Die Wale des Waldes
Zum fünften Mal steige ich in Hannover in ein Flugzeug und beginne die Reise nach Madagaskar, die viertgrößte Insel der Welt, Exportmeister für Vanille und weltweit einzige Heimat der Lemuren, deren Verhalten ich im Rahmen einer Doktorarbeit am Deutschen Primatenzentrum erforsche. Deutschland liegt unter einer Schneedecke, Minusgrade halten das Land im eisigen Griff, und die Tragflächen des Flugzeugs, das mich nach Paris bringt, müssen vor dem Start mit heißem Frostschutzmittel enteist werden. Aus der Luft erscheint das Land wie unter weißer Watte, nur an einzelnen Stellen stechen ein spitzer Kirchturm oder eine geräumte Straße dunkel ins Auge. Frankreich hingegen ist aus der Vogelperspektive nicht ganz so weiß, und der Flughafen Charles de Gaulle vollkommen schneefrei.
Ich habe zwei Tage Aufenthalt, um ein verlängertes Visum zu beantragen, und quartiere mich wieder in einem Hotel nahe dem Flughafen ein, da es manchmal nach wie vor zu Unruhen im Stadtzentrum kommt. Nach der gewaltsamen Vertreibung des ehemaligen Präsidenten Ravalomanana im vergangenen Jahr kommt es immer wieder zu Scharmützeln und Plünderungen. Für März sind Neuwahlen angesetzt, vielleicht entspannt sich die Situation, vielleicht weiten sich die Unruhen dadurch aber auch wieder aus. Auf jeden Fall ist es eine gute Entscheidung nicht im Zentrum abzusteigen: Am zweiten Tag in Tana randalieren Jugendliche in der Geschäftsmeile der Stadt, werfen Fenster ein, und die Polizei rückt aus.
Ich streife mit Parkranger Patrick durch den tropfenden, satt-grünen Bergregenwald als wir plötzlich hohe, auf- und absteigende Rufe hören, die an Aufnahmen von Walgesängen erinnern. Wenig später sehen wir die Verursacher: Indris, die größten noch lebenden Lemuren. Zu ihren wunderlichen Rufen (mit dem Walgesang markieren sie ihr Revier akustisch bis zu drei Kilometer weit) passt ihr wunderliches Erscheinungsbild: runde Teddybärohren, Knopfaugen, schwarz-weißes Fell, ein gedrungen wirkender Körper ohne Schwanz, dafür mit überlangen Sprungbeinen. Wir folgen der kleinen Gruppe aus fünf Tieren eine ganze Weile, ein Familienverband, der gemächlich durch die Baumkronen zieht und dabei Früchte verzehrt.
Nach einer Nacht in Paris geht es weiter. Mit Verspätung starten wir den Interkontinentalflug über das Mittelmeer, die Sahara, den Äquator und Nairobi und erreichen schließlich um ein Uhr nachts die madagassische Hauptstadt Tana. Wuchtig schlägt einem die feuchtwarme Luft beim Verlassen der Maschine ins Gesicht, für einen Moment fällt das Atmen schwer: Hier auf der Südhalbkugel ist jetzt Sommer, was mit regelmäßigen Regenschauern, Gewittern und Stürmen einhergeht. Die Luft ist schwer und riecht nach Blüten und nassem Asphalt. Der Schnee in Deutschland ist nur mehr eine unwirkliche, schnell verblassende Erinnerung.
Ich habe zwei Tage Aufenthalt, um ein verlängertes Visum zu beantragen, und quartiere mich wieder in einem Hotel nahe dem Flughafen ein, da es manchmal nach wie vor zu Unruhen im Stadtzentrum kommt. Nach der gewaltsamen Vertreibung des ehemaligen Präsidenten Ravalomanana im vergangenen Jahr kommt es immer wieder zu Scharmützeln und Plünderungen. Für März sind Neuwahlen angesetzt, vielleicht entspannt sich die Situation, vielleicht weiten sich die Unruhen dadurch aber auch wieder aus. Auf jeden Fall ist es eine gute Entscheidung nicht im Zentrum abzusteigen: Am zweiten Tag in Tana randalieren Jugendliche in der Geschäftsmeile der Stadt, werfen Fenster ein, und die Polizei rückt aus.
Am zweiten Tag in Tana miete ich ein Taxi für den ganzen Tag und reise mit dem Fahrer Olivier und seiner Frau Simone auf der Straße nach Tamatave Richtung Osten in den Andasibe-Mantadia-Nationalpark. Auf dem Weg umkurven wir mächtige Berge, in den Tälern leuchten grün die terrassierten Reisfelder neben den schmalen, aus braunen, gebrannten Steinen errichteten Häusern der Merina. Ich habe leider nur einen Tag Zeit und kann mir deshalb nur das kleinere Andasibe-Waldstück anschauen, nicht auch das vielfach größere etwas nördlich davon liegende Mantadia-Gebiet. Aber auch der kleine Andasibe-Wald bietet eine ungeheure Artenfülle: Elf Lemurenarten leben hier, unter anderem Aye-Ayes (Daubentonia madagascariensis), Bambuslemuren (Hapalemur griseus) und Indris (Indri indri), dazu unzählige Vogel-, Reptilien- und Amphibienarten.
Ich streife mit Parkranger Patrick durch den tropfenden, satt-grünen Bergregenwald als wir plötzlich hohe, auf- und absteigende Rufe hören, die an Aufnahmen von Walgesängen erinnern. Wenig später sehen wir die Verursacher: Indris, die größten noch lebenden Lemuren. Zu ihren wunderlichen Rufen (mit dem Walgesang markieren sie ihr Revier akustisch bis zu drei Kilometer weit) passt ihr wunderliches Erscheinungsbild: runde Teddybärohren, Knopfaugen, schwarz-weißes Fell, ein gedrungen wirkender Körper ohne Schwanz, dafür mit überlangen Sprungbeinen. Wir folgen der kleinen Gruppe aus fünf Tieren eine ganze Weile, ein Familienverband, der gemächlich durch die Baumkronen zieht und dabei Früchte verzehrt.
Nachdem wir die Indris verlassen haben, beginnt es zu regnen. Wir ziehen weiter durch das dichte Grün, vorbei an einer Baumkrabbe, die behände an einem Stamm emporkraxelt, als wir uns nähern. In einem dicht mit Bambus bestandenen Areal entdecken wir die nächsten Lemuren: klein, braun, mit rundem Gesicht – Bambuslemuren. Wir zählen drei Tiere – eines davon trägt ein Junges auf dem Rücken –, die sich an den Bambusstangen zu schaffen machen. Ein fantastischer Anblick. Wir bleiben lange und beobachten, erst als es wieder beginnt zu regnen, machen wir uns auf den Rückweg. Wie zum Abschied erklingen aus der Ferne noch einmal die Gesänge der Indris.
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