Nachgefragt: Ozeanfund im Staubdetektor
Aus dem Fund einiger Tausend salzhaltiger Eispartikel im E-Ring von Saturn schließen Forscher auf einen unterirdischen Ozean auf dem Saturnmond Enceladus. Warum erlaubt eine so schlichte Entdeckung eine so weit reichende Folgerung?
Enceladus ist ein Glücksfall für Astronomen. Denn andere Himmelskörper im Sonnensystem erweisen sich als weit verschlossener, wenn Forscher unter ihre Oberfläche schauen wollen. Vor kurzem nun vermeldete eine Arbeitsgruppe um den Physiker Frank Postberg von der Universität Heidelberg, eindeutige Hinweise auf flüssiges Wasser unter der Oberfläche des nur 504 Kilometer durchmessenden Saturnmonds entdeckt zu haben (siehe "Kleiner Mond, großer Hingucker").
Ihr Beweismaterial: einige Tausend salzhaltige Eispartikel aus dem E-Ring des Gasplaneten. Sie waren auf den Staubdetektor der Cassini-Sonde aufgeprallt und direkt an Bord massenspektrometrisch analysiert worden. Doch warum erlaubt dieser schlichte Fund eine so weitreichende Folgerung? "Spektrum der Wissenschaft" (für das Cassini-Kamerateamleiterin Carolyn Porco im Juni ausführlich berichtete: "Enceladus – rätselhafter Saturnmond") fragte bei Postberg nach, der auch Mitglied des Heidelberger Cassini-Teams am Max-Planck-Institut für Kernphysik ist.
Spektrum: Herr Dr. Postberg, Sie haben mit dem Staubdetektor der Cassini-Sonde einige tausend Eiskörnchen analysiert, die von Enceladus stammen. Weshalb schließen Sie daraus auf das Vorkommen von flüssigem Wasser, vielleicht eines Ozeans unter der Oberfläche des Saturnmonds?
Außerdem gilt Salz aus einem weiteren Grund als Lackmustest für flüssiges Wasser. Friert ein Salzwasserreservoir langsam aus, wie das für abkühlende planetare Körper erwartet wird, gehen die Salze nicht mit ins Eis über. Das entstehende Eis ist also praktisch salzfrei. Darum kommt die Sublimation von Eis, also der direkte Phasenübergang von gefrorenem Eis hin zu den von uns gemessenen Teilchen, nicht als Erklärung für unsere Funde in Frage.
Und schließlich haben wir nicht einfach Salzkörner in Eisteilchen gefunden. Vielmehr sind wir sicher, dass es sich tatsächlich um zuvor flüssige Partikel handelt, in denen das Salz homogen verteilt war und die nach dem Ablösen von der Wasseroberfläche schockgefrostet wurden. Denn in einem Labor der Universität Göttingen haben wir die entsprechenden Massenspektren zuvor simuliert und genau die Art von Spektren gefunden, die nun auch das Massenspektrometer an Bord von Cassini gemessen hat. Spektrum: War denn die Salzkonzentration des Ozeans schon bekannt?
Postberg: Schon 2007 haben Geomechaniker die Zusammensetzung eines möglichen Ozeans auf Enceladus modelliert. Sie gingen dabei von einem intensiven Kontakt zwischen Gestein und flüssigem Wasser über einen langen Zeitraum hinweg aus, sodass das das Gestein gut ausgelaugt wird. Die vorhergesagte Salzkonzentration treffen wir mit unseren Ergebnissen ziemlich genau, wir haben also auch darum allen Grund zu der Annahme, dass die Eispartikel tatsächlich aus einem Ozean stammen.
Spektrum: Was lässt sich über diesen bislang sagen?
Postberg: Noch ist unklar, ob das Oberflächeneis schon in geringer Tiefe in Wasser übergeht oder gar erst in fünfzig oder sechzig Kilometer, wo laut Dichtemessungen der Gesteinskern beginnen soll. In letzterem Falle wäre nur eine sehr dünne Wasserschicht zu erwarten. Die müsste dann auf noch ungeklärte Weise die Reservoire nahe der Oberfläche versorgen, aus denen die Eisfontänen emporschießen. Es ist jedenfalls unwahrscheinlich, dass sich der Ozean über den ganzen Planeten erstreckt, stattdessen ist er wohl auf die Südpolregion beschränkt. Zur genaueren Prüfung der Ausmaße der flüssigen Schicht wurden jetzt zwei kommende Vorbeiflüge der Sonde so optimiert, dass das Magnetometer an Bord von Cassini entsprechende Magnetfeldmessungen durchführen kann – so kam man ja auch dem Ozean auf Europa auf die Spur. Allerdings wird das bei Enceladus schwieriger, denn seine Auswurffontänen stören das Magnetfeld.
Bislang ist auch nicht klar, ob die Reservoire der Eisfontänen immer noch direkten Kontakt zum Gestein besitzen. Dank der Salzzusammensetzung ist aber klar, dass sie ursprünglich aus dem Ozean gespeist worden sein müssen. In jedem Fall dürften die Reservoire mindestens einige Kubikkilometer groß sein. Denn um den E-Ring so auszuformen, wie wir ihn beobachten, waren die Fontänen mindestens einige paar hundert Jahre aktiv.
Postberg: Auch beim Saturnmond dient Wasser als Schmierfilm, auch wenn dabei im bisherigen Beobachtungszeitraum keine Berge versetzt wurden. In Simulationen versucht man zu verstehen, wie die Wärme in den "Tigerstreifen" entsteht, also in den auffälligen Bodenspalten in Enceladus' Südpolregion. Derartige Energiekonzentrationen können nur von starken Gezeitenkräften und damit einhergehender Reibung herrühren. Auch außerhalb der Tigerstreifen lassen sich auf dem Mond starke tektonische Aktivitäten feststellen: Ein Teil seiner Oberfläche ist nicht kraterübersät, sondern eher glatt oder von Rissen und Gräben zerfurcht. Am besten lässt sich der starke Einfluss der Gezeiten erklären, wenn man statt von einer starren Eiskruste von einem Schmierfilm zwischen Gesteinskern und Eiskruste ausgeht, also einer mehr oder weniger dicken Lage Wasser.
Spektrum: In welcher Tiefe vermuten Sie die Reservoire, aus denen sich die Fontänen speisen?
Postberg: Von dort aus müssen ja "Kanäle" hoch zu den Tigerstreifen verlaufen. Diese sind wohl bis zu einem Meter dick und augenscheinlich über längere Zeit geöffnet, denn Cassini beobachtet die Fontänen schon vier Jahre lang, und in dieser Zeit blieben die acht größten von ihnen aktiv. Wenn die Kanäle mehr als einige Kilometer lang wären, würden sie jedoch instabil, zumal auch Gezeitenkräfte und Scherkräfte eine Rolle spielen. Liegen die Reservoire hingegen nahe an der Oberfläche, in weniger als etwa 100 Meter Tiefe, dann wäre der Druckgradient zum Vakuum hin so stark, dass das Wasser praktisch am Tripelpunkt kochen würde. Doch dann würde das Material gewaltsam herausgeschleudert. In diesem Fall hätte aber auch Nick Schneider hätte bei seinen Teleskopbeobachtungen Natrium entdeckt (beschrieben unter "No sodium in the vapour plumes of Enceladus", Anm. d. Red.), und unser Team hätte nicht nur in sechs Prozent der Partikel Salz gefunden, sondern in praktisch allen Teilchen.
Energetische Betrachtungen liefern weitere Informationen über die Reservoire. Aus anderen Cassini-Messungen weiß man, dass aus der Südpolregion rund 200 Kilogramm Materie pro Sekunde herausschießt, mit einer Geschwindigkeit von etwa 600 Meter pro Sekunde. Die meiste Masse steuert gasförmiges Wasser bei, nur wenige Prozent sind Eiskörnchen, sonst könnte das Gas die Körnchen auch gar nicht transportieren.
