Das lebende Absperrband
Folgt man hinter der Campküche einem schmalen, gewundenen Pfad durch das Unterholz, der sich nach einiger Zeit gabelt, steht man irgendwann davor: Plumpsklos. In den Waldboden sind tiefe Gruben gegraben, darüber liegen (teils beunruhigend morsche) Holzstämme, auf denen wiederum eine kleine Plattform mit eckiger Öffnung in der Mitte ruht. Ein gutes Stück, bevor man die sanitären Anlagen erreicht, hängt jeweils ein rot-weißes Absperrband an einem Busch einerseits des Pfades, das sich mit Hilfe einer Schlaufe an einem Ast an der anderen Wegseite befestigen lässt: Die örtliche Art den stillen Ort als besetzt zu kennzeichnen.
Ich widerstehe dem wegtypischen Automatismus, das Reptil mit dem Schwanzende an der anderen Seite des Pfads anzubinden und setze meinen Weg fort. Rechts von mir verschwinden die zitronengelben Flecken langsam in der Dunkelheit.
Heute Abend nach Einbruch der Dunkelheit hängt hinter dem rot-weißen Absperrband plötzlich ein weiteres – diesmal schwarz-gelbes – im Geäst an der Seite des Pfads. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die farbenfroh gemusterte Strippe als Schlange, die sich langsam und geräuschlos durch die dünnen Äste am Wegrand windet. Es ist eine Stenophis citrinus, eine nachaktive, baumbewohnende Schlange, die nur an der zentralen Küste Westmadagaskars zu finden ist. Der abgeflachte, breite Kopf ist das charakteristische Merkmal aller zu dieser Gattung gehörenden Arten.
Ich widerstehe dem wegtypischen Automatismus, das Reptil mit dem Schwanzende an der anderen Seite des Pfads anzubinden und setze meinen Weg fort. Rechts von mir verschwinden die zitronengelben Flecken langsam in der Dunkelheit.
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