Mongolische Gastfreundlichkeit
Gastfreundlichkeit gehört in der Steppe, wo hunderte von Kilometern weit kein Gasthaus zu finden ist, einfach als Notwendigkeit zum Leben dazu. Vielleicht kommt es daher, dass man in der Mongolei viel seltener "danke" sagt als in sesshaften Ländern, wo man sich für jeden Tee oder Handgriff bedankt? Und ein Wort für "bitte" gibt es hier ebensowenig wie in den Turksprachen, die hier auf arabische Lehnwörter zurückgriffen.
Nun soll ja das Mongolische über das linguistische Konstrukt der Ural-Altai-Sprachen mit den Turksprachen verwandt sein. Die Erkenntnis, dass es mit seiner Vokalharmonie, dem Aspektsystem und den grammatikalischen Konstruktionen durchaus Ähnlichkeiten hat, nützt mir aber gar nichts: Die Worter sind fast alle völlig anders, und auch nach drei Wochen gelingt es mir immer noch nicht, die wenigen Brocken, die ich mir angelesen habe, so auszusprechen, dass ich von den Mongolen verstanden werde. Dadurch waren natürlich meine Besuche in den Jurten – hier "ger" genannt – etwas schweigsamer als die in Kirgistan, aber dennoch beeindruckend, denn es gab viele Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu bestaunen.
Als erstes muss der Gast einer mongolischen Familie die Herde besichtigen und sich lobend über die schönen Tiere äußern. Im islamischen Kirgistan hingegen gehört das Herzeigen von Besitz nicht zum guten Ton. Bei der Gelegenheit bin ich auch kurz geritten, allerdings mangels Anleitung zunächst so, wie man es in Europa und Vorderasien tut: Hacken geben und fest die Beine anziehen, wenn das Tier in Galopp fällt. Ein großer Fehler, wie mir die blauen Flecken an den Oberschenkeln hinterher zeigten: Die Holzsättel der Mongolen sind extrem hart, und man balanciert sich in ihnen halbstehend aus.
Die Kirgisen ziehen beim Betreten der Jurte die Stiefel aus, wie es alle Moslems an der Schwelle jedes Hauses tun, die buddhistischen bis schamanistischen Mongolen jedoch behalten sie im ger an. Die Raumaufteilung im Zelt ist allerdings ganz ähnlich: links vom immer im Süden liegenden Eingang steht der lederne Sack, in dem der "ayrag" (das mongolische Wort für die Stutenmilch) vergoren wird, und er schmeckt tüpfelgleich wie der kirgisische "kymyss". Dann kommt im Westen eine Bettstatt. Rechts vom Eingang steht das Küchengerät, dann wieder ein Bett. Die Nordwand allerdings, die in Kirgistan ein drittes Bett als Ehrenplatz des Jurtenoberhauptes und seiner angesehensten Gäste einnimmt, wird im mongolischen ger vom lamaistischen Altar mit allerhand Butterlämpchen, Buddhastatuen und Bildern des Dalai Lama und der eigenen Familie dominiert.
Was dem Gast dann angeboten wird, ist sehr stark alkoholisch – auch das ist in Kirgistan undenkbar. Der aus ayrag destillierte Milchschnaps "archii" (oder seit Sowjetzeiten ersatzweise auch Wodka) trägt hier bei den Pastoralnomaden wie alle anderen aus Milch gewonnenen Getränke und Speisen einen ebenso hohen Symbolwert wie bei sesshaften Ackerbauern das Brot. Und so wie ich das Brot zum Essen feierlich breche oder man gar ein Kreuz darüber schlägt, so taucht man in der Mongolei den Ringfinger in den archii und schnippt je einen Tropfen in die Himmelsrichtungen, zum Himmel und zur Erde. Als große Ehre wurde mir auch Schnupftabak angeboten, von dem ich tapfer und gücklicherweise niesfrei eine winzige Prise annahm.
Und dann folgte Schale um Schale mit ayrag, dazwischen auf dem zentralen Herdofen gekochtes Hammelfleisch und folgerichtig auch nachher die Brühe mit Nudeln. Kohlenhydrathaltige Lebensmittel gehören nicht zur traditionellen Küche, denn die Nomaden bauen nichts an. Deshalb haben wir natürlich als Gastgeschenk Brot und Schokolade – beides seltener Luxus aus der Stadt – überreicht. Dazu gab es schwarzen Tee mit viel Milch und Salz. Und dann wieder ayrag und Joghurt in frischer und getrockneter Form sowie als Süßpeise mit Zucker. Ayrag enthält ja auch etwas Alkohol, und als wir uns am späten Abend unter dem vollsten Sternenhimmel, den ich je gesehen habe, wieder verabschiedeten, waren wir alle nicht nur bis oben hin satt, sondern auch ziemlich beschwipst!
