anders konnte das marokkanische Arabisch doch nicht sein. Bis mir dann endlich dämmerte: Mensch, der spricht ja gar nicht Arabisch, sondern natürlich eine Berbersprache. Klasse! Ich hatte das ja noch nie "live" gehört. Arabisch sprach er keins, aber ein paar Brocken Französisch, das konnte er wohl. Verrückt!

Francis

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