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Hallo, ich habe mich schon einmal empört als ich den Artikel zum Thema Antipsychiatrie von Theodor Schaarschmidt in der Zeit Online Ausgabe 2017 gelesen habe, nun fand ich den Artikel auch noch übersetzt in der spanischen Ausgabe von Gehirn und Geist Nr 91 vom Juli/August 2018.
Generell ist nichts einzuwenden an einem rückblickenden Artikel über die Antipsychiatrie in den 70er Jahren. Was mich jedoch stört, ist, dass am Ende nicht darüber aufgeklärt wird, dass die Psychiatrie heute längst nicht mehr so ist wie in den 70er Jahren und dass vielleicht auch deshalb der Protest weitesgehend ausbleibt. Herr Lehmann wird in dem Artikel zitiert ohne die Daten, die er nennt, zu hinterfragen und zu überprüfen. Natürlich haben Psychopharmaka Nebenwirkungen, aber sie sind nicht der Grund für eine niedrigere Lebenserwartung bei Personen mit psychiatrischen Erkrankungen (wobei man auch unterscheiden sollte, um welche psychiatrische Erkrankung es sich eigentlich handelt), die Zusammenhänge sind viel komplizierter. Eine ,,erhöhte“ Rate an Zwangsmaßnahmen kann sich auch einfach damit erklären, dass man erst spät angefangen hat, sie überhaupt zu registrieren etc.
Am meisten habe ich mich jedoch über die 6 Punkte geärgert, die noch einmal die aktuellen Kritikpunkte zusammenfassen sollen. Hier verstehe ich nicht ganz, von wem genau diese Kritikpunkte geäußert werden. Viele kann man direkt entkräften. Punkt 3 über die biologische Perspektive: ,,Der soziale Kontext einer psychiatrischen Erkrankung wird ignoriert.“ Stimmt schlichtweg NICHT. Es gibt längst SOZIALpsychiatrische Einrichtungen, eine Sozialanamnese ist Standard in jeder Untersuchung, es gibt Angebote zur Familientherapie etc. Das biopsychosoziale Modell zur Erklärung der Entstehung von psychiatrischen Erkrankungen ist Basiswissen im Medizinstudium. ,,Pure somatische Therapie“. Stimmt ebenfalls NICHT. Nicht umsonst sind Psychiater auch Fachärzte für Psychotherapie und auf den Stationen wird mit Psychologen und Sozialarbeitern zusammengearbeitet. Punkt 4 Das soziale System ist das Problem, nicht der Patient. Ich bin auch für mehr Hilfe und Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft. Aber auch hier wird wieder geschrieben, dass ,,nur“ die Symptome behandelt werden, nicht die Ursachen. Den Punkt finde ich sehr wage. Wenn ich genetische Ursachen oder eine Dysbalance der Hormone vorliegen habe, wie ist denn dann das soziale System das Problem? Ich glaube, dass hier vergessen wird, dass psychiatrische Erkrankungen durchaus auch biologische Ursachen haben. Oder der Punkt wurde einfach zu allgemein formuliert. Punkt 5 Das klinische Personal sei autoritär. Kann ich auch nicht bestätigen, kann natürlich mal sein, dass man so eine Station vorfindet, ich persönlich habe es noch nie gesehen. Vielleicht sollte der Autor mal ein Praktikum in der Psychiatrie absolvieren. Ich persönlich kenne es nicht anders, dass man mit den Patienten die Therapie gemeinsam bespricht.
6. Nein zur Zwangstherapie. ,,In psychiatrischen Zentren werden Menschen zurückgehalten und gegen ihren Willen behandelt.“ In meinen Augen kann man so einen Punkt vor allem in Kombination mit so einem Artikel nicht einfach stehen lassen. Nicht alle psychiatrischen Erkrankungen sind gleich. Zwangsmaßnahmen sind NICHT der Normalfall. Natürlich nicht, wenn man sich beispielsweise mit einer Angststörung in eine psychiatrischen Klinik begibt, ist der Aufenthalt mit dem in einer anderen Klinik zu vergleichen. Allein um diesen Punkt zu erklären, könnte man noch einmal einen ganzen Artikel hinten anhängen.
Bei der Veröffentlichung eines solchen Artikels sollte man sich noch einmal dessen Auswirkungen vor Augen führen. Die aktuelle Psychiatrie entspricht längst nicht mehr der Psychiatrie der 70er Jahre, dennoch wird häufig über die Medien ein negatives Bild vermittelt. Die dunkle Seite der Geschichte der Psychiatrie lässt sich eben gut verkaufen. Heutzutage kann die Psychiatrie aber vielen Menschen helfen und ich denke, dass es sehr wichig ist, Vorurteile zu beseitigen, damit Menschen, die wegen eines falschen Bildes noch zweifeln, eine helfende Therapie in Anspruch nehmen können.
