Grüne Wolken am IT-Himmel
Asja Bernd: Herr Hilty, die IT-Branche preist seit einiger Zeit den Begriff Cloud Computing. Firmen und Privatleute sollen damit Geld und Ressourcen sparen. Was verbirgt sich dahinter?
Lorenz Hilty: Die Grundidee des Cloud Computing ist, dass man vorhandene Rechen- und Speicherkapazitäten flexibler nutzt. Computer sind heute zwar sehr leistungsfähig, werden aber nur selten ausgenutzt. Beim Cloud Computing hingegen werden viele Server an unterschiedlichen Orten miteinander verbunden, und die Nutzer teilen deren Leistungskraft unter sich auf. Wo die Leistung genau erbracht wird, ist für sie dabei egal. Das große Ganze nennt man dann Cloud oder Wolke. Das Konzept ist grundsätzlich dezentral. Theoretisch könnte man alle ungenutzten Rechen- und Speicherkapazitäten anderen zur Verfügung stellen. Außerdem unterscheidet man Public und Private Clouds, also öffentliche Wolken und solche innerhalb eines bestimmten Kreises, wie einer Firma.
Hilty: Im Moment geht der Trend eher in die Richtung, Server in Rechenzentren besser zu nutzen. Die meisten Firmen haben eigene Server, die alle auf Spitzenlasten ausgelegt sind. Doch die erreicht man nur wenige Sekunden am Tag. Andere Firmen könnten also auf die Server zugreifen, solange diese nicht ausgelastet sind.
Bernd: Und wieso kommt Cloud Computing erst jetzt auf, wenn es die Server doch schon seit Jahren gibt?
Hilty: Die Idee des Cloud Computing ist nicht neu, aber erst in den letzten Jahren möglich geworden. Wenn große Mengen an Daten transportiert werden sollen, braucht man entsprechende Verbindungen. Glasfaserkabel haben diese Tür geöffnet. Die Übertragung kostet heute fast nichts mehr und die Kapazitäten sind da. Der Trend muss dahin gehen, dass man diese nutzbar macht.
Bernd: Sie erforschen Informatik und Nachhaltigkeit. Kann Cloud Computing die IT Ihrer Meinung nach "grüner" machen?
Hilty: Wenn es sich mit Public Clouds auf breiter Basis durchsetzt, wäre damit ein erheblicher Schritt in Richtung einer nachhaltigen IT getan. In Public Clouds wird die IT-Infrastruktur besser genutzt, weil die Serverkapazitäten einen großen Pool bilden. Die Server einer einzelnen Firma werden hauptsächlich von morgens bis nachmittags genutzt, nur dann werden auch Spitzenlasten erreicht. Bei einer großen Menge von Nutzern verteilt sich die Last besser über die Zeit, weil nicht alle gleichzeitig am PC sitzen, vor allem wenn die Wolke auch Zeitzonen überspannt. Dadurch wird Hardware eingespart.
Bernd: Wie viel Strom und Hardware kann man denn einsparen?
Hilty: Vorsichtig geschätzt kann man annehmen, dass die Infrastruktur in einem Unternehmen durchschnittlich zu einem Drittel ausgelastet ist. In größeren Clouds ist eine Serverauslastung von zwei Dritteln sicher realistisch. Ich muss also nur halb so viel Hardware-Infrastruktur betreiben, um die gleiche Leistung zu erbringen. Der zweite Effekt ist die Verantwortung für die Infrastruktur. Der liegt in der Cloud nicht beim Anwender selbst, sondern beim Service Provider. Dieser hat sowohl ein Interesse, als auch die Möglichkeit, die technische Lebensdauer seiner Infrastruktur auszureizen. Die Hardware in einer Cloud könnte im Idealfall etwa doppelt so lange in Betrieb sein wie bisher. Durch beide Effekte zusammen könnte also der Ressourcenverbrauch für eine gegebene IT-Leistung auf ein Viertel reduziert werden. Es geht dabei nicht nur um den Stromverbrauch, man muss auch an Rohstoffe denken. In elektronischen Geräten sind heute über die Hälfte aller Elemente des Periodensystems verbaut. Meines Wissens gibt es keine andere Technik, die so viele Materialien nutzt. Einige davon, wie Indium, können bisher kaum recycelt werden. Mit Cloud Computing spare ich nicht nur Strom, ich spare auch Rohstoffe.
Bernd: Bei Servern ist die Auslastung anscheinend ziemlich schlecht. Bei PCs ist es ähnlich. Warum sind Rechner so konzipiert?
