Wald-WG
Auf meiner Holzplattform im Wald lebe ich nicht allein. Ich habe mich mit einigen vertrauten Waldbewohnern zu einer Wohngemeinschaft zusammengeschlossen – und es klappt gut, auch ohne Putzplan; nur bezüglich der Lautstärke einiger Kommunarden zu später Nachtstunde besteht noch Diskussionsbedarf.
Nachts nervt das niedliche Wesen allerdings manchmal: Sein gerne geäußerter, gurgelnder Ruf erinnert an einen sterbenden Zweitaktmotor – und fördert nicht gerade das Einschlafen.
Tagsüber umflattern oft zwei männliche Madagaskar-Paradiesschnäpper (Terpsiphone mutata) die Hütte: kleine, wunderschöne Vögel mit langen Schwanzfedern und blau umringten Augen. Es gibt zwei Farbvarianten – Morphen – unter den Männchen: schwarzweiß und rotbraun; von beiden Farbschlägen lebt einer in meiner Nähe. Bislang wurde die Koexistenz der zwei Morphen noch nicht genauer untersucht. Die Weibchen sind alle gleichfarbig – warum gibt es unter ihnen welche, die weiße, und andere, die rote Männchen bevorzugen?
Am späten Nachmittag ertönen oft leise, monoton-fauchende Rufe in der Laubschicht hinter der Hütte, die entfernt an das Geräusch eines altersschwachen Fotokopierers erinnern und irgendwie unnatürlich wirken. Geht man den Geräuschen nach, entdeckt man bald deren Urheber: Drei oder vier am Boden dahin schleichende Vögel mit braunen und gelben Streifen am Kopf – Kurzfuß-Stelzenrallen (Mesitornis variegata). Die Art ist – wie so oft im madagassischen Trockenwald – endemisch und gefährdet. Vor sich hinfauchend pickt die Bande zwischen den Blättern nach Essbarem.
Nach Einbruch der Dunkelheit tobt das Leben im mit Bozaka-Gras gedeckten Dach: Insekten aller Form und Größe, kleine Schlangen und Echsen rascheln zwischen den dichten braunen Halmen. An einer bestimmten Stelle begrüßt mich jeden Abend ein großer großer grüner Taggecko mit rot gepunktetem Rücken, der seine Nächte in meinem Grasdach verbringt: Phelsuma madagascariensis.
Am frühen Morgen wecke ich versehentlich eine kleine, gelbbraun geringelte Schlange, die sich in einem großen Schneckenhaus zusammen gerollt hat. Das Gehäuse hatte ich im Wald gefunden und mit zu meinem Zelt genommen. Die Stenophis pseudogranuliceps hat sich fast ganz in das fremde Domizil gequetscht. Als ich das Gehäuse beim Aufstehen mit dem Fuß berühre, zieht sie entnervt aus – und für einen Moment sieht es so aus, als sei sie eine zu lang und zu dünn geratene Schnecke mit ihrem Haus auf dem Rücken.
Mein letzter treuer Mitbewohner ist ein Wieselmaki (Lepilemur ruficaudatus), der in einem benachbarten abgestorbenen Baumstamm residiert. Die etwa dreißig Zentimeter großen, Blätter fressenden Makis sind nachtaktiv, allerdings sitzt mein Zimmernachbar auch in den Morgenstunden gerne im Eingang seiner Baumhöhle und beobachtet das Treiben um ihn herum mit seinen großen, runden Augen.
Nachts nervt das niedliche Wesen allerdings manchmal: Sein gerne geäußerter, gurgelnder Ruf erinnert an einen sterbenden Zweitaktmotor – und fördert nicht gerade das Einschlafen.
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