Hinter den Schlagzeilen: Der Fluch der Gruppe
Der Mann sagt, er sei nicht selbst an der Tat beteiligt gewesen. Er habe nur davon gehört. "Ein Mädchen von hier", erzählt er. "Sie ging für eine Weile nach Kapstadt. Als sie zurückkam, war sie aufmüpfig, vor allem gegenüber Männern. Also brüteten die Jungs einen Plan aus. Sie füllten Bremsflüssigkeit in ihren Drink und elf Typen vergewaltigten sie. Das Mädchen war so betäubt, dass es von all dem nichts mitbekam!" Allerdings sagt der Mann nicht "raped" ("vergewaltigt"), sondern "streamlined", was man etwa mit "gefügig gemacht" übersetzen kann. So nennt man es dort, wo er herkommt, wenn sich mehrere Männer an einer Frau vergreifen.
Von diesem Fall berichtet Rachel Jewkes, Direktorin am South Africa Medical Research Council, die gemeinsam mit Kollegen rund 3500 Männer aus Kapstadt und den südafrikanischen Provinzen KwaZulu-Natal und Gauteng zu ihren Erfahrungen mit Gruppenvergewaltigungen befragte. Auch wenn die jüngsten Vorkommnisse in Indien, Ägypten und Brasilien diese äußerst brutale Form von Gewalt erst kürzlich in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückten, beschäftigen sich Wissenschaftler schon länger mit dem Phänomen.
Gemeinschaftliche sexuelle Übergriffe sind in Südafrika zwar besonders häufig – je nach Studie haben sich zwischen 7 und 20 Prozent der Männer schon einmal daran beteiligt, sei es direkt als Täter oder indirekt als Helfer. Doch sie kommen in fast allen Ländern und in den unterschiedlichsten Situationen vor: in Sportvereinen und bei Studentenverbindungen, in Kriegen, Gefängnissen und beim Militär, bei Straßengangs, auf Partys, im häuslichen Umfeld und auf offener Straße. In Deutschland wurden 2012 laut der Statistik des Bundeskriminalamtes rund 6,5 Prozent aller Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen von Gruppen begangen – insgesamt 519 Fälle. Auf der Täterseite finden sich vor allem jüngere Männer und Teenager, die aus allen sozialen Schichten kommen können, und vereinzelt auch Frauen. Die Opfer sind überwiegend weiblich und jung, arbeitslos oder wenig gebildet.
Doch was verleitet die Täter zu solchen Übergriffen? Laien nehmen oft an, bei einer Gruppenvergewaltigung ginge es vor allem um sexuelle Befriedigung. Sie ist jedoch nur ein Beweggrund von vielen, erklärt die Rechtspsychologin Miranda Horvath von der Middlesex University London. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Jessica Woodhams von der University of Birmingham fasste sie 2013 den aktuellen Stand der Forschung in einem Handbuch zusammen. "Bei Vergewaltigungen spielt die Kontrolle über einen anderen Menschen generell eine große Rolle", so Horvath. "Das gilt auch, wenn mehrere Täter beteiligt sind."
Dabei kann es etwa um die Bestrafung des Opfers gehen, wie Rachel Jewkes in der anfangs erwähnten Studie mit südafrikanischen Männern dokumentierte ...
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