Hilty: Die meiste Zeit ist ein Computer mit busy waiting beschäftigt: Er schaut nach, ob eine Taste gedrückt wurde. Wenn nicht, macht er nichts – und prüft erneut. So geht das weiter, bis ein Befehl diese Endlosschleife unterbricht. Dabei verbraucht der Prozessor die ganze Zeit Strom. Das liegt daran, dass Großrechner früher viele Nutzer gleichzeitig beschäftigt haben: Der Prozessor lief und es arbeiteten so viele Benutzer daran, wie möglich. Entsprechend wurde die Hardware entwickelt und auch als der PC für zu Hause aufkam, blieb das Konzept gleich. Es änderte sich erst, als Laptops mit begrenzter Akkulaufzeit gefragt waren. Schließlich wurde Energie damit kostbar. Daraufhin haben die Entwickler die Hardware so verändert, dass sie die Taktfrequenz, also die Rate der Datenverarbeitung herunterfahren konnten. Schließlich muss der PC für das busy waiting nicht schnell sein. Dadurch und durch die Möglichkeit, Teile der Hardware ganz auszuschalten, kamen Modi wie Stand-by oder der Ruhezustand bei Laptops auf. Allerdings nutzt die Software diese Möglichkeiten häufig noch unvollkommen.
Hilty: Nach Umfragen von Marktforschungsinstituten planen über die Hälfte aller Unternehmen weltweit, Cloud Computing für bestimmte Anwendungsbereiche einzusetzen – oder tun dies bereits. Ich bin diesen Zahlen gegenüber aber skeptisch, da der Begriff Cloud Computing teilweise sehr weit gefasst wird. Man müsste die verschiedenen Formen des Cloud Computing differenzieren. Beispielsweise ist es ein großer Unterschied, ob die Cloud im Unternehmen bleibt oder ob man sich von einem öffentlichen Provider mit Speicherplatz und Rechenleistung versorgen lässt. Denn erst das bringt die wirklich großen Einsparungspotenziale.
Bernd: Wo begegnet man Cloud Computing heute schon?
Hilty: Ein Beispiel ist Google Docs, eine Webanwendung, um Texte, Tabellen und Präsentationen zu erstellen. Die Software läuft zwar im eigenen Webbrowser. Aber der Nutzer hat sie nicht installiert, sondern sie wird jedesmal übertragen, wenn er sie nutzen will. Fachleute nennen das "Software as a Service". Ein weit entwickeltes Beispiel sind die Amazon Web Services, die es in Deutschland leider noch nicht gibt. Dazu gehört etwa der Service "Elastic Compute Cloud", der dem Nutzer Rechenleistung in fast beliebigem Ausmaß zur Verfügung stellt. Wo und auf welchen Servern das Programm dann wirklich ausgeführt wird, ist offen und für den Nutzer völlig irrelevant. Entscheidend ist, dass man nur eine Dienstleistung kauft und sich um Infrastruktur und Plattformen niemals kümmern muss. Braucht der Nutzer mehr Leistung, bekommt er sie sofort. Denn dann arbeitet einfach ein größerer Teil der Wolke für ihn. Er muss sich nicht wie früher Gedanken machen, ob er vielleicht einen weiteren Server kaufen soll, wann er seine Hardware ersetzt und wie er das im laufenden Betrieb hinkriegen soll.
Bernd: Wollen Unternehmen überhaupt, dass ihre Daten auf fremden Servern landen?
Hilty: Das derzeit größte Problem ist tatsächlich die Datensicherheit. Entwickler von Sicherheitstechniken und Hacker befinden sich in einer Art Rüstungsspirale, die wahrscheinlich nie enden wird. Wie schützt man die Server also vor Angriffen? Und wo liegen meine Daten eigentlich? Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass mit Cloud Computing die bisher gesetzten Grenzen wegfallen. Steigert man die Effizienz, wird die Leistung billiger, das führt zu einer höheren Nachfrage nach ihr und es werden einfach noch mehr Videostreams und Bilder heruntergeladen. Das nennt man Rebound-Effekt: Theoretisch kann man Strom sparen, aber tatsächlich beziehen die Nutzer mehr Leistung als vorher. Das macht den Spareffekt wieder zunichte.
Bernd: Wann könnte Cloud Computing als Standard in der IT angekommen sein?
Hilty: Die eine Hürde ist das erwähnte Datensicherheitsproblem. Der zweite Aspekt ist die Frage, ob ich meinem Provider glaube, dass er mit meinen Daten keinen Unsinn anstellt. Vertraue ich also den Akteuren und ihren Sicherungsmaßnahmen? Da gibt es bislang eine möglicherweise berechtigte Furcht. Wenn diese Bedenken ausgeräumt werden könnten, hätte Cloud Computing ein riesiges Potenzial. Wahrscheinlich gibt es in zwei bis drei Jahren bestimmte Anwendungsgebiete, in denen die Cloud Standard ist. Das werden aber nur Bereiche sein, wo es wenig Sicherheitsbedenken gibt, also eher im Privaten als bei Unternehmen. Für große Unternehmen sind eigene Clouds wiederum attraktiv, weil diese erhebliche Einsparungen ohne Sicherheitsprobleme bringen.
Bernd: Was ist denn sicherer, die Cloud oder die private Festplatte?
Hilty: Das kann man nicht grundsätzlich sagen. Auf der einen Seite muss ich mich in der Cloud auf meinen Anbieter und dessen Sicherheitsmaßnahmen verlassen. Auf der anderen Seite sind die Daten auf meiner Festplatte normalerweise auch nicht sicher. Menschen neigen dazu zu glauben, dass Daten sicher sind, weil sie sie physisch bei sich haben. Aber ich kann meinen Laptop auch im Zug vergessen oder er wird mir gestohlen und da ist nichts verschlüsselt. Die Cloud kann auch sicherer sein.
Hilty: Man könnte Computer entwickeln, bei denen die verbrauchte elektrische Leistung der momentanen Auslastung entspricht. Das ist theoretisch annähernd möglich und müsste konsequenter umgesetzt werden. Damit käme man bereits einen großen Schritt weiter. Außerdem sollte man an den Verbrauch von Rohstoffen denken, also Computer so lange benutzen, bis sie nicht mehr funktionieren und sie dann vernünftig recyceln. Wenn wir den weiter steigenden Bedarf an elektronischen Produkten decken wollen, kommen wir an einem effizienten Recycling nicht vorbei.
Lorenz Hilty ist auch Autor von "Information Technology and Sustainability" (Books on Demand, 2008, das hier auszugsweise einsehbar ist).
Asja Bernd studiert Wissenschaftsjournalismus an der Hochschule Darmstadt.
Lorenz Hilty: Die Grundidee des Cloud Computing ist, dass man vorhandene Rechen- und Speicherkapazitäten flexibler nutzt. Computer sind heute zwar sehr leistungsfähig, werden aber nur selten ausgenutzt. Beim Cloud Computing hingegen werden viele Server an unterschiedlichen Orten miteinander verbunden, und die Nutzer teilen deren Leistungskraft unter sich auf. Wo die Leistung genau erbracht wird, ist für sie dabei egal. Das große Ganze nennt man dann Cloud oder Wolke. Das Konzept ist grundsätzlich dezentral. Theoretisch könnte man alle ungenutzten Rechen- und Speicherkapazitäten anderen zur Verfügung stellen. Außerdem unterscheidet man Public und Private Clouds, also öffentliche Wolken und solche innerhalb eines bestimmten Kreises, wie einer Firma.
Bernd: Sind schon besondere Trends zu beobachten?
Hilty: Im Moment geht der Trend eher in die Richtung, Server in Rechenzentren besser zu nutzen. Die meisten Firmen haben eigene Server, die alle auf Spitzenlasten ausgelegt sind. Doch die erreicht man nur wenige Sekunden am Tag. Andere Firmen könnten also auf die Server zugreifen, solange diese nicht ausgelastet sind.
Bernd: Und wieso kommt Cloud Computing erst jetzt auf, wenn es die Server doch schon seit Jahren gibt?
Hilty: Die Idee des Cloud Computing ist nicht neu, aber erst in den letzten Jahren möglich geworden. Wenn große Mengen an Daten transportiert werden sollen, braucht man entsprechende Verbindungen. Glasfaserkabel haben diese Tür geöffnet. Die Übertragung kostet heute fast nichts mehr und die Kapazitäten sind da. Der Trend muss dahin gehen, dass man diese nutzbar macht.
Bernd: Sie erforschen Informatik und Nachhaltigkeit. Kann Cloud Computing die IT Ihrer Meinung nach "grüner" machen?
Hilty: Wenn es sich mit Public Clouds auf breiter Basis durchsetzt, wäre damit ein erheblicher Schritt in Richtung einer nachhaltigen IT getan. In Public Clouds wird die IT-Infrastruktur besser genutzt, weil die Serverkapazitäten einen großen Pool bilden. Die Server einer einzelnen Firma werden hauptsächlich von morgens bis nachmittags genutzt, nur dann werden auch Spitzenlasten erreicht. Bei einer großen Menge von Nutzern verteilt sich die Last besser über die Zeit, weil nicht alle gleichzeitig am PC sitzen, vor allem wenn die Wolke auch Zeitzonen überspannt. Dadurch wird Hardware eingespart.
Bernd: Wie viel Strom und Hardware kann man denn einsparen?
Hilty: Vorsichtig geschätzt kann man annehmen, dass die Infrastruktur in einem Unternehmen durchschnittlich zu einem Drittel ausgelastet ist. In größeren Clouds ist eine Serverauslastung von zwei Dritteln sicher realistisch. Ich muss also nur halb so viel Hardware-Infrastruktur betreiben, um die gleiche Leistung zu erbringen. Der zweite Effekt ist die Verantwortung für die Infrastruktur. Der liegt in der Cloud nicht beim Anwender selbst, sondern beim Service Provider. Dieser hat sowohl ein Interesse, als auch die Möglichkeit, die technische Lebensdauer seiner Infrastruktur auszureizen. Die Hardware in einer Cloud könnte im Idealfall etwa doppelt so lange in Betrieb sein wie bisher. Durch beide Effekte zusammen könnte also der Ressourcenverbrauch für eine gegebene IT-Leistung auf ein Viertel reduziert werden. Es geht dabei nicht nur um den Stromverbrauch, man muss auch an Rohstoffe denken. In elektronischen Geräten sind heute über die Hälfte aller Elemente des Periodensystems verbaut. Meines Wissens gibt es keine andere Technik, die so viele Materialien nutzt. Einige davon, wie Indium, können bisher kaum recycelt werden. Mit Cloud Computing spare ich nicht nur Strom, ich spare auch Rohstoffe.
Bernd: Bei Servern ist die Auslastung anscheinend ziemlich schlecht. Bei PCs ist es ähnlich. Warum sind Rechner so konzipiert?
Hilty: Die meiste Zeit ist ein Computer mit busy waiting beschäftigt: Er schaut nach, ob eine Taste gedrückt wurde. Wenn nicht, macht er nichts – und prüft erneut. So geht das weiter, bis ein Befehl diese Endlosschleife unterbricht. Dabei verbraucht der Prozessor die ganze Zeit Strom. Das liegt daran, dass Großrechner früher viele Nutzer gleichzeitig beschäftigt haben: Der Prozessor lief und es arbeiteten so viele Benutzer daran, wie möglich. Entsprechend wurde die Hardware entwickelt und auch als der PC für zu Hause aufkam, blieb das Konzept gleich. Es änderte sich erst, als Laptops mit begrenzter Akkulaufzeit gefragt waren. Schließlich wurde Energie damit kostbar. Daraufhin haben die Entwickler die Hardware so verändert, dass sie die Taktfrequenz, also die Rate der Datenverarbeitung herunterfahren konnten. Schließlich muss der PC für das busy waiting nicht schnell sein. Dadurch und durch die Möglichkeit, Teile der Hardware ganz auszuschalten, kamen Modi wie Stand-by oder der Ruhezustand bei Laptops auf. Allerdings nutzt die Software diese Möglichkeiten häufig noch unvollkommen.
Bernd: Wie viele Firmen wenden Cloud Computing heute bereits an?
Hilty: Nach Umfragen von Marktforschungsinstituten planen über die Hälfte aller Unternehmen weltweit, Cloud Computing für bestimmte Anwendungsbereiche einzusetzen – oder tun dies bereits. Ich bin diesen Zahlen gegenüber aber skeptisch, da der Begriff Cloud Computing teilweise sehr weit gefasst wird. Man müsste die verschiedenen Formen des Cloud Computing differenzieren. Beispielsweise ist es ein großer Unterschied, ob die Cloud im Unternehmen bleibt oder ob man sich von einem öffentlichen Provider mit Speicherplatz und Rechenleistung versorgen lässt. Denn erst das bringt die wirklich großen Einsparungspotenziale.
Bernd: Wo begegnet man Cloud Computing heute schon?
