Kommentar: "Zwergplaneten", der Rand des Sonnensystems und die Medien
Ende März 2014 machte der im Jahr 2012 entdeckte Himmelskörper 2012 VP113 große Schlagzeilen, die von Übertreibungen und Verständnisproblemen nur so wimmelten. Offenbar gingen die meisten Veröffentlichungen im Kern auf eine Presseinformation der Carnegie Institution of Science in Washington DC zurück, die manche Sachverhalte schlicht falsch darstellte. Leider wurden diese Fehler unbekümmert in die weitere Berichterstattung anderer Medien übernommen.
Fehler Nr. 1: 2012 VP113 ist kein Zwergplanet!
Mein Ärger begann schon bei der Verwendung des Begriffs "Zwergplanet", der für das Objekt 2012 VP113 schlicht falsch ist. Hier hätte stehen müssen: Kleinplanet, Asteroid oder Planetoid – synonyme Begriffe für solche Kleinkörper des Sonnensystems. "Zwergplanet" hingegen ist eine im Jahr 2006 von der Internationalen Astronomischen Union IAU geschaffene Bezeichnung für eine besondere Klasse von Himmelskörpern in unserem Sonnensystem: Himmelskörper auf einer Umlaufbahn um die Sonne, deren Masse so groß ist, dass ihre Eigenschwerkraft die Festigkeit des sie aufbauenden Materials überwindet. Direkte Konsequenz: Der Himmelskörper hat eine weitgehend runde Form.
Es gibt noch weitere Bedingungen, die einen Himmelskörper zum Zwergplaneten machen, aber die Quintessenz ist, dass es derzeit nur fünf offiziell anerkannte Zwergplaneten gibt, nämlich Ceres, Pluto, Eris, Haumea und Makemake. Ihre Durchmesser betragen mindestens rund 1000 Kilometer, dagegen ist der Kleinplanet 2012 VP113 nur rund 450 Kilometer groß und spielt damit in einer anderen Liga.
Fehler Nr. 2: Hinweis auf einen weiteren Planeten?
Der Carnegie-Presseinformation lässt sich entnehmen, dass die Entdeckung von 2012 VP113 ein Hinweis darauf sei, es gäbe weit jenseits der Bahn des derzeit äußersten Planeten Neptun einen weiteren Planeten. Dieser könne durchaus rund zehn Erdmassen enthalten. Zum einen ist diese Erklärung für die zugegebenermaßen ungewöhnliche Umlaufbahn von 2012 VP113 nur eine von mindestens drei sinnvollen Theorien, zum anderen sorgt sie in der Fachwelt durchaus für Stirnrunzeln:
Erst kürzlich hatte Kevin Luhman, Astronom an der Pennsylvania State University bei einer detaillierten Auswertung der Bilddaten des Infrarotsatelliten WISE festgestellt, dass es weder einen Planeten von der Größe und Masse des Saturn bis in eine Entfernung von 10 000 Astronomischen Einheiten (AE, der Abstand von der Erde zur Sonne) gäbe, noch eine mit Jupiter vergleichbare Welt bis in eine Distanz vom 28 000 AE. Bei dieser Durchmusterung wäre ein wesentlich näher stehender Himmelskörper mit bis zu zehn Erdmassen mit größter Wahrscheinlichkeit aufgefallen.
Zudem entspricht eine derartige Masse immerhin zwei Dritteln der jeweiligen Massen der beiden äußeren Planeten Uranus und Neptun. Ein so massereicher Planet sollte sich jedoch durch seine Schwerkraft als Störungen in den Bahnbewegungen von Uranus und Neptun nachweisen lassen. Aber das ist nicht der Fall. Nach einem solchen Objekt suchen die Astronomen nämlich schon seit Jahrzehnten ohne Erfolg.
Fehler Nr. 3: 2012 VP113 definiert nicht den Rand des Sonnensystems neu!
Maßlos übertrieben ist die Behauptung in der Presseinformation der Carnegie Institution bei der Aussage: "Der neu gefundene 2012 VP113 hat eine Umlaufbahn, die sogar jenseits derjenigen von Sedna bleibt, die ihn zum am weitesten entfernten bekannten Objekt im Sonnensystem macht." Zwar ist 2012 VP113 derzeit tatsächlich etwas weiter von der Sonne entfernt als Sedna (80 AE gegenüber 76 AE), dies ist aber nur ein vorübergehender Zustand. Die weitaus größere Ellipsenbahn von Sedna wird den Kleinplaneten in deutlich größere Distanzen zur Sonne bringen. Ein Vergleich der Bahndaten und einer Grafik der Umlaufbahnen zeigt schnell, dass der entfernteste bekannte Kleinplanet im Sonnensystem nach wie vor die seit dem Jahr 2003 bekannte Sedna ist. Er benötigt für einen Umlauf um die Sonne rund 11 400 Jahre. Sedna entfernt sich dabei bis zum tausendfachen der Distanz Erde – Sonne von unserem Tagesgestirn.
Mit Sedna, 2012 VP113 und möglichen weiteren Objekten dieser Art ist der Rand des Sonnensystems noch lange nicht erreicht, denn schließlich gibt es auch noch die Kometen. Sie kommen aus der Oortschen Wolke, die sich zwischen 10 000 und 100 000 AE erstreckt.
Schreiben Sie uns!
2 Beiträge anzeigen