Kolumne: Folgenschwere Einzigartigkeit
Worin besteht die Einzigartigkeit des Menschen? Wie entstand sie und wie trug sie zu dem bei, was wir heute modernes menschliches Verhalten nennen? Und welche Bedeutung hat sie für unser Verständnis von Vergangenheit und Zukunft? In diesem Februar organisierte das von mir geleitete Origins Project an der Arizona State University (ASU) in Tempe eine Tagung mit Paläontologen, Anthropologen, Primatenforschern, Evolutionsbiologen, Genetikern, Archäologen und Psychologen, um – unter anderem – diese Fragen zu diskutieren.
Im Wissenschaftsjournal Nature Reviews Genetics erschien kürzlich ein Artikel von Kevin N. Laland von der schottischen University of St. Andrews und seinen Kollegen. (Die Anregung dazu hatten Robert Boyd von der University of California in Los Angeles und Peter J. Richerson von der University of California in Davis geliefert.) Die Autoren stellen darin eine Theorie vor, der zufolge die menschliche Kultur – hier definiert als jedes erlernte Verhalten inklusive aller Technologie – für moderne Menschen den wichtigsten Selektionsvorteil bietet.
Einblicke in die Natur des Menschen
Das bringt mich zur Gegenwart. Jedes Mal, wenn ich in meinen Artikeln den Begriff "Klimawandel" einerseits mit der Macht der Gier und andererseits mit dem Kampf um unsere Existenz verband, lösten sie vehemente und sehr verärgerte Reaktionen aus. Unter anderem solche Einblicke in die Natur des Menschen haben mich davon überzeugt, dass keine Aussichten bestehen, unsere Regierungen könnten den Ausstoß von industriellen Treibhausgasen so rechtzeitig und so deutlich reduzieren, dass wir ernsthafte Veränderungen des Klimas und unseres Lebensraums noch abfangen können.
Vielleicht sollten wir also mehr darüber nachdenken, wie wir auf die möglicherweise anstehenden Umweltveränderungen reagieren können. Und am besten auch alle Eventualitäten in unsere Überlegungen einschließen.
Die eine oder andere Folge des Klimawandels könnte sich als positiv erweisen. Einige Gegenden auf unserem Planeten, die heute nicht für die Landwirtschaft geeignet sind, werden es sicherlich eines Tages sein. Doch die möglichen negativen Auswirkungen dürften deutlich überwiegen. Im schlimmsten Fall würden wohl viele hundert Millionen oder Milliarden von Menschen in den ärmsten Küstenregionen der Welt ihre Heimat verlieren. Begleitet würden diese Prozesse von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbrüchen, von möglichen Hungersnöten durch regionale Ernteausfälle und wachsenden internationalen Spannungen, von Terrorismus und politischer Instabilität. Zu den hässlichen Seiten wird auch gehören, dass Wetterphänomene immer extremere Ausmaße annehmen, dass unzählige Tier- und Pflanzenarten aussterben und dass Raubtiere und Seuchen in neue Breiten vorrücken.
Das ultimative Beispiel
Ich glaube nicht, dass diese Szenarien das Ende der Zivilisation bedeuten würden. Ich sehe nur eine veränderte Welt voraus (und es würde mich sehr überraschen, wenn diese eine bessere Welt wäre), an die wir uns anpassen müssen. Sie wird das ultimative Beispiel für die Koevolution von Kultur und Genen liefern: Unsere Technologie wird die Welt und damit die Art und Weise, wie natürliche Selektion stattfindet, auf dramatische Weise beeinflussen – mit Folgen für verschiedenste Arten, aber auch für uns Menschen.
Und diese Welt wird auch einen Aspekt der Einzigartigkeit des Menschen widerspiegeln: Unser evolutionärer Erfolg könnte, gemessen an seinem Einfluss auf die Beschaffenheit der Erde, mit dem von Mikroben konkurrieren.
Während der Diskussionen auf unserer "Origins"-Tagung beschrieb Curtis W. Marean von der ASU die Evolution der Hominiden, die 100 000 Jahre lang nahe der Südspitze Afrikas lebten. In dieser Zeit lösten extreme Schwankungen des Meeresspiegels Völkerwanderungen, Veränderungen im Jagdverhalten und in der Ernährung sowie die Entwicklung neuer Techniken aus. Diese Individuen, die unser aller Vorfahren sein könnten, überlebten jedoch. Und ich vermute, auch wir werden überleben. Neu ist hingegen, dass der umweltbedingte Selektionsdruck, dem die Menschen der Zukunft unterliegen, seinen Ausgangspunkt in unserer heutigen Kultur und Technologie haben wird. Und dass wir hätten gegensteuern können, wenn wir nur vernünftig genug gewesen wären.
Der US-amerikanische Kosmologe Lawrence M. Krauss ist Direktor der "Origins Initiative" an der Arizona State University, die sich fächerübergreifend mit grundlegenden Fragen, beispielsweise nach dem Ursprung des Universums oder der Menschlichkeit, befasst. Für den Scientific American schreibt er regelmäßig die Kolumne "Critical Mass", der dieser Beitrag entnommen ist.