Hilty: Ein Beispiel ist Google Docs, eine Webanwendung, um Texte, Tabellen und Präsentationen zu erstellen. Die Software läuft zwar im eigenen Webbrowser. Aber der Nutzer hat sie nicht installiert, sondern sie wird jedesmal übertragen, wenn er sie nutzen will. Fachleute nennen das "Software as a Service". Ein weit entwickeltes Beispiel sind die Amazon Web Services, die es in Deutschland leider noch nicht gibt. Dazu gehört etwa der Service "Elastic Compute Cloud", der dem Nutzer Rechenleistung in fast beliebigem Ausmaß zur Verfügung stellt. Wo und auf welchen Servern das Programm dann wirklich ausgeführt wird, ist offen und für den Nutzer völlig irrelevant. Entscheidend ist, dass man nur eine Dienstleistung kauft und sich um Infrastruktur und Plattformen niemals kümmern muss. Braucht der Nutzer mehr Leistung, bekommt er sie sofort. Denn dann arbeitet einfach ein größerer Teil der Wolke für ihn. Er muss sich nicht wie früher Gedanken machen, ob er vielleicht einen weiteren Server kaufen soll, wann er seine Hardware ersetzt und wie er das im laufenden Betrieb hinkriegen soll.
Bernd: Wollen Unternehmen überhaupt, dass ihre Daten auf fremden Servern landen?
Hilty: Das derzeit größte Problem ist tatsächlich die Datensicherheit. Entwickler von Sicherheitstechniken und Hacker befinden sich in einer Art Rüstungsspirale, die wahrscheinlich nie enden wird. Wie schützt man die Server also vor Angriffen? Und wo liegen meine Daten eigentlich? Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass mit Cloud Computing die bisher gesetzten Grenzen wegfallen. Steigert man die Effizienz, wird die Leistung billiger, das führt zu einer höheren Nachfrage nach ihr und es werden einfach noch mehr Videostreams und Bilder heruntergeladen. Das nennt man Rebound-Effekt: Theoretisch kann man Strom sparen, aber tatsächlich beziehen die Nutzer mehr Leistung als vorher. Das macht den Spareffekt wieder zunichte.
Bernd: Wann könnte Cloud Computing als Standard in der IT angekommen sein?
Hilty: Die eine Hürde ist das erwähnte Datensicherheitsproblem. Der zweite Aspekt ist die Frage, ob ich meinem Provider glaube, dass er mit meinen Daten keinen Unsinn anstellt. Vertraue ich also den Akteuren und ihren Sicherungsmaßnahmen? Da gibt es bislang eine möglicherweise berechtigte Furcht. Wenn diese Bedenken ausgeräumt werden könnten, hätte Cloud Computing ein riesiges Potenzial. Wahrscheinlich gibt es in zwei bis drei Jahren bestimmte Anwendungsgebiete, in denen die Cloud Standard ist. Das werden aber nur Bereiche sein, wo es wenig Sicherheitsbedenken gibt, also eher im Privaten als bei Unternehmen. Für große Unternehmen sind eigene Clouds wiederum attraktiv, weil diese erhebliche Einsparungen ohne Sicherheitsprobleme bringen.
Bernd: Was ist denn sicherer, die Cloud oder die private Festplatte?
Hilty: Das kann man nicht grundsätzlich sagen. Auf der einen Seite muss ich mich in der Cloud auf meinen Anbieter und dessen Sicherheitsmaßnahmen verlassen. Auf der anderen Seite sind die Daten auf meiner Festplatte normalerweise auch nicht sicher. Menschen neigen dazu zu glauben, dass Daten sicher sind, weil sie sie physisch bei sich haben. Aber ich kann meinen Laptop auch im Zug vergessen oder er wird mir gestohlen und da ist nichts verschlüsselt. Die Cloud kann auch sicherer sein.
Bernd: Das Problem des hohen Ressourcenverbrauchs wird Cloud Computing aber nicht alleine lösen können. Was muss denn noch geschehen?
Hilty: Man könnte Computer entwickeln, bei denen die verbrauchte elektrische Leistung der momentanen Auslastung entspricht. Das ist theoretisch annähernd möglich und müsste konsequenter umgesetzt werden. Damit käme man bereits einen großen Schritt weiter. Außerdem sollte man an den Verbrauch von Rohstoffen denken, also Computer so lange benutzen, bis sie nicht mehr funktionieren und sie dann vernünftig recyceln. Wenn wir den weiter steigenden Bedarf an elektronischen Produkten decken wollen, kommen wir an einem effizienten Recycling nicht vorbei.
Lorenz Hilty ist auch Autor von "Information Technology and Sustainability" (Books on Demand, 2008, das hier auszugsweise einsehbar ist).
Asja Bernd studiert Wissenschaftsjournalismus an der Hochschule Darmstadt.
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