Eva Rosenstock
Nun soll ja das Mongolische über das linguistische Konstrukt der Ural-Altai-Sprachen mit den Turksprachen verwandt sein. Die Erkenntnis, dass es mit seiner Vokalharmonie, dem Aspektsystem und den grammatikalischen Konstruktionen durchaus Ähnlichkeiten hat, nützt mir aber gar nichts: Die Worter sind fast alle völlig anders, und auch nach drei Wochen gelingt es mir immer noch nicht, die wenigen Brocken, die ich mir angelesen habe, so auszusprechen, dass ich von den Mongolen verstanden werde. Dadurch waren natürlich meine Besuche in den Jurten – hier "ger" genannt – etwas schweigsamer als die in Kirgistan, aber dennoch beeindruckend, denn es gab viele Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu bestaunen.
Als erstes muss der Gast einer mongolischen Familie die Herde besichtigen und sich lobend über die schönen Tiere äußern. Im islamischen Kirgistan hingegen gehört das Herzeigen von Besitz nicht zum guten Ton. Bei der Gelegenheit bin ich auch kurz geritten, allerdings mangels Anleitung zunächst so, wie man es in Europa und Vorderasien tut: Hacken geben und fest die Beine anziehen, wenn das Tier in Galopp fällt. Ein großer Fehler, wie mir die blauen Flecken an den Oberschenkeln hinterher zeigten: Die Holzsättel der Mongolen sind extrem hart, und man balanciert sich in ihnen halbstehend aus.
Die Kirgisen ziehen beim Betreten der Jurte die Stiefel aus, wie es alle Moslems an der Schwelle jedes Hauses tun, die buddhistischen bis schamanistischen Mongolen jedoch behalten sie im ger an. Die Raumaufteilung im Zelt ist allerdings ganz ähnlich: links vom immer im Süden liegenden Eingang steht der lederne Sack, in dem der "ayrag" (das mongolische Wort für die Stutenmilch) vergoren wird, und er schmeckt tüpfelgleich wie der kirgisische "kymyss". Dann kommt im Westen eine Bettstatt. Rechts vom Eingang steht das Küchengerät, dann wieder ein Bett. Die Nordwand allerdings, die in Kirgistan ein drittes Bett als Ehrenplatz des Jurtenoberhauptes und seiner angesehensten Gäste einnimmt, wird im mongolischen ger vom lamaistischen Altar mit allerhand Butterlämpchen, Buddhastatuen und Bildern des Dalai Lama und der eigenen Familie dominiert.
Was dem Gast dann angeboten wird, ist sehr stark alkoholisch – auch das ist in Kirgistan undenkbar. Der aus ayrag destillierte Milchschnaps "archii" (oder seit Sowjetzeiten ersatzweise auch Wodka) trägt hier bei den Pastoralnomaden wie alle anderen aus Milch gewonnenen Getränke und Speisen einen ebenso hohen Symbolwert wie bei sesshaften Ackerbauern das Brot. Und so wie ich das Brot zum Essen feierlich breche oder man gar ein Kreuz darüber schlägt, so taucht man in der Mongolei den Ringfinger in den archii und schnippt je einen Tropfen in die Himmelsrichtungen, zum Himmel und zur Erde. Als große Ehre wurde mir auch Schnupftabak angeboten, von dem ich tapfer und gücklicherweise niesfrei eine winzige Prise annahm.
Und dann folgte Schale um Schale mit ayrag, dazwischen auf dem zentralen Herdofen gekochtes Hammelfleisch und folgerichtig auch nachher die Brühe mit Nudeln. Kohlenhydrathaltige Lebensmittel gehören nicht zur traditionellen Küche, denn die Nomaden bauen nichts an. Deshalb haben wir natürlich als Gastgeschenk Brot und Schokolade – beides seltener Luxus aus der Stadt – überreicht. Dazu gab es schwarzen Tee mit viel Milch und Salz. Und dann wieder ayrag und Joghurt in frischer und getrockneter Form sowie als Süßpeise mit Zucker. Ayrag enthält ja auch etwas Alkohol, und als wir uns am späten Abend unter dem vollsten Sternenhimmel, den ich je gesehen habe, wieder verabschiedeten, waren wir alle nicht nur bis oben hin satt, sondern auch ziemlich beschwipst!
Eva Rosenstock
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben