Humboldt-Professur für Spektrum-Autor: "Urvater der extragroßen Dimensionen"
Georgi Dvali, der jüngst eine Humboldt-Forschungsprofessur und damit einen der höchstdotierten Wissenschaftspreise Deutschlands erhalten hat, arbeitet seit kurzem in München und will seine Theorien bald auch am LHC testen.
Doch die Berufung von Dvali nach München war kein leichtes Spiel. Denn für die Ludwig-Maximilians-Universität, zu der das von Lüst geleitete ASC gehört, und auch für die Max-Planck-Gesellschaft war es keine geringe Herausforderung, Dvali ein international konkurrenzfähiges Angebot zu machen. Andererseits aber wollten sie seinen Lehrstuhl möglichst attraktiv gestalten, schließlich möchte die LMU "zu einem weltweit führenden Standort für kosmologische Teilchenforschung werden, der den Vergleich mit Princeton, Harvard oder Stanford nicht zu scheuen braucht".
Weil Dvali "natürlich auch viele, viele andere lukrative Angebote" hatte, suchte der ASC-Chef also Wege, das Angebot der LMU noch einmal aufzustocken. Kurz nachdem der Ruf ergangen war, schlug er seinen Favoriten daher für eine Humboldt-Forschungsprofessur vor. Diese hochdotierte internationale Auszeichnung wurde jüngst erstmals vergeben und soll Spitzenforscher, die im Ausland arbeiten, für jeweils mindestens fünf Jahre nach Deutschland holen.
Der Forscher ließ sich trotzdem Zeit
Das Glück war mit den Tüchtigen: Schon in ihrer ersten Vergaberunde im vergangenen Oktober sprach die Alexander-von-Humboldt-Stiftung Dvali die mit 3,5 Millionen Euro ausgestattete Professur zu. Der Forscher ließ sich trotzdem noch etwas Zeit, aber vor etwa zwei Monaten fielen die Würfel endgültig: Dvali nahm die Rufe an die LMU und die Max-Planck-Gesellschaft an und ist nun – ebenso wie Lüst – zugleich Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Physik. Am 7. Mai fuhr er schließlich auch nach Berlin. Dort fand die offizielle Feier der Humboldt-Stiftung statt, bei der ihm Bundesforschungsministerin Annette Schavan und der Präsident der Stiftung, Helmut Schwarz, die Urkunde überreichten.
Das Konzept der Extradimensionen existierte natürlich schon vor Dvalis Zeit. Es hatte sich den Physikern gewissermaßen aufgedrängt, als sie im Rahmen der Stringtheorie versuchten, Quantenfeldtheorien und Gravitation – und damit alle vier Fundamentalkräfte im Universum – in einer umfassenden Theorie der Quantengravitation zusammenzufassen.
Effekte schon am LHC sichtbar?
Der Gedanke jedoch, dass man die Existenz der zusätzlichen Extradimensionen im Teilchenbeschleuniger LHC – zumindest wenn sie deutlich größer als die Planck-Länge sind – sogar würde testen können, ist Dvali und seinen Kollegen Nima Arkani-Hamed und Savas Dimopoulos zu verdanken (siehe ihren Spektrum-Artikel "Die unsichtbaren Dimensionen des Universums"). Möglicherweise liege nämlich die typische Energieskala, bei der die Effekte der Quantengravitation auftreten, nicht erst bei 1019, sondern bereits bei 103 Gigaelektronvolt und damit durchaus im Bereich der LHC-Energien.
Die letzten zehn Jahre hatte Dvali an der New York University verbracht, seit 2007 ist er auch (wieder) Mitarbeiter des CERN in Genf. Derzeit arbeite er aber auch an Theorien, so berichtet Lüst, "denen zufolge zahlreiche Kopien des Standardmodells der Teilchenphysik existieren".
Geradezu bodenständige Interessen
Längst haben die Forscher das bekannte Spektrum der Elementarteilchen zwar in einem konsistenten Modell zusammengefasst. Dieses jedoch könnte sich in der Natur gewissermaßen wiederholen. Die neuen Teilchen wären viel massereicher (und damit schwerer nachzuweisen) als die uns bekannten, würden aber ähnliche Eigenschaften und Wechselwirkungen aufweisen. Und wenn Dvali richtig liegt, "lassen sich einige dieser Überlegungen sogar ebenfalls am LHC testen".
Geradezu bodenständig angesichts all seiner Ideen mutet indessen an, dass Dvali sogar Interesse für den genauen Abstand des Mondes von der Erde aufbringt. Doch selbst dieser Wissensdrang ist fundamentaler Natur. Einer seiner Hypothesen zufolge rückt uns der Mond nämlich immer näher, weil die Trägerteilchen der Gravitation in zusätzlichen Dimensionen "versickern" und damit aus unserer dreidimensionalen Welt verschwinden können. "Bei jedem Umlauf", so schrieb er in "Die geheimen Wege der Gravitation" (zu finden im Spektrum-Dossier 1/2009, "Parallelwelten", "würde sich die größte Annäherung des Monds an die Erde um ungefähr ein billionstel Grad – oder um einen halben Millimeter – verschieben. Diese Verschiebung könnte sich bei Messungen der Mondentfernung bemerkbar machen."
Über seine Schulzeit in Georgien berichtete Dvali vor einiger Zeit, "damals war ich elf oder zwölf Jahre alt und grübelte darüber nach, wie das Universum entstanden sein mochte." Wie schön, dass er mit dem Grübeln noch immer nicht aufgehört hat.
