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Der Mathematische Monatskalender: Evangelista Torricelli (1608–1647): Erfinder des Barometers

Evangelista Torricelli, Zeitgenosse Galileis, Fermats und Descartes', lebte und arbeitete in Rom und Florenz. Heute ist er vor allem für die Erfindung des Quecksilber-Barometers bekannt, mit dem er 1644 die Existenz des Luftdrucks nachweisen konnte.
Torricelli

Der als Sohn eines einfachen Handwerkers in Faenza geborene Evangelista Torricelli hat das Glück, dass sein Onkel, ein Mönch, frühzeitig die große Begabung des Jungen erkennt und ihn auf den Besuch der örtlichen höheren Schule der Jesuiten vorbereiten kann. Im Alter von 16 Jahren darf er dann dort einige Monate lang die Vorlesungen in Mathematik und Philosophie besuchen. 1626 wird er zur weiteren Ausbildung nach Rom empfohlen. Dort ist gerade Benedetto Castelli (1577–1643), ein Schüler Galileo Galileis (1564–1642), zum Professor für Mathematik an der päpstlichen Universität »La Sapienza« ernannt worden.

Torricelli schreibt sich nicht an der Universität ein; vielmehr wird Castelli sein »privater« Lehrer in Mathematik, Mechanik, Hydraulik und Astronomie – Torricelli arbeitet für ihn als Sekretär und übernimmt bei Castellis Abwesenheit dessen Vorlesungen.

Von 1632 an korrespondiert Torricelli mit Galilei im Auftrage Castellis; auch er ist von der Richtigkeit der Theorien des Kopernikus und der revolutionären Beobachtungen und Theorien Galileis überzeugt. Als jedoch im darauf folgenden Jahr Galilei durch die Inquisition der Prozess gemacht wird, verlagert er die Schwerpunkte seiner Untersuchungen auf weniger gefährliche Gebiete.

Die nächsten Jahre verbringt er mit Studien und Experimenten, setzt sich dabei unter anderem mit Galileis Abhandlung »Discorsi e Dimostrazioni Matematiche, intorno a due nuove scienze« über die parabelförmige Bewegung von Geschossen auseinander. 1641 legt er Castelli das Manuskript »De motu gravium naturaliter descendentium« vor, der hiervon so begeistert ist, dass er es an Galilei weiterleitet. Im Herbst des Jahres reist er nach Arcetri, um als Assistent bei dem dort unter dem Hausarrest der Kirche lebenden, mittlerweile fast erblindeten Galilei zu arbeiten.

Galilei stirbt bereits im darauf folgenden Januar, und Torricelli wird als sein Nachfolger zum Hofmathematiker des Großherzogs von Florenz sowie zum Professor für Mathematik und Physik an der Florentiner Universität ernannt.

1644 erscheint das einzige Werk Torricellis, die dreibändige »Opera geometrica«; es enthält die Weiterentwicklung des Entwurfs »De motu gravium naturaliter descendentium« als zweiten Band. Die Ideen Galileis aufgreifend, untersucht er die Flugbahnen von Geschossen, gibt Tabellen an, mit deren Hilfe die Kanoniere den richtigen Abschusswinkel für ihre anvisierten Ziele bestimmen können. Es enthält aber auch erste Theorien und Gesetzmäßigkeiten zur Hydrodynamik: Er entdeckt, dass die Ausflussgeschwindigkeit von Flüssigkeiten proportional ist zur Quadratwurzel aus der Höhe der Flüssigkeitssäule.

Von 1643 an untersucht er zusammen mit Vincenzo Viviani (1622–1703) das Verhalten von Quecksilber und anderen Flüssigkeiten in Röhren. Berühmt wird Torricelli durch die Erfindung des Quecksilber-Barometers im Jahr 1644; er beweist damit die Existenz des Luftdrucks: Eine Quecksilbersäule von circa 760 Millimeter wird durch den Luftdruck gehalten. Damit widerlegt er die Vorstellungen des Aristoteles (384–322 v. Chr.), der die Existenz eines Vakuums als logische Kontradiktion ansah, und auch Galileis, der noch die Meinung vertritt, dass das Vakuum das Pumpen von Wasser über eine Höhendifferenz von 10 Meter verhindert. Wie andere Zeitgenossen räumt dieser ein, dass es das Vakuum gibt, aber die Natur sich gegen die Existenz »wehrt« (»horror vacui«).

In seinen letzten Lebensjahren hat Torricelli erhebliche Nebeneinkünfte durch den Bau von optischen Instrumenten (Teleskope und einfache Mikroskope); seine noch heute erhaltenen Linsen zeigen große handwerkliche Fähigkeiten. Nach seinem frühen und plötzlichen Tod (er stirbt vermutlich aufgrund einer Typhus-Infektion) gelingt es seinen Freunden nicht, die hinterlassenen Briefe und Manuskripte zu ordnen und auszuwerten; dies geschieht erst im 20. Jahrhundert. Der größte Teil der Original-Manuskripte wird jedoch im zweiten Weltkrieg vernichtet.

Als Mathematiker setzt sich Torricelli vor allem mit den Theorien des Bonaventura Cavalieri (1598–1647), Mathematik-Professor an der Universität von Bologna, auseinander. Im Jahr 1635 erscheint dessen Hauptwerk »Geometrica indivisibilibus continuorum nova quadam ratione promota«, in dem er Methoden des Archimedes und Keplers weiter entwickelt. Es enthält das (heute) so genannte Cavalierische Prinzip: Werden bei zwei Körpern Schnitte in gleicher, aber beliebiger Höhe durchgeführt und sind die so entstehenden Schnittflächen gleich groß, dann haben die beiden Körper das gleiche Volumen.

Nach den Vorstellungen Cavalieris entstehen Geraden durch die Bewegung eines Punktes, Ebenen durch die Bewegung einer Geraden – eine Idee, die sich später auch bei Isaac Barrow (1630–1677), Isaac Newton (1642–1727) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) wiederfindet, die also die Entwicklung der Infinitesimalrechnung wesentlich beeinflusst. In seinem Kalkül addiert er demnach Strecken, um eine Fläche zu erhalten. Torricelli erkennt, dass dieser Ansatz fehlerhaft ist, denn nach dieser Methode könnte man für ein beliebiges Dreieck »beweisen«, dass eine Höhe die Fläche halbiert. Cavalieri verändert daher sein Konzept dahingehend, dass er nicht mehr »Strecken« sondern »Fäden« addiert – nicht teilbare Flächenstücke von infinitesimaler Breite (»Flächen« sind »Gewebe« aus parallelen »Fäden«; im Raum: Körper sind »Bücher«, die aus »Blättern« bestehen).

Mithilfe dieses Kalküls leitet Cavalieri für gleich hohe Körper die Beziehungen \(V_{\text{Kugel}}=V_{\text{Zylinder}}–V_{\text{Kegel}}\) und \(V_{\text{Zylinder}}=3\cdot V_{\text{Kegel}}\) her und folgert hieraus: \(V_{\text{Kugel}}=\frac{2}{3}\cdot V_{\text{Zylinder}}\) (was bereits Archimedes bekannt war). Er führt Berechnungen für Flächenstücke unter den Parabeln mit \(y = x^2\) sowie \(y = x^4\) durch; diese werden zur gleichen Zeit auch von Pierre de Fermat (1608–1665) und John Wallis (1616–1703) nach anderen Methoden bestimmt.

Torricelli beweist, dass Scharen von Parabeln durch Parabeln »eingehüllt« werden und dass die Ortslinie der Scheitelpunkte einer Parabelschar ebenfalls eine Parabel ist. Zeitgleich zu Gilles Personne de Roberval (1620–1675) entwickelt er eine Methode, Tangenten an Zykloiden zu konstruieren (das sind Kurven, die ein Punkt eines Kreises durchläuft, wenn dieser abgerollt wird). Auch berechnet er – wie Roberval – die Maßzahlen von Flächen unter Zykloiden. Ferner bestimmt er die Bogenlänge der logarithmischen Spirale und Schwerpunkte von Flächen.

1644 besucht ihn der Minoriten-Pater Marin Mersenne (1588–1648) auf seiner Pilgerreise nach Rom und berichtet über ein von Fermat gestelltes Problem: »In welchem Punkt im Innern eines Dreiecks mit Winkeln unter 120 Grad ist die Summe der Entfernungen zu den drei Eckpunkten minimal?« Er findet eine Lösung (Konstruktion mithilfe von Ellipsen), weshalb der gesuchte Punkt heute oft auch als Fermat-Torricelli-Punkt bezeichnet wird.

Bei der Beschäftigung mit dem Volumen eines Rotationskörpers entdeckt Torricelli etwas, das ihn sogar an der Richtigkeit der Mathematik überhaupt zweifeln lässt: Rotiert die Fläche (mit unendlichem Inhalt) unter der Hyperbel mit \(y = \frac{1}{x}\) für\( x\geq 1\) um die x-Achse, dann erhält man als Volumen des sich ins Unendliche erstreckenden Körpers ein endliches Maß – in der heutigen Schreibweise: \[V=\pi \cdot \int_1^{\infty} \left(\frac{1}{x}\right)^2\ dx = \pi\]

Evangelista Torricelli (1608 – 1647)

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