Gentechnik: Eine Studie, die Fragen offen lässt
Die neueste Studie über Gesundheitsgefahren durch gentechnisch veränderten Mais des französischen Forschers Gilles-Eric Séralini [1] hat erwartungsgemäß ein großes Medienecho ausgelöst: Mit gentechnisch verändertem Mais gefütterte Ratten hätten demnach ein deutlich höheres Risiko, an Krebs zu erkranken, als Artgenossen, die normalen Mais vorgesetzt bekommen hatten. Gentechnikgegner sehen sich wieder einmal in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Ebenfalls erwartungsgemäß hagelt es aus der Wissenschaft Kritik an der Fütterungsstudie – und die erweist sich bei näherer Betrachtung als nur allzu berechtigt.
Denn der Unsauberkeiten und Ungereimtheiten in der Studie sind viele. Das unabhängige Science Media Centre hat eine lange und aufschlussreiche Liste kritischer Forscher zusammengestellt, die unter anderem die geringe Anzahl untersuchter Tiere und die Auswahl der besonders tumoranfälligen Rattenlinie monieren – beides begünstigt unklare Ergebnisse. Im Fokus stehen jedoch besonders Qualität und statistische Auswertung der Daten: Séralini und seine Kollegen verzichten darauf, wesentliche statistische Größen wie die Schwankungsbreite der Ergebnisse anzugeben oder auch nur die Versuchsgruppen auf gleicher Basis mit der Kontrollgruppe zu vergleichen. Tatsächlich ist es anderen Wissenschaftlern gar nicht möglich, die Schlussfolgerungen nachzuvollziehen, weil beträchtliche Teile der in der Studie erhobenen Daten in der Publikation gar nicht auftauchen.
Und selbst die gezielt ausgewählten Daten in der Veröffentlichung lassen Zweifel an den Schlussfolgerungen aufkommen. Soweit man das aus den schlecht aufbereiteten Daten überhaupt erkennen kann, schwanken die Ergebnisse sehr stark – einige der GMO-gefütterten Gruppen entwickelten wesentlich mehr Tumoren als die Kontrollgruppe, andere dagegen nicht, und das anscheinend unabhängig von der Dosis an genetisch verändertem Mais. Dafür kann es eine ganze Reihe unterschiedlicher Gründe geben. Die Autoren führen den Befund darauf zurück, dass die schädliche Wirkung oberhalb eines Schwellenwerts einsetzt und dann gleich bleibt. Genauso gut könnten die Resultate jedoch auf andere Ursachen oder gar völlig zufällige Schwankungen zurückgehen – mit den in der Studie veröffentlichen Daten, geben an der Studie nicht beteiligte Wissenschaftler zu bedenken, lässt sich die Frage schlicht nicht entscheiden.
Die Autoren merken in der Veröffentlichung lediglich trocken an, es sei nicht möglich gewesen, die gesamten Daten des Versuchs offenzulegen. Was genau sie daran gehindert hat, darüber schweigen sie sich aus. Stattdessen präsentieren sie lediglich eine Auswahl von Zahlen, die sie nach eigenen Angaben für relevant erachten. Das ist alles andere als gute wissenschaftliche Praxis, wenn nicht gar gezielte Irreführung.
Zumindest lässt sich festhalten, dass Séralini und seine Kollegen es Wissenschaftlern und Öffentlichkeit ungewöhnlich schwer machen, ihre Arbeit sachlich zu beurteilen. Dass die Autoren nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters Journalisten explizit untersagten, vor der Veröffentlichung des Papers unabhängige Experten zu konsultieren, passt da ebenso ins Bild wie der Umstand, dass die Studie zwar nur rudimentäre Daten, dafür aber umso mehr schockierende Bilder von tumorbefallenen Ratten enthält.
Auf einem so kontroversen Forschungsfeld würde man eigentlich erwarten, dass die Wissenschaftler ihre Daten und Schlussfolgerungen so transparent und nachvollziehbar wie möglich darlegen, gerade um erwartbarer Kritik von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Autoren dieser Studie tun das Gegenteil, und zwar so konsequent, dass es schwer ist, dahinter keine Absicht zu vermuten. Wie viel die Ergebnisse von Séralini und seinen Kollegen wirklich wert sind, kann man jedenfalls erst dann beurteilen, wenn auch die noch fehlenden Daten auf dem Tisch liegen.
So wissenschaftlich fragwürdig die Studie an diesem Punkt ist, Gentechnikgegnern liefert die Berichterstattung in den Medien hochwillkommene Munition – ein Nebeneffekt, der zumindest zweien der beteiligten Forscher keine Kopfschmerzen bereitet: Séralini sitzt dem wissenschaftlichen Beirat der gentechnikkritischen Lobbyorganisation CRIIGEN vor, und Spiroux de Vendômois ist ihr Präsident. Interessenkonflikte, die ihre Ergebnisse womöglich beeinflusst haben könnten, gebe es keine, heißt es am Ende der Studie.
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