Land Grabbing: Hungern für den Export?
Land wird zunehmend zum lukrativen Spekulationsobjekt für internationale Investoren - auch in Staaten, die Hungersnöte kennen. Die lokale Bevölkerung hat meistens nur wenig von den Projekten.
Das Horn von Afrika leidet unter einer der schwersten Dürren und Hungerkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte: Zehntausende sind bereits verhungert, Hunderttausende befinden sich auf der Flucht in Lager, die von der internationalen Gemeinschaft versorgt werden. Betroffen ist davon auch die kenianische Coast Province – durch die der längste Fluss des Landes fließt, um in den Indischen Ozean zu münden: der Tana River.
Rund 100 000 Menschen hängen direkt vom Fluss ab, weil sie hier Ackerbau betreiben oder regelmäßig als Nomaden während der Trockenzeit ihr Vieh weiden lassen und tränken. Biologen schwärmen von dem Gebiet als Afrikas zweitem Okavango-Delta – dem berühmten Tierparadies in Botswana im Süden des Kontinents: "Das Tana-Delta ist Heimat hunderter Vogelarten, zweier nur hier lebender Affenspezies und von Nilpferden, deren Zahl in ganz Afrika rapide abnimmt. Elefanten, Löwen und andere Großtiere streifen umher", schwärmt Byron von dem Potenzial der Region für Naturtourismus.
Plantagen statt Safari?
Doch ausgerechnet auf diesem Stück Erde möchte die kenianische Regierung mit Hilfe ausländischer Investoren ein groß angelegtes Landwirtschaftsprojekt durchziehen. Das Ziel: der großflächige Anbau von bewässertem Mais, Zuckerrohr und Jatropha für den einheimischen Markt, aber auch in großem Stil für den Export. Der internationale Agrarkraftstoffhersteller Bedford Biofuels zum Beispiel will auf mehr als 60 000 Hektar Jatropha pflanzen, deren ölhaltige Samen zunehmend für Agrarsprit genutzt werden sollen. "Wir hängen stark von Erdöl ab. Unsummen wurden aufgewendet, um erfolglos nach Öl zu bohren. Wenn wir dieses Geld in die Produktion von Biodiesel investiert hätten, wären Treibstoffengpässe seltener", äußert Bernard Muok vom African Centre for Technology Studies in Nairobi, der hofft, dass die Ölsaat Energie für sein Land liefern wird.
Konflikte mit der ortsansässigen Bevölkerung scheinen deshalb vorprogrammiert, zumal die Landnutzungsrechte vor Ort teilweise völlig ungeklärt sind: Dörfer, die seit Jahrhunderten das Land traditionell nutzen, besitzen mitunter keine entsprechenden Besitzurkunden. "Das meiste Land wurde weder jemandem zugewiesen noch wurden Landtitel bewilligt. Und es kommt bisweilen zu Verstößen gegen bestehende Rechte: So sollte bereits Land versteigert werden, auf dem sich verschiedene Gemeinden befinden ,– das hat die Menschen schockiert", sagt Byron.
Vertreibung vom eigenen Land
Andernorts im Delta wurden bereits Nägel mit Köpfen gemacht, wie im Fall eines Projekts von TARDA, der Tana and Athi Rivers Development Authority. Die Behörde erschließt gegenwärtig groß angelegte Felder für Reis, Mais und Zuckerrohr auf Land, das sich bisher 30 Dörfer mit 25 000 Einwohnern teilten. "Im September 2010 mussten die ersten 2000 Menschen vom Volk der Wardai umsiedeln", erzählt Paul Matiku von Nature Kenya, einer Organisation, die zusammen mit der lokalen Bevölkerung versucht, den Tana River zu erhalten. "TARDA riss unser Land an sich und warf uns raus. Sie haben das Land illegal erworben, und wir müssen jetzt abseits leben. Fast alle Kinder gehen nicht mehr zur Schule, weil sie zu weit weg ist. Früher hatten wir Brunnen, nun müssen wir unser Wasser aus dem Abfluss der TARDA-Farmen holen", beklagen sich die beiden Dorfbewohner Ibrahim Dolla und Bule Gedi in einem Brief an den kenianischen Premierminister Raila Odinga.