Thilo Körkel
Dieter Lüst (dessen jüngster Spektrum-Essay "Ist die Stringtheorie noch eine Wissenschaft?" von unseren Lesern gerade eingehend diskutiert wird) hoffte schon seit langem, Georgi Dvali an das Münchner Arnold-Sommerfeld-Zentrum für theoretische Physik (ASC) holen zu können. Dvali sei, so der Münchner Stringtheoretiker, "einer der Urväter der Idee, dass das Universum extragroße Dimensionen besitzt" – zusätzliche unsichtbare Raumdimensionen also, die aber groß genug sind, dass Experimente ihren Einfluss auf unsere dreidimensionale Welt nachweisen könnten. Und natürlich gelte der Georgier weltweit als Topexperte, wenn es um die Verbindung von Kosmologie, Astrophysik und Teilchenforschung geht.
Doch die Berufung von Dvali nach München war kein leichtes Spiel. Denn für die Ludwig-Maximilians-Universität, zu der das von Lüst geleitete ASC gehört, und auch für die Max-Planck-Gesellschaft war es keine geringe Herausforderung, Dvali ein international konkurrenzfähiges Angebot zu machen. Andererseits aber wollten sie seinen Lehrstuhl möglichst attraktiv gestalten, schließlich möchte die LMU "zu einem weltweit führenden Standort für kosmologische Teilchenforschung werden, der den Vergleich mit Princeton, Harvard oder Stanford nicht zu scheuen braucht".
Weil Dvali "natürlich auch viele, viele andere lukrative Angebote" hatte, suchte der ASC-Chef also Wege, das Angebot der LMU noch einmal aufzustocken. Kurz nachdem der Ruf ergangen war, schlug er seinen Favoriten daher für eine Humboldt-Forschungsprofessur vor. Diese hochdotierte internationale Auszeichnung wurde jüngst erstmals vergeben und soll Spitzenforscher, die im Ausland arbeiten, für jeweils mindestens fünf Jahre nach Deutschland holen.
Der Forscher ließ sich trotzdem Zeit
Das Glück war mit den Tüchtigen: Schon in ihrer ersten Vergaberunde im vergangenen Oktober sprach die Alexander-von-Humboldt-Stiftung Dvali die mit 3,5 Millionen Euro ausgestattete Professur zu. Der Forscher ließ sich trotzdem noch etwas Zeit, aber vor etwa zwei Monaten fielen die Würfel endgültig: Dvali nahm die Rufe an die LMU und die Max-Planck-Gesellschaft an und ist nun – ebenso wie Lüst – zugleich Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Physik. Am 7. Mai fuhr er schließlich auch nach Berlin. Dort fand die offizielle Feier der Humboldt-Stiftung statt, bei der ihm Bundesforschungsministerin Annette Schavan und der Präsident der Stiftung, Helmut Schwarz, die Urkunde überreichten.
Das Konzept der Extradimensionen existierte natürlich schon vor Dvalis Zeit. Es hatte sich den Physikern gewissermaßen aufgedrängt, als sie im Rahmen der Stringtheorie versuchten, Quantenfeldtheorien und Gravitation – und damit alle vier Fundamentalkräfte im Universum – in einer umfassenden Theorie der Quantengravitation zusammenzufassen.
Effekte schon am LHC sichtbar?
Der Gedanke jedoch, dass man die Existenz der zusätzlichen Extradimensionen im Teilchenbeschleuniger LHC – zumindest wenn sie deutlich größer als die Planck-Länge sind – sogar würde testen können, ist Dvali und seinen Kollegen Nima Arkani-Hamed und Savas Dimopoulos zu verdanken (siehe ihren Spektrum-Artikel "Die unsichtbaren Dimensionen des Universums"). Möglicherweise liege nämlich die typische Energieskala, bei der die Effekte der Quantengravitation auftreten, nicht erst bei 1019, sondern bereits bei 103 Gigaelektronvolt und damit durchaus im Bereich der LHC-Energien.
Die letzten zehn Jahre hatte Dvali an der New York University verbracht, seit 2007 ist er auch (wieder) Mitarbeiter des CERN in Genf. Derzeit arbeite er aber auch an Theorien, so berichtet Lüst, "denen zufolge zahlreiche Kopien des Standardmodells der Teilchenphysik existieren".
Geradezu bodenständige Interessen
Längst haben die Forscher das bekannte Spektrum der Elementarteilchen zwar in einem konsistenten Modell zusammengefasst. Dieses jedoch könnte sich in der Natur gewissermaßen wiederholen. Die neuen Teilchen wären viel massereicher (und damit schwerer nachzuweisen) als die uns bekannten, würden aber ähnliche Eigenschaften und Wechselwirkungen aufweisen. Und wenn Dvali richtig liegt, "lassen sich einige dieser Überlegungen sogar ebenfalls am LHC testen".
Geradezu bodenständig angesichts all seiner Ideen mutet indessen an, dass Dvali sogar Interesse für den genauen Abstand des Mondes von der Erde aufbringt. Doch selbst dieser Wissensdrang ist fundamentaler Natur. Einer seiner Hypothesen zufolge rückt uns der Mond nämlich immer näher, weil die Trägerteilchen der Gravitation in zusätzlichen Dimensionen "versickern" und damit aus unserer dreidimensionalen Welt verschwinden können. "Bei jedem Umlauf", so schrieb er in "Die geheimen Wege der Gravitation" (zu finden im Spektrum-Dossier 1/2009, "Parallelwelten", "würde sich die größte Annäherung des Monds an die Erde um ungefähr ein billionstel Grad – oder um einen halben Millimeter – verschieben. Diese Verschiebung könnte sich bei Messungen der Mondentfernung bemerkbar machen."
Über seine Schulzeit in Georgien berichtete Dvali vor einiger Zeit, "damals war ich elf oder zwölf Jahre alt und grübelte darüber nach, wie das Universum entstanden sein mochte." Wie schön, dass er mit dem Grübeln noch immer nicht aufgehört hat.
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