Lässt sich der Klimawandel stoppen? - Neues Sonderheft
Verfolgt man die erregten Debatten zum Klimawandel in diesen Tagen, dann fällt vor allem auf, wie sich die Vorzeichen umgekehrt haben. Noch vor Jahr und Tag äußerten viele der Meinungsmacher und Entscheidungsträger, vor allem aus der Politik, die Kritik, wie belastbar denn das alles überhaupt wissenschaftlich sei und wie unabweislich die Evidenzen wirklich auf den Mensch als Urheber und Schurken hinwiesen; auch in der Natur der Vorzeiten sei es doch immer mal schon zu großen Klima-Umschwüngen gekommen, ohne dass ein Mensch dazu beigetragen hätte.
Doch spätestens jetzt, nach Publikation der beiden ersten Teile des 4. Klimaberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Februar („Wissenschaft“) und April („Folgen“) laufen die Debatten anders. Nun setzen sich plötzlich auch frühere Skeptiker an die Spitze der Bewegung, welche die Prognose eines heraufziehenden Klimawandels ernst nehmen. Nur China oder arabische Länder bleiben, aus oft durchsichtigen Gründen, als Hardliner zurück und sorgten vor allem beim letzten Teilbericht („Folgen“) für politische Verklausulierung und Verharmlosung. Beim noch ausstehenden 3. Teil des IPCC-Reports zu den Maßnahmen erwarte ich, dass die Herausgeber beim „final editing“ sogar noch stärker eingreifen werden als jetzt schon.
Aber wie so häufig weisen weder Hysterie noch Verharmlosung den rechten Weg. Jede heute opportune Verbalkosmetik macht sich lächerlich, wenn sie sich in einigen Jahren als Abwiegelung entlarvt, zum Schaden für alle. Einerseits sind die Prognosen der Simulationsmodelle weiterhin mit Unsicherheiten belastet, wie auch an der Klimastudie beteiligte Forscher einräumen. Ein Beispiel sind die für den Dateninput grundlegend wichtigen Ozeantemperaturen, deren Eichung auf Basis von zum Teil inkonsistenten Satellitendaten nach wie vor Probleme aufwirft. Es gibt also weiterhin wissenschaftliche offene Fragen (wir haben im April-Heft von Spektrum der Wissenschaft im Beitrag von Sven Titz auf Seite 26 darauf hingewiesen). Aber andererseits stützt sich die Vorhersage, dass sich das Erdklima nachhaltig und dramatisch verändert, inzwischen nicht mehr nur auf Computersimulationen; vielmehr mehren sich ja zwischenzeitlich zahllose konkrete Zeichen in der Natur – vom Rückgang der Eismassen über die Zunahme von Wetterextremen bis zur Einwanderung von Tierarten in bisher gemäßigtere Klimazonen. Die Neigung, das meiste davon nur kuriosen Wetterkapriolen zuzuschreiben und nicht einem Klimatrend, hat spürbar abgenommen.
Auf jeden Fall werden globale Anstrengungen nötig sein, um absehbaren Konsequenzen – etwa dem Anstieg des Meeresspiegels – rechtzeitig zu begegnen. Um ihren Zweck zu erfüllen, müssen solche Aktionen nun mal antizipatorisch anlaufen, wenn man nicht warten will, bis beispielsweise Bangladesch geräumt werden muss. Kann man etwas unternehmen? Besser: Was können wir tun? Und was kann jede Anstrengung überhaupt bringen? Sind wir den potenziell dramatischen Folgen – Kioto-Protokoll hin oder her – bereits hilflos ausgeliefert?
Das haben wir uns in der Redaktion gefragt – und jetzt dazu ein Sonderheft herausgebracht, das in diesen Tagen an den Kiosken ausliegt („Lässt sich der Klimawandel stoppen?“ Spektrum Spezial 1/07, siehe Link auf der linken Seite). Im Untertitel dieser Ausgabe habe ich versucht, den Tenor einer Antwort zusammenzufassen: „Forscher meinen ja – wenn wir jetzt handeln.“ Ich glaube tatsächlich, dass wir in der privilegierten Position sind, das Klimaproblem zu erkennen und zugleich etwas wirksam dagegen unternehmen zu können. Das gilt jedoch nur im globalen Maßstab. Solange die Top-Kohlendioxid-Produzenten der Erde wie die USA (Nr. 1) und China (Nr. 2) weiterhin eher auf der Bremse stehen, dann kann natürlich alles noch aus dem Ruder laufen. Auch das ist möglich und gehört zur Freiheit menschlichen Handelns: nämlich, sich selbst umzubringen.