Angesichts stark steigender Landpreise in den klassischen Exportländern für Agrarprodukte wie Australien, Brasilien oder Argentinien, dem schnell wachsenden Bedarf an Lebensmitteln und dem zunehmenden Wohlstand in Staaten wie China suchen Käufer preisgünstige Alternativen. Laut Zahlen der Weltbank verzehnfachte sich der Landkauf in Entwicklungsländern: Während zwischen 1998 und 2008 jährlich vier Millionen Hektar Land an Agrarfirmen verpachtet wurden, wechselten 2009 rund 45 Millionen Hektar den Besitzer – fast drei Viertel davon in Afrika.
Billiges Land gegen Investionsversprechen
Fündig wurden Investoren beispielsweise in Äthiopien, das ebenfalls von der gegenwärtigen Dürre betroffen ist und wo Millionen Menschen auf Hilfsgüter angewiesen sind. Trotzdem vergab die Regierung bereits eine halbe Million Quadratkilometer Land an ausländische Investoren, die darauf nun Schnittblumen, Jatropha, Zuckerrohr und Getreide für den Export produzieren. Teilweise laufen die Pachtverträge über 100 Jahre und kosten nur wenige Dollar pro Hektar. Die veräußernden Staaten hoffen auf Investitionen in die Infrastruktur oder Landwirtschaft: Katar zum Beispiel hat Kenia im Rahmen des Tana-Vorhabens Hilfe beim Bau eines neuen Tiefseehafens zugesagt.
Vielfach scheitern die Projekte, da sie schlecht vorbereitet werden oder nicht an die lokalen Begebenheiten angepasst sind, wie im Tana-Delta bereits geschehen. "Die Planer erwarten, dass sie hier fruchtbares Schwemmland finden. Ein Produzent von Ölsaaten hat sich jedoch schon wieder aus der Region zurückgezogen, weil die Böden untauglich waren", so Byron. Die kenianische National Environment Management Authority (NEMA) fällte ein verheerendes Urteil über den anstehenden Jatropha-Anbau: "Es gibt keinerlei Belege, dass Jatropha-Plantagen hier durchführbar wären. Im Gegenteil: Alles deutet darauf hin, dass der Anbau missglückt", fasst Francis Ole Kaparo von der NEMA die Untersuchungsergebnisse seiner Behörde zusammen – und empfiehlt, alle Anbaulizenzen zurückzunehmen. Und trotz riesiger Investitionen habe das TARDA-Projekt in den letzten zwei Jahren kein einziges Maiskorn für die Ernährung der Kenianer erwirtschaftet.
Selbst jetzt während dieser dramatischen Trockenheit führt er noch ausreichend Wasser, das Hilfsorganisationen mit Tanklastzügen das Nass aus dem Strom pumpen, um die notleidende Bevölkerung zu versorgen. Verzweifelte Hirten treiben ihre überlebenden Rinder und Ziegen ins Delta des Tana, wo sie noch Futter finden. Ihr Vieh vermengt sich mit riesigen Wildtierherden, die ebenfalls Zuflucht in der Flussoase suchen. "Das Tana-Delta ist während der Trockenzeit ein lebenswichtiges Refugium – in Dürrejahren wie diesem versammeln sich hier bis zu drei Millionen Tiere", erklärt Helen Byron von der britischen Naturschutzorganisation RSPB die Bedeutung des Gebiets.
Rund 100 000 Menschen hängen direkt vom Fluss ab, weil sie hier Ackerbau betreiben oder regelmäßig als Nomaden während der Trockenzeit ihr Vieh weiden lassen und tränken. Biologen schwärmen von dem Gebiet als Afrikas zweitem Okavango-Delta – dem berühmten Tierparadies in Botswana im Süden des Kontinents: "Das Tana-Delta ist Heimat hunderter Vogelarten, zweier nur hier lebender Affenspezies und von Nilpferden, deren Zahl in ganz Afrika rapide abnimmt. Elefanten, Löwen und andere Großtiere streifen umher", schwärmt Byron von dem Potenzial der Region für Naturtourismus.
Plantagen statt Safari?
Doch ausgerechnet auf diesem Stück Erde möchte die kenianische Regierung mit Hilfe ausländischer Investoren ein groß angelegtes Landwirtschaftsprojekt durchziehen. Das Ziel: der großflächige Anbau von bewässertem Mais, Zuckerrohr und Jatropha für den einheimischen Markt, aber auch in großem Stil für den Export. Der internationale Agrarkraftstoffhersteller Bedford Biofuels zum Beispiel will auf mehr als 60 000 Hektar Jatropha pflanzen, deren ölhaltige Samen zunehmend für Agrarsprit genutzt werden sollen. "Wir hängen stark von Erdöl ab. Unsummen wurden aufgewendet, um erfolglos nach Öl zu bohren. Wenn wir dieses Geld in die Produktion von Biodiesel investiert hätten, wären Treibstoffengpässe seltener", äußert Bernard Muok vom African Centre for Technology Studies in Nairobi, der hofft, dass die Ölsaat Energie für sein Land liefern wird.
Weitere 30 000Hektar will das kenianische Unternehmen Mat International unter den Pflug nehmen, um Zuckerrohr zu produzieren. Katar plant, 40 000 Hektar zu bestellen, und die kenianische Regierung führt die Region als oberste Priorität, um bis 2030 die landwirtschaftliche Nutzfläche des Landes auszudehnen – auf weiteren zehntausenden Hektar. Aber: "Insgesamt sind die Projekte, die die Investoren ins Auge gefasst haben, größer als die Gesamtfläche des Deltas", weist Helen Byron auf ein wichtiges Detail hin.
Konflikte mit der ortsansässigen Bevölkerung scheinen deshalb vorprogrammiert, zumal die Landnutzungsrechte vor Ort teilweise völlig ungeklärt sind: Dörfer, die seit Jahrhunderten das Land traditionell nutzen, besitzen mitunter keine entsprechenden Besitzurkunden. "Das meiste Land wurde weder jemandem zugewiesen noch wurden Landtitel bewilligt. Und es kommt bisweilen zu Verstößen gegen bestehende Rechte: So sollte bereits Land versteigert werden, auf dem sich verschiedene Gemeinden befinden ,– das hat die Menschen schockiert", sagt Byron.
Vertreibung vom eigenen Land
Andernorts im Delta wurden bereits Nägel mit Köpfen gemacht, wie im Fall eines Projekts von TARDA, der Tana and Athi Rivers Development Authority. Die Behörde erschließt gegenwärtig groß angelegte Felder für Reis, Mais und Zuckerrohr auf Land, das sich bisher 30 Dörfer mit 25 000 Einwohnern teilten. "Im September 2010 mussten die ersten 2000 Menschen vom Volk der Wardai umsiedeln", erzählt Paul Matiku von Nature Kenya, einer Organisation, die zusammen mit der lokalen Bevölkerung versucht, den Tana River zu erhalten. "TARDA riss unser Land an sich und warf uns raus. Sie haben das Land illegal erworben, und wir müssen jetzt abseits leben. Fast alle Kinder gehen nicht mehr zur Schule, weil sie zu weit weg ist. Früher hatten wir Brunnen, nun müssen wir unser Wasser aus dem Abfluss der TARDA-Farmen holen", beklagen sich die beiden Dorfbewohner Ibrahim Dolla und Bule Gedi in einem Brief an den kenianischen Premierminister Raila Odinga.
Die beiden Viehzüchter vom Volk der Wardai wurden Opfer einer Entwicklung, die vielerorts in Afrika voranschreitet: des so genannten Land Grabbing. "Staatliche Akteure und private Investoren aus Industrie- und Schwellenländern sichern sich mittels langfristiger Pacht- oder Kaufverträge große Agrarflächen in Entwicklungsländern, um Nahrungsmittel und Energiepflanzen für den Export anzubauen", erklärt Constanze von Oppeln den Trend, der in der weit überwiegenden Zahl der Fälle von einheimischen Eliten unterstützt wird: "Sie haben auch meist ein großes Interesse an lukrativen Geschäften mit Land."
Angesichts stark steigender Landpreise in den klassischen Exportländern für Agrarprodukte wie Australien, Brasilien oder Argentinien, dem schnell wachsenden Bedarf an Lebensmitteln und dem zunehmenden Wohlstand in Staaten wie China suchen Käufer preisgünstige Alternativen. Laut Zahlen der Weltbank verzehnfachte sich der Landkauf in Entwicklungsländern: Während zwischen 1998 und 2008 jährlich vier Millionen Hektar Land an Agrarfirmen verpachtet wurden, wechselten 2009 rund 45 Millionen Hektar den Besitzer – fast drei Viertel davon in Afrika.
Billiges Land gegen Investionsversprechen
Fündig wurden Investoren beispielsweise in Äthiopien, das ebenfalls von der gegenwärtigen Dürre betroffen ist und wo Millionen Menschen auf Hilfsgüter angewiesen sind. Trotzdem vergab die Regierung bereits eine halbe Million Quadratkilometer Land an ausländische Investoren, die darauf nun Schnittblumen, Jatropha, Zuckerrohr und Getreide für den Export produzieren. Teilweise laufen die Pachtverträge über 100 Jahre und kosten nur wenige Dollar pro Hektar. Die veräußernden Staaten hoffen auf Investitionen in die Infrastruktur oder Landwirtschaft: Katar zum Beispiel hat Kenia im Rahmen des Tana-Vorhabens Hilfe beim Bau eines neuen Tiefseehafens zugesagt.
Die einheimische Landbevölkerung profitiere dagegen kaum, meint Frederic Mousseau vom Oakland Institute: Meist würden nur Güter für den Export produziert, und wenn sie Glück hätten, fänden die Menschen Arbeit auf den Feldern – zu meist sehr niedrigen Löhnen. Vielfach leiden die Betroffenen aber eher unter dem Land Grabbing: "Hunderttausende Äthiopier wurden nach Landübereignungen bereits umgesiedelt oder vertrieben, ohne dass sie eine Entschädigung erhalten hätten", so der Politologe.
Vielfach scheitern die Projekte, da sie schlecht vorbereitet werden oder nicht an die lokalen Begebenheiten angepasst sind, wie im Tana-Delta bereits geschehen. "Die Planer erwarten, dass sie hier fruchtbares Schwemmland finden. Ein Produzent von Ölsaaten hat sich jedoch schon wieder aus der Region zurückgezogen, weil die Böden untauglich waren", so Byron. Die kenianische National Environment Management Authority (NEMA) fällte ein verheerendes Urteil über den anstehenden Jatropha-Anbau: "Es gibt keinerlei Belege, dass Jatropha-Plantagen hier durchführbar wären. Im Gegenteil: Alles deutet darauf hin, dass der Anbau missglückt", fasst Francis Ole Kaparo von der NEMA die Untersuchungsergebnisse seiner Behörde zusammen – und empfiehlt, alle Anbaulizenzen zurückzunehmen. Und trotz riesiger Investitionen habe das TARDA-Projekt in den letzten zwei Jahren kein einziges Maiskorn für die Ernährung der Kenianer erwirtschaftet.
Hydrologen befürchten zudem, dass das fragile System des Tana-Deltas dem Untergang geweiht ist, wenn großflächiger Bewässerungsfeldbau die bisherige kleinbäuerliche Landwirtschaft verdrängt. Momentan saugt der Sumpf das Wasser der Regenzeit wie ein Schwamm auf und gibt es in der Trockenzeit nach und nach ab – weshalb das Delta selbst jetzt während der Dürre noch grün ist. Durch Anbau von wasserintensiven Exportgütern droht dagegen der Grundwasserspiegel abzusinken, Salzwasser könnte vom Indischen Ozean her eindringen, und ohne die regulierenden Feuchtgebiete könnten sich Fluten und Dürren häufen. "Das Land Grabbing hat bedeutende Auswirkungen auf die ohnehin schon knappen und schwindenden Wasserressourcen in der Region. Es wird das Leben der Menschen hier ernsthaft beeinträchtigen", mahnt deshalb Paul Matiku. Den Dürreopfern am Horn von Afrika geht dann eine letzte Zuflucht verloren.
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