Uta Ranke-Heinemann
Ihr Held der Geschichte ist René Descartes: »In Gott hatte er tiefes Vertrauen, vor der Kirche aber fürchtete er sich«
Nach dem Tod meines geliebten Mannes, mit dem ich seit meinem 17. Lebensjahr unzertrennlich war, hat mir René Descartes geholfen. Der französische Philosoph und Naturwissenschaftler hatte 1640 sein einziges Kind, seine fünfjährige Tochter Francine, verloren – und bezeichnete ihren Tod als den größten Schmerz seines Lebens. 1642 schrieb er an seinen Freund Constantijn Huygens, Vater des berühmten holländische Astronomen Christiaan Huygens, wir Menschen seien geboren »für viel größere Freuden und ein viel größeres Glück, als wir sie auf dieser Erde erleben können. Wir werden die Toten dereinst wiederfinden, und zwar mit der Erinnerung an das Vergangene, denn in uns befindet sich ein intellektuelles Gedächtnis, das ganz zweifellos unabhängig von unserem Körper ist«. Er sei, so Descartes, von diesem Leben nach dem Tod »überzeugt durch natürliche, ganz offensichtliche Gründe«.
Descartes verwendete hier für »überzeugen« nicht das Wort convaincre – vom lateinischen vincere: besiegen –, so wie man einen Verbrecher überführt, sondern das Wort persuader, von suavis, lateinisch: süß, lieblich. Die Liebe lässt sich nicht hart beweisen. Gott lieben aus ganzem Herzen werde ich erst nach meinem Tod, wenn nur noch, wie der Dichter Jean Paul 1793 schrieb, »die größte und unsichtbarste Hand den Schlüssel hat zu den verschütteten Särgen unserer verstorbenen Geliebten«, zu denen kein Sterblicher mehr vordringen kann.
René Descartes hatte im Jahr 1633 in Holland, wo er seine Abhandlung »Le Monde« in Druck geben und das neueste Werk von Galilei kaufen wollte, erfahren, alle Exemplare des Buchs seien auf Anweisung der Inquisition verbrannt worden – Galilei selbst befinde sich in Haft. Descartes war schockiert und hat daraufhin »Le Monde« nicht veröffentlicht. Das Werk erschien erst nach seinem Tod. 1637 schrieb er, dass er aus Ehrerbietung gegenüber der Kirche nichts veröffentlichen werde, was der Kirche missfalle (Discours de la méthode 6). In Holland, wohin er schon geflüchtet war, änderte er 22-mal seinen Wohnsitz.
Heute könnte Descartes das Urteil seines Verstands ohne Lebensgefahr veröffentlichen – obschon Papst Benedikt XVI. zuletzt am 20. Januar 2008 den Prozess der Inquisition gegen Galilei für »vernünftig und gerecht« hielt.
Nach dem Tod meines geliebten Mannes, mit dem ich seit meinem 17. Lebensjahr unzertrennlich war, hat mir René Descartes geholfen. Der französische Philosoph und Naturwissenschaftler hatte 1640 sein einziges Kind, seine fünfjährige Tochter Francine, verloren – und bezeichnete ihren Tod als den größten Schmerz seines Lebens. 1642 schrieb er an seinen Freund Constantijn Huygens, Vater des berühmten holländische Astronomen Christiaan Huygens, wir Menschen seien geboren »für viel größere Freuden und ein viel größeres Glück, als wir sie auf dieser Erde erleben können. Wir werden die Toten dereinst wiederfinden, und zwar mit der Erinnerung an das Vergangene, denn in uns befindet sich ein intellektuelles Gedächtnis, das ganz zweifellos unabhängig von unserem Körper ist«. Er sei, so Descartes, von diesem Leben nach dem Tod »überzeugt durch natürliche, ganz offensichtliche Gründe«.
Descartes verwendete hier für »überzeugen« nicht das Wort convaincre – vom lateinischen vincere: besiegen –, so wie man einen Verbrecher überführt, sondern das Wort persuader, von suavis, lateinisch: süß, lieblich. Die Liebe lässt sich nicht hart beweisen. Gott lieben aus ganzem Herzen werde ich erst nach meinem Tod, wenn nur noch, wie der Dichter Jean Paul 1793 schrieb, »die größte und unsichtbarste Hand den Schlüssel hat zu den verschütteten Särgen unserer verstorbenen Geliebten«, zu denen kein Sterblicher mehr vordringen kann.
René Descartes hatte im Jahr 1633 in Holland, wo er seine Abhandlung »Le Monde« in Druck geben und das neueste Werk von Galilei kaufen wollte, erfahren, alle Exemplare des Buchs seien auf Anweisung der Inquisition verbrannt worden – Galilei selbst befinde sich in Haft. Descartes war schockiert und hat daraufhin »Le Monde« nicht veröffentlicht. Das Werk erschien erst nach seinem Tod. 1637 schrieb er, dass er aus Ehrerbietung gegenüber der Kirche nichts veröffentlichen werde, was der Kirche missfalle (Discours de la méthode 6). In Holland, wohin er schon geflüchtet war, änderte er 22-mal seinen Wohnsitz.
Heute könnte Descartes das Urteil seines Verstands ohne Lebensgefahr veröffentlichen – obschon Papst Benedikt XVI. zuletzt am 20. Januar 2008 den Prozess der Inquisition gegen Galilei für »vernünftig und gerecht« hielt.
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