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Das vom Autor vorgeschlagene Modell „latenter Handlungsmöglichkeiten“ als Lösung im Umgang bei Unterlassungen scheint mir noch zu wenig ausgereift. Zwar sieht es die Betrachtung verschiedener Handlungsmöglichkeiten in Betracht und erhält damit einen analogen Ansatz wie der von Hugh Everett vorgeschlagenen Viele-Welten-Interpretation zur Quantenmechanik, allerdings kann dieser Ansatz nicht zu einer vollständigen und gerechten Lösung der Behandlung von Unterlassungen in unserer Gesellschaft führen:
Bei der Betrachtung latenter Möglichkeiten ergibt sich sehr schnell die Nichtbeantwortbarkeit der Wirkungen, da diese wiederum Ursachen für weitere Folgewirkungen darstellen und als Folge der Nichtberechenbarkeit in den chaotisch reagierenden Prozessen unserer Welt vom menschlichen Geist nicht ausreichend verarbeitet werden können. Als Konsequenz kann daher eine Rechtsprechung lediglich auf Basis einer ungenauen Einschätzung des Sachverhalts erfolgen und bleibt damit grundsätzlich widerlegbar.
Darüber hinaus ergibt sich eine Gerechtigkeitslücke, die in dem Aufsatz seitens des Ethikers Peter Singer bereits angedeutet wurde. Die Gerechtigkeitslücke umfasst dabei aber nicht nur die Unterlassung, sondern auch das gezielte Handeln, wenn es zum Schaden Dritter führt. Beispielsweise wurde in unserer Gesellschaft von den Handelnden des Bundestags gezielt der Betrieb von Dieselkraftfahrzeugen gefördert (z.B. durch geringere Steuersätze beim Treibstoff), obwohl seit langem bekannt ist, das durch den Schadstoffausstoß derartiger Fahrzeuge viele Menschen vorzeitig ums Leben kommen. Spannend wird, wie die Rechtsprechung im Sinne latenter Handlungsmöglichkeiten hier zu möglichen Fahrverboten in Innenstädten aussehen wird. Mit Sicherheit werden aber nicht diejenigen zur Rechenschaft gezogen, die wider besseren Wissens den Betrieb dieser Fahrzeuge nicht unterbunden haben und auch immer noch dafür plädieren, den Betrieb von Dieselkraftfahrzeugen weiter zuzulassen. Stattdessen erfolgen Abwägungsprozesse, die u.a. den finanziellen Wohlstand durch Arbeitsplätze dem vorzeitigen Tod einer statistisch ermittelbaren Zahl von Menschen gegenüberstellen.
Damit zeigt sich die Bewertung latenter Möglichkeiten bei der Betrachtung von Unterlassungen als rein gesellschaftspolitische oder gerichtliche Entscheidungsfindung, bei der jegliche Entscheidung anfechtbar bleibt.
Dennoch halte ich es für richtig, auch Nichtstun als einen Repräsentanten aus der Klasse möglicher latenter Handlungen anzusehen. Genauso wie die Zahl Null der Klasse der natürlichen Zahlen zugeordnet wird, besteht ein Nichthandeln aus meiner philosophischen Sicht grundsätzlich nicht, da Nichthandeln auch eine Form des Handelns darstellt.
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„Die Wirkung des Nichts“ von David Hommen, Gehirn und Geist 02/2018
25.01.2018, Frank VollbrechtBei der Betrachtung latenter Möglichkeiten ergibt sich sehr schnell die Nichtbeantwortbarkeit der Wirkungen, da diese wiederum Ursachen für weitere Folgewirkungen darstellen und als Folge der Nichtberechenbarkeit in den chaotisch reagierenden Prozessen unserer Welt vom menschlichen Geist nicht ausreichend verarbeitet werden können. Als Konsequenz kann daher eine Rechtsprechung lediglich auf Basis einer ungenauen Einschätzung des Sachverhalts erfolgen und bleibt damit grundsätzlich widerlegbar.
Darüber hinaus ergibt sich eine Gerechtigkeitslücke, die in dem Aufsatz seitens des Ethikers Peter Singer bereits angedeutet wurde. Die Gerechtigkeitslücke umfasst dabei aber nicht nur die Unterlassung, sondern auch das gezielte Handeln, wenn es zum Schaden Dritter führt. Beispielsweise wurde in unserer Gesellschaft von den Handelnden des Bundestags gezielt der Betrieb von Dieselkraftfahrzeugen gefördert (z.B. durch geringere Steuersätze beim Treibstoff), obwohl seit langem bekannt ist, das durch den Schadstoffausstoß derartiger Fahrzeuge viele Menschen vorzeitig ums Leben kommen. Spannend wird, wie die Rechtsprechung im Sinne latenter Handlungsmöglichkeiten hier zu möglichen Fahrverboten in Innenstädten aussehen wird. Mit Sicherheit werden aber nicht diejenigen zur Rechenschaft gezogen, die wider besseren Wissens den Betrieb dieser Fahrzeuge nicht unterbunden haben und auch immer noch dafür plädieren, den Betrieb von Dieselkraftfahrzeugen weiter zuzulassen. Stattdessen erfolgen Abwägungsprozesse, die u.a. den finanziellen Wohlstand durch Arbeitsplätze dem vorzeitigen Tod einer statistisch ermittelbaren Zahl von Menschen gegenüberstellen.
Damit zeigt sich die Bewertung latenter Möglichkeiten bei der Betrachtung von Unterlassungen als rein gesellschaftspolitische oder gerichtliche Entscheidungsfindung, bei der jegliche Entscheidung anfechtbar bleibt.
Dennoch halte ich es für richtig, auch Nichtstun als einen Repräsentanten aus der Klasse möglicher latenter Handlungen anzusehen. Genauso wie die Zahl Null der Klasse der natürlichen Zahlen zugeordnet wird, besteht ein Nichthandeln aus meiner philosophischen Sicht grundsätzlich nicht, da Nichthandeln auch eine Form des Handelns darstellt.