Schon im Vorfeld hatte mancher, nachdem er vom Thema der Veranstaltung erfahren hatte, von mir wissen wollen Was ist denn nun eigentlich das Besondere am Menschen? Natürlich sind auch alle Tiere auf ihre Weise besonders. Wir Menschen besitzen zwar einzigartige Merkmale – doch Bienen und Giraffen ebenso. Um mit den Worten meines ASU-Kollegen Kim Hill zu antworten: "Schon vor der Erfindung der Landwirtschaft könnten um die 70 Millionen Menschen in Gemeinschaften zusammengelebt haben ... Homo sapiens verbreitete sich weiter auf dem Planeten als irgendein anderes großes Wirbeltier. Kein anderes Lebewesen auf der Welt lebt in geschlossenen sozialen Gefügen, die eine derartige Komplexität und Biomasse erreichen."
Im Wissenschaftsjournal Nature Reviews Genetics erschien kürzlich ein Artikel von Kevin N. Laland von der schottischen University of St. Andrews und seinen Kollegen. (Die Anregung dazu hatten Robert Boyd von der University of California in Los Angeles und Peter J. Richerson von der University of California in Davis geliefert.) Die Autoren stellen darin eine Theorie vor, der zufolge die menschliche Kultur – hier definiert als jedes erlernte Verhalten inklusive aller Technologie – für moderne Menschen den wichtigsten Selektionsvorteil bietet.
Einblicke in die Natur des Menschen
Das bringt mich zur Gegenwart. Jedes Mal, wenn ich in meinen Artikeln den Begriff "Klimawandel" einerseits mit der Macht der Gier und andererseits mit dem Kampf um unsere Existenz verband, lösten sie vehemente und sehr verärgerte Reaktionen aus. Unter anderem solche Einblicke in die Natur des Menschen haben mich davon überzeugt, dass keine Aussichten bestehen, unsere Regierungen könnten den Ausstoß von industriellen Treibhausgasen so rechtzeitig und so deutlich reduzieren, dass wir ernsthafte Veränderungen des Klimas und unseres Lebensraums noch abfangen können.
Vielleicht sollten wir also mehr darüber nachdenken, wie wir auf die möglicherweise anstehenden Umweltveränderungen reagieren können. Und am besten auch alle Eventualitäten in unsere Überlegungen einschließen.
Die eine oder andere Folge des Klimawandels könnte sich als positiv erweisen. Einige Gegenden auf unserem Planeten, die heute nicht für die Landwirtschaft geeignet sind, werden es sicherlich eines Tages sein. Doch die möglichen negativen Auswirkungen dürften deutlich überwiegen. Im schlimmsten Fall würden wohl viele hundert Millionen oder Milliarden von Menschen in den ärmsten Küstenregionen der Welt ihre Heimat verlieren. Begleitet würden diese Prozesse von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbrüchen, von möglichen Hungersnöten durch regionale Ernteausfälle und wachsenden internationalen Spannungen, von Terrorismus und politischer Instabilität. Zu den hässlichen Seiten wird auch gehören, dass Wetterphänomene immer extremere Ausmaße annehmen, dass unzählige Tier- und Pflanzenarten aussterben und dass Raubtiere und Seuchen in neue Breiten vorrücken.
Das ultimative Beispiel
Ich glaube nicht, dass diese Szenarien das Ende der Zivilisation bedeuten würden. Ich sehe nur eine veränderte Welt voraus (und es würde mich sehr überraschen, wenn diese eine bessere Welt wäre), an die wir uns anpassen müssen. Sie wird das ultimative Beispiel für die Koevolution von Kultur und Genen liefern: Unsere Technologie wird die Welt und damit die Art und Weise, wie natürliche Selektion stattfindet, auf dramatische Weise beeinflussen – mit Folgen für verschiedenste Arten, aber auch für uns Menschen.
Und diese Welt wird auch einen Aspekt der Einzigartigkeit des Menschen widerspiegeln: Unser evolutionärer Erfolg könnte, gemessen an seinem Einfluss auf die Beschaffenheit der Erde, mit dem von Mikroben konkurrieren.
Während der Diskussionen auf unserer "Origins"-Tagung beschrieb Curtis W. Marean von der ASU die Evolution der Hominiden, die 100 000 Jahre lang nahe der Südspitze Afrikas lebten. In dieser Zeit lösten extreme Schwankungen des Meeresspiegels Völkerwanderungen, Veränderungen im Jagdverhalten und in der Ernährung sowie die Entwicklung neuer Techniken aus. Diese Individuen, die unser aller Vorfahren sein könnten, überlebten jedoch. Und ich vermute, auch wir werden überleben. Neu ist hingegen, dass der umweltbedingte Selektionsdruck, dem die Menschen der Zukunft unterliegen, seinen Ausgangspunkt in unserer heutigen Kultur und Technologie haben wird. Und dass wir hätten gegensteuern können, wenn wir nur vernünftig genug gewesen wären.
Der US-amerikanische Kosmologe Lawrence M. Krauss ist Direktor der "Origins Initiative" an der Arizona State University, die sich fächerübergreifend mit grundlegenden Fragen, beispielsweise nach dem Ursprung des Universums oder der Menschlichkeit, befasst. Für den Scientific American schreibt er regelmäßig die Kolumne "Critical Mass", der dieser Beitrag entnommen ist.
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