Reinhard Breuer
Doch spätestens jetzt, nach Publikation der beiden ersten Teile des 4. Klimaberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Februar („Wissenschaft“) und April („Folgen“) laufen die Debatten anders. Nun setzen sich plötzlich auch frühere Skeptiker an die Spitze der Bewegung, welche die Prognose eines heraufziehenden Klimawandels ernst nehmen. Nur China oder arabische Länder bleiben, aus oft durchsichtigen Gründen, als Hardliner zurück und sorgten vor allem beim letzten Teilbericht („Folgen“) für politische Verklausulierung und Verharmlosung. Beim noch ausstehenden 3. Teil des IPCC-Reports zu den Maßnahmen erwarte ich, dass die Herausgeber beim „final editing“ sogar noch stärker eingreifen werden als jetzt schon.
Aber wie so häufig weisen weder Hysterie noch Verharmlosung den rechten Weg. Jede heute opportune Verbalkosmetik macht sich lächerlich, wenn sie sich in einigen Jahren als Abwiegelung entlarvt, zum Schaden für alle. Einerseits sind die Prognosen der Simulationsmodelle weiterhin mit Unsicherheiten belastet, wie auch an der Klimastudie beteiligte Forscher einräumen. Ein Beispiel sind die für den Dateninput grundlegend wichtigen Ozeantemperaturen, deren Eichung auf Basis von zum Teil inkonsistenten Satellitendaten nach wie vor Probleme aufwirft. Es gibt also weiterhin wissenschaftliche offene Fragen (wir haben im April-Heft von Spektrum der Wissenschaft im Beitrag von Sven Titz auf Seite 26 darauf hingewiesen). Aber andererseits stützt sich die Vorhersage, dass sich das Erdklima nachhaltig und dramatisch verändert, inzwischen nicht mehr nur auf Computersimulationen; vielmehr mehren sich ja zwischenzeitlich zahllose konkrete Zeichen in der Natur – vom Rückgang der Eismassen über die Zunahme von Wetterextremen bis zur Einwanderung von Tierarten in bisher gemäßigtere Klimazonen. Die Neigung, das meiste davon nur kuriosen Wetterkapriolen zuzuschreiben und nicht einem Klimatrend, hat spürbar abgenommen.
Auf jeden Fall werden globale Anstrengungen nötig sein, um absehbaren Konsequenzen – etwa dem Anstieg des Meeresspiegels – rechtzeitig zu begegnen. Um ihren Zweck zu erfüllen, müssen solche Aktionen nun mal antizipatorisch anlaufen, wenn man nicht warten will, bis beispielsweise Bangladesch geräumt werden muss. Kann man etwas unternehmen? Besser: Was können wir tun? Und was kann jede Anstrengung überhaupt bringen? Sind wir den potenziell dramatischen Folgen – Kioto-Protokoll hin oder her – bereits hilflos ausgeliefert?
Das haben wir uns in der Redaktion gefragt – und jetzt dazu ein Sonderheft herausgebracht, das in diesen Tagen an den Kiosken ausliegt („Lässt sich der Klimawandel stoppen?“ Spektrum Spezial 1/07, siehe Link auf der linken Seite). Im Untertitel dieser Ausgabe habe ich versucht, den Tenor einer Antwort zusammenzufassen: „Forscher meinen ja – wenn wir jetzt handeln.“ Ich glaube tatsächlich, dass wir in der privilegierten Position sind, das Klimaproblem zu erkennen und zugleich etwas wirksam dagegen unternehmen zu können. Das gilt jedoch nur im globalen Maßstab. Solange die Top-Kohlendioxid-Produzenten der Erde wie die USA (Nr. 1) und China (Nr. 2) weiterhin eher auf der Bremse stehen, dann kann natürlich alles noch aus dem Ruder laufen. Auch das ist möglich und gehört zur Freiheit menschlichen Handelns: nämlich, sich selbst umzubringen.
Reinhard Breuer
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