Um aber soviel Wasser zu verdampfen, ist insgesamt eine relativ große Grenzfläche von mindestens einem Quadratkilometer nötig, vielleicht auch viel mehr. Allein der Querschnitt der Kanäle reicht also nicht aus. Vorstellbar ist daher, dass sich etwa die Kanäle unter der Oberfläche in Höhlen aufweiten oder dass dort viele kleine Kammern existieren, die miteinander in Verbindung stehen.
Spektrum: Gemessen haben Sie ausschließlich Teilchen aus dem E-Ring des Saturn. Wie sicher ist denn, dass diese tatsächlich von Enceladus stammen?
Postberg: Dass die Fontänen von Enceladus für den weitaus größten Teil des E-Rings verantwortlich sind, steht mittlerweile praktisch außer Frage. Da muss man nur die richtigen Bilder anschauen (siehe Foto oben, Anm. d. Red.). Ein wenig Platz für andere Materie lassen die Modelle aber trotzdem. Sie könnte von einigen weiteren Eismonden im selben Ring stammen: Wenn dort interplanetare Staubteilchen aufprallen, werden Ejekta freigesetzt und in den E-Ring eingespeist. Neben Enceladus selbst ist zum Beispiel Thetis ein Kandidat für diesen Vorgang. Entsprechende Belege fehlen aber noch, denn auf bisherigen Aufnahmen (siehe ebenfalls Foto) wird der E-Ring rund um diesen Mond kein bißchen heller.
Spektrum: Enceladus scheint sich als attraktives Forschungsobjekt zu erweisen. Man muss nur durch die Eruptionsfahnen fliegen, um Proben aus seinem Inneren zu erhalten.
Postberg: Absolut! Im Vergleich etwa zu Ganymed oder Europa, unter deren Oberfläche ebenfalls Ozeane vermutet werden, sind hier keine Tiefenbohrungen erforderlich. Stattdessen wirft uns der Mond die Ozeanproben gewissermaßen direkt vors Raumschiff und wir müssen sie nur noch einsammeln. Deshalb denkt man auch ernsthaft über Sample-Return-Missionen nach. Ein relativ kostengünstige neue Sonde könnte durch die Auswurffontänen fliegen und die Proben wieder zur Erde zurückbringen. Bei Europa ist so etwas gar nicht möglich.
Deshalb waren auch viele Enceladus-Fans enttäuscht, als ESA und NASA im Februar entschieden, bei der nächsten Mission die vier größten Jupitermonde zu erforschen, während Titan und Enceladus erst einmal warten müssen. Andererseits: Bei Europa war man jetzt länger nicht mehr, und Cassini wird ja noch ein paar Jahre im Saturnsystem bleiben. Außerdem begründeten die Juroren ihre Entscheidung damit, dass die Saturnmission technisch anspruchsvoller sei, sodass es gut tut, einige Jahre länger zu warten.<<
Enceladus ist ein Glücksfall für Astronomen. Denn andere Himmelskörper im Sonnensystem erweisen sich als weit verschlossener, wenn Forscher unter ihre Oberfläche schauen wollen. Vor kurzem nun vermeldete eine Arbeitsgruppe um den Physiker Frank Postberg von der Universität Heidelberg, eindeutige Hinweise auf flüssiges Wasser unter der Oberfläche des nur 504 Kilometer durchmessenden Saturnmonds entdeckt zu haben (siehe "Kleiner Mond, großer Hingucker").
Ihr Beweismaterial: einige Tausend salzhaltige Eispartikel aus dem E-Ring des Gasplaneten. Sie waren auf den Staubdetektor der Cassini-Sonde aufgeprallt und direkt an Bord massenspektrometrisch analysiert worden. Doch warum erlaubt dieser schlichte Fund eine so weitreichende Folgerung? "Spektrum der Wissenschaft" (für das Cassini-Kamerateamleiterin Carolyn Porco im Juni ausführlich berichtete