Kosmologie: Ein fast perfektes Universum
Die bisher genaueste Himmelskarte der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung bestätigt das Standardmodell der Kosmologie eindrucksvoll und legt dessen Parameter nun sehr genau fest. Gleichzeitig finden die Wissenschaftler der Planck-Kollaboration aber auch signifikante Anomalien. Diese deuten möglicherweise darauf hin, dass einige Aspekte des Standardmodells noch nicht verstanden sind.
Die Daten für die nun veröffentlichte Himmelskarte wurden während der ersten fünfzehneinhalb Monate der Planck-Mission gewonnen. Das Weltraumteleskop der europäischen Raumfahrtagentur ESA zeigt das älteste Licht im Universum. Dieses ging auf die Reise, als das All erst 380 000 Jahre alt war und nach dem Urknall zum ersten Mal durchsichtig wurde.
Damals kühlte die heiße Ursuppe aus Protonen, Elektronen und Photonen langsam ab. Neutrale Wasserstoffatome bildeten sich. Das Licht hatte freie Bahn und erlaubt heute, ein Bild des frühen Universums zu machen. Als sich der Kosmos weiter ausdehnte und abkühlte, wurde diese Strahlung zu längeren Wellenlängen hin verschoben, weshalb sie heute als kosmischen Mikrowellenhintergrund (CMB) bei einer Temperatur von minus 270 Grad Celsius empfangen werden kann.
Winzige Temperaturschwankungen in dieser CMB-Karte spiegeln kleinste Dichtefluktuationen im frühen Universum wider. "Die Planck-Karte des CMB liefert uns ein extrem detailliertes Bild des ganz frühen Universums", sagt Simon White, Co-Investigator in der Planck-Kollaboration und Direktor am Garchinger Max-Planck-Institut für Astrophysik.
White untersucht, wie sich kosmische Strukturen entwickeln und war maßgeblich daran beteiligt, das Standardmodell der Kosmologie in den 1980er Jahren zu etablieren. "Alle Strukturen, die wir heute sehen, entstanden aus winzigen Dichtefluktuationen kurz nach dem Urknall", so Simon White. Der Planck-Satellit wurde gebaut, um diese Fluktuationen über den gesamten Himmel mit bisher unerreichter Auflösung und Empfindlichkeit zu vermessen – mit dem Ziel, Zusammensetzung und Entwicklung des Universums vom Beginn bis heute zu bestimmen.
"Die Daten von Planck passen extrem gut zum Standardmodell der Kosmologie", bestätigt Torsten Enßlin, der die am Max-Planck-Institut für Astrophysik angesiedelte deutsche Beteiligung an der Mission leitet. "Die kosmologischen Parameter konnten mit Planck jetzt so genau bestimmt werden wie nie zuvor. Und unsere Analyse bestand mit Bravour alle Tests gegenüber diversen anderen astronomischen Beobachtungen."
So zeigen die Planckdaten, dass die normale Materie, aus der Galaxien, Sterne und auch unsere Erde bestehen, nur mit rund 4,9 Prozent zur Massen- und Energiedichte des Universums beiträgt. Dazu kommen etwa 26,8 Prozent Dunkle Materie, die sich lediglich über ihre Schwerkraftwirkung bemerkbar macht; deutlich mehr, als bisher für diesen mysteriösen Stoff angenommen. Andererseits ist der Anteil der Dunklen Energie – der rätselhaften Komponente, die dafür sorgt, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt – mit 68,3 Prozent geringer als gedacht.
Auch die Geschwindigkeit, mit der unser Universum heute expandiert, die sogenannte Hubble-Konstante, hat Planck neu bestimmt: mit 67,15 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec ist ihr Wert signifikant kleiner als der derzeitige Standardwert (etwa 72 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec). Daraus ergibt sich dann auch ein etwas höheres Weltraumalter von 13,82 Milliarden Jahren (bisher: 13,7 Milliarden Jahre).
Allerdings tauchen auf Grund der extrem hohen Qualität der Planck-Daten auch einige Ungereimtheiten auf, die sich nur schwer mit dem Standardmodell in Einklang bringen lassen. So sind die CMB-Fluktuationen auf großen Skalen geringer, als man das von den auf kleineren Skalen gemessenen Strukturen erwarten würde. Außerdem scheint eine Himmelsphäre etwas stärkere Strukturen aufzuweisen als die andere. Dazu passt vielleicht ein weiteres auffälliges Element: ein kalter Fleck, der sich über eine viel größere Region erstreckt, als man annehmen dürfte.
Diese Daten könnten somit eine Erweiterung des Standardmodells oder sogar eine neue Theorie nötig machen. "Auch wenn wir diese Anomalien heute noch nicht verstehen, so können wir doch ausschließen, dass es sich um einen Vordergrundeffekt handelt", sagt Torsten Enßlin. "Insbesondere der cold spot ist schon länger bekannt; hierbei könnte es sich aber auch um eine statistische Fluktuation handeln."
Die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik sind bereits seit Beginn der Mission an der Software-Entwicklung für die Datenreduktion beteiligt, um die Vordergrundstrahlung von Objekten wie Galaxienhaufen, Quasaren und auch unserer eigenen Milchstraße zu entfernen. Inzwischen konzentriert sich die Arbeit aber darauf, die Informationen aus der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung zu analysieren und dadurch das Universum besser zu verstehen.
Ein Aspekt, der dabei unter anderem untersucht wurde, ist die Entdeckung und Vermessung von Galaxienhaufen durch den Sunjajew-Seldowitsch-Effekt. Dieser SZ-Effekt ist eine charakteristische Signatur von Galaxienhaufen im kosmischen Mikrowellenhintergrund. Sie entsteht, wenn dessen Licht auf seinem Weg zu uns einen Galaxienhaufen passiert. Durch die verschiedenen Frequenzbänder von Planck lässt sich der SZ-Effekt sehr gut darstellen.
Rashid Sunjajew, heute Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik und Co-Investigator in der Planck-Kollaboration, sagte gemeinsam mit Jakow Seldowitsch nicht nur den Effekt der Galaxienhaufen auf den CMB vorher, sondern auch die akustischen Fluktuationen im CMB selbst, die Planck jetzt so detailliert vermessen hat.
Die Planck-Ergebnisse sind für Sunjajew sehr aufregend: "Als wir vor mehr als 40 Jahren unsere Modelle für den CMB entwickelt haben, war das für uns eher ein rein theoretisches Gedankenexperiment. Wir hätten uns nie träumen lassen, dass die Messungen tatsächlich irgendwann so genau werden, dass sie nun sogar zur Entdeckung von Hunderten bisher unbekannter Galaxienhaufen eingesetzt werden können. Ein großartiger Erfolg für Planck."
Die Planck-Wissenschaftler nutzen diese Galaxienhaufen sogar dazu, um die wichtigsten Parameter des Universums zu bestimmen – ein Methode, die so zum ersten Mal auf Daten des CMB angewendet wurde. Das Verfahren ist vollkommen unabhängig von der Bestimmung der kosmologischen Parameter anhand der Form und der Höhe der akustischen Fluktuationen.
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