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Über Nacht in eine andere Welt

Gerade noch in Berlin, und dann war ich plötzlich in Jordanien. Wie hatte ich mir vor einem Jahr ausgemalt, wie gut ich alles planen und wie ich mich innerlich auf die Reise vorbereiten wollte … Letzlich ging das alles im Semesterende, in der Visabeschaffung, den Einkäufen und der Packerei unter, und ich bin dann doch etwas überstürzt einfach so losgefahren, als wäre es nur für ein paar Wochen. Nach einer durchreisten Nacht bin ich dann morgens in Amman aufgewacht, wo meine Gefährten schon ein Frühstück für mich gerichtet hatten.

Und dann begann die Reise in ein taphonomisches Wunderland: noch nie habe ich so gut erhaltene antike Ruinen gesehen! Wo in Mitteleuropa der Bedarf an Bausteinen fast jede römische Anlage zum Steinbruch werden ließ, führte die dünne und überwiegend nomadische Besiedlung der letzten eineinhalb Jahrtausende zu einer perfekten Erhaltung.

In Gerasa/Jerash, einer der Städte der Dekapolis, sind wir über römische Kolonnadenstrassen spaziert, und eigentlich hätte statt der Touristen auch jeden Moment ein togaumwehter Bürger, eiliger Sklave oder (mir im übrigen wegen der langen Besichtigungstour hochwillkommener) Pastetenverkäufer um die Ecke biegen können.

In Umm el-Jemal, einer der bei den verheerenden Erdbeben des 7. und 8. Jh. zerstörten Geisterstädte, haben wir byzantinische Häuser betreten, deren Decken aus basaltenen "Balken" noch völlig intakt waren, und haben hier wie auch in Gadara fast in der Bewegung erstarrte Erdbebenverstürze gesehen.

Im Limeskastell Qasr Bushir schließlich konnte ich aus einem Fenster im dritten Stock des nordwestlichen Turmes schauen. Ganz wohl war mir beim Aufstieg im Treppenhaus ja nicht, aber es musste einfach sein. Nicht weit vom obergermanisch-raetischen Limes aufgewachsen, habe ich vor einigen Jahren die Nordgrenze des Imperium Romanum an der Hadriansmauer berührt, und nun stand ich am limes arabicus an der Ostgrenze! Hier allerdings bestand die Befestigung neben den Kastellen nur aus einer Kette von in Sichtweite erbauten Wachttürmen ohne durchgehende Palisade oder Mauer.

Von meinem Fenster aus konnte ich sie als Steinhaufen auf den umliegenden Hügeln erkennen. Sah auch für einen Alamannen nach dem Fall unseres des obergermaischen Limes die Welt so aus? Haben auch hier lateinische Ortsnamen überdauert? Kommt el-Questel etwas südlich von Amman etwa von "castellum", das ja im Deutschen "Kastel" und im Englischen "chester" wurde? Hat el-Lejjun, ein großes Lager Westlich der Stadt Karak, etwas mit "legio" zu tun? Wie schade, dass ich erst ein paar Brocken Arabisch kann!

Eva

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