Zum Tee in der Jurte
Meine ersten stockenden türkischen Sätze habe ich vor 12 Jahren in einem Bus zwischen Istanbul und Troia von mir gegeben. Nie hätte ich beim Weiterlernen gedacht, dass mir diese Sprache noch Tausende von Kilometern über Anatolien hinaus so gute Dienste leisten würde: mein Russisch besteht bisher nur aus allerhand aufgeschnappten Brocken und einem Sprachführer aus den 80er Jahren, demzufolge man die Leute noch mit "tawarisch", Genosse", anreden muss, aber dennoch habe ich bisher in Zentralasien kaum Verständigungsprobleme gehabt.
Auch wenn die Trennung zwischen dem Türkeitürkischen und den innerasiatischen Turksprachen ungefähr ein Jahrtausend zurückliegen muss, ist der Vorhang zwischen beiden Zweigen nur dünn. Viele Laute klingen hier einfach etwas dunkler und stimmhafter: So wird aus dem Gericht "kebap" "kabob", aus dem Menschen "adam" ein "adom", und wenn beide, sowohl ich als auch mein Gegenüber, langsam und deutlich sprechen, klappt es mit etwas Raten auch mit der Grammatik: der Willkommensgruß "hosch geldiniz" klingt auf usbekisch "chusch kelibsiz" und auf kirgisisch "kosch kelingisde".
Sowohl Usbekistan als auch Kirgisien stellen ihre Schrift vom kyrillischen auf das lateinische Alphabet um, wobei die Usbeken hier weiter fortgeschritten sind – Francis und ich hatten schon viel Spaß mit den vielen Fällen, wo in einem Wort Zeichen beider Systeme zu lesen waren! Hier in Kirgisien muss ich mir jede kyrillische Beschriftung erst innerlich laut vorlesen, bevor ich weiß, ob es nun kirgisisch oder russisch ist. Nur das Vokabular macht mir oft Kopfzerbrechen, denn das Türkeitürkische ist voll von griechischen, arabischen und persischen Lehnwörtern, die man hier natürlich nicht kennt – oft muss ich lange nach Synonymen suchen, bis ich verstanden werde.
Aber als wir auf der Fahrt von Osch nach Bischkek im Alatau auf über 3000 Meter Höhe an einer Alm (türkisch "yayla", kirgisisch "jailoo") Halt machten, zeigte sich, dass die alten Wörter aus der Zeit der nomadisch lebenden Türken auch heute noch in Anatolien und Zentralasien gleich sind. Wir wurden in die Jurte hinein gebeten und durften auf den Ehrenplätzen neben dem Hausherrn an der wärmsten hinteren Filzwand sitzen. Tee, Brot, frische Butter und köstlicher Honig wurden aufgetischt, und dann das Hauptprodukt der jailoo, der kymys. Die gewöhnlich etwa zehn Stuten in einer Herde werden den Sommer über, wenn die Fohlen noch klein sind, regelmäßig gemolken, und die Milch wird dann im kalten Wasser der Bergflüsse in einem Ledersack hängend vergoren. Das Getränk prickelt leicht im Mund, ist relativ wässrig und schmeckt erfrischend säuerlich.
Das Tischgespräch darüber, wo wir herkommen, ob das mit einem gekochten Knochen (Pferde kann man nicht nur reiten und melken, sondern auch ihr Fleisch schmeckt gut) spielende Kind ein Knabe ("oo-ul") oder Mädchen ("kis") ist und wie viele Pferde ("at") die Familie besitzt und über die Milch ("suet"), konnte ich auch bestreiten. Ich bin gespannt, wie weit nach Osten ich noch komme, bevor ich mit meinem Türkisch am Ende bin!
Eva Rosenstock
Auch wenn die Trennung zwischen dem Türkeitürkischen und den innerasiatischen Turksprachen ungefähr ein Jahrtausend zurückliegen muss, ist der Vorhang zwischen beiden Zweigen nur dünn. Viele Laute klingen hier einfach etwas dunkler und stimmhafter: So wird aus dem Gericht "kebap" "kabob", aus dem Menschen "adam" ein "adom", und wenn beide, sowohl ich als auch mein Gegenüber, langsam und deutlich sprechen, klappt es mit etwas Raten auch mit der Grammatik: der Willkommensgruß "hosch geldiniz" klingt auf usbekisch "chusch kelibsiz" und auf kirgisisch "kosch kelingisde".
Sowohl Usbekistan als auch Kirgisien stellen ihre Schrift vom kyrillischen auf das lateinische Alphabet um, wobei die Usbeken hier weiter fortgeschritten sind – Francis und ich hatten schon viel Spaß mit den vielen Fällen, wo in einem Wort Zeichen beider Systeme zu lesen waren! Hier in Kirgisien muss ich mir jede kyrillische Beschriftung erst innerlich laut vorlesen, bevor ich weiß, ob es nun kirgisisch oder russisch ist. Nur das Vokabular macht mir oft Kopfzerbrechen, denn das Türkeitürkische ist voll von griechischen, arabischen und persischen Lehnwörtern, die man hier natürlich nicht kennt – oft muss ich lange nach Synonymen suchen, bis ich verstanden werde.
Aber als wir auf der Fahrt von Osch nach Bischkek im Alatau auf über 3000 Meter Höhe an einer Alm (türkisch "yayla", kirgisisch "jailoo") Halt machten, zeigte sich, dass die alten Wörter aus der Zeit der nomadisch lebenden Türken auch heute noch in Anatolien und Zentralasien gleich sind. Wir wurden in die Jurte hinein gebeten und durften auf den Ehrenplätzen neben dem Hausherrn an der wärmsten hinteren Filzwand sitzen. Tee, Brot, frische Butter und köstlicher Honig wurden aufgetischt, und dann das Hauptprodukt der jailoo, der kymys. Die gewöhnlich etwa zehn Stuten in einer Herde werden den Sommer über, wenn die Fohlen noch klein sind, regelmäßig gemolken, und die Milch wird dann im kalten Wasser der Bergflüsse in einem Ledersack hängend vergoren. Das Getränk prickelt leicht im Mund, ist relativ wässrig und schmeckt erfrischend säuerlich.
Das Tischgespräch darüber, wo wir herkommen, ob das mit einem gekochten Knochen (Pferde kann man nicht nur reiten und melken, sondern auch ihr Fleisch schmeckt gut) spielende Kind ein Knabe ("oo-ul") oder Mädchen ("kis") ist und wie viele Pferde ("at") die Familie besitzt und über die Milch ("suet"), konnte ich auch bestreiten. Ich bin gespannt, wie weit nach Osten ich noch komme, bevor ich mit meinem Türkisch am Ende bin!
Eva Rosenstock
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