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Fragwürdiger Artikel zum Thema Antipsychiatrie
09.10.2018, Gretaich habe mich schon einmal empört als ich den Artikel zum Thema Antipsychiatrie von Theodor Schaarschmidt in der Zeit Online Ausgabe 2017 gelesen habe, nun fand ich den Artikel auch noch übersetzt in der spanischen Ausgabe von Gehirn und Geist Nr 91 vom Juli/August 2018.
Generell ist nichts einzuwenden an einem rückblickenden Artikel über die Antipsychiatrie in den 70er Jahren.
Was mich jedoch stört, ist, dass am Ende nicht darüber aufgeklärt wird, dass die Psychiatrie heute längst nicht mehr so ist wie in den 70er Jahren und dass vielleicht auch deshalb der Protest weitesgehend ausbleibt.
Herr Lehmann wird in dem Artikel zitiert ohne die Daten, die er nennt, zu hinterfragen und zu überprüfen. Natürlich haben Psychopharmaka Nebenwirkungen, aber sie sind nicht der Grund für eine niedrigere Lebenserwartung bei Personen mit psychiatrischen Erkrankungen (wobei man auch unterscheiden sollte, um welche psychiatrische Erkrankung es sich eigentlich handelt), die Zusammenhänge sind viel komplizierter. Eine ,,erhöhte“ Rate an Zwangsmaßnahmen kann sich auch einfach damit erklären, dass man erst spät angefangen hat, sie überhaupt zu registrieren etc.
Am meisten habe ich mich jedoch über die 6 Punkte geärgert, die noch einmal die aktuellen Kritikpunkte zusammenfassen sollen. Hier verstehe ich nicht ganz, von wem genau diese Kritikpunkte geäußert werden. Viele kann man direkt entkräften.
Punkt 3 über die biologische Perspektive: ,,Der soziale Kontext einer psychiatrischen Erkrankung wird ignoriert.“ Stimmt schlichtweg NICHT. Es gibt längst SOZIALpsychiatrische Einrichtungen, eine Sozialanamnese ist Standard in jeder Untersuchung, es gibt Angebote zur Familientherapie etc. Das biopsychosoziale Modell zur Erklärung der Entstehung von psychiatrischen Erkrankungen ist Basiswissen im Medizinstudium.
,,Pure somatische Therapie“. Stimmt ebenfalls NICHT. Nicht umsonst sind Psychiater auch Fachärzte für Psychotherapie und auf den Stationen wird mit Psychologen und Sozialarbeitern zusammengearbeitet.
Punkt 4 Das soziale System ist das Problem, nicht der Patient. Ich bin auch für mehr Hilfe und Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft. Aber auch hier wird wieder geschrieben, dass ,,nur“ die Symptome behandelt werden, nicht die Ursachen. Den Punkt finde ich sehr wage. Wenn ich genetische Ursachen oder eine Dysbalance der Hormone vorliegen habe, wie ist denn dann das soziale System das Problem? Ich glaube, dass hier vergessen wird, dass psychiatrische Erkrankungen durchaus auch biologische Ursachen haben. Oder der Punkt wurde einfach zu allgemein formuliert.
Punkt 5 Das klinische Personal sei autoritär. Kann ich auch nicht bestätigen, kann natürlich mal sein, dass man so eine Station vorfindet, ich persönlich habe es noch nie gesehen. Vielleicht sollte der Autor mal ein Praktikum in der Psychiatrie absolvieren. Ich persönlich kenne es nicht anders, dass man mit den Patienten die Therapie gemeinsam bespricht.
6. Nein zur Zwangstherapie. ,,In psychiatrischen Zentren werden Menschen zurückgehalten und gegen ihren Willen behandelt.“ In meinen Augen kann man so einen Punkt vor allem in Kombination mit so einem Artikel nicht einfach stehen lassen. Nicht alle psychiatrischen Erkrankungen sind gleich. Zwangsmaßnahmen sind NICHT der Normalfall. Natürlich nicht, wenn man sich beispielsweise mit einer Angststörung in eine psychiatrischen Klinik begibt, ist der Aufenthalt mit dem in einer anderen Klinik zu vergleichen. Allein um diesen Punkt zu erklären, könnte man noch einmal einen ganzen Artikel hinten anhängen.
Bei der Veröffentlichung eines solchen Artikels sollte man sich noch einmal dessen Auswirkungen vor Augen führen. Die aktuelle Psychiatrie entspricht längst nicht mehr der Psychiatrie der 70er Jahre, dennoch wird häufig über die Medien ein negatives Bild vermittelt. Die dunkle Seite der Geschichte der Psychiatrie lässt sich eben gut verkaufen. Heutzutage kann die Psychiatrie aber vielen Menschen helfen und ich denke, dass es sehr wichig ist, Vorurteile zu beseitigen, damit Menschen, die wegen eines falschen Bildes noch zweifeln, eine helfende Therapie in Anspruch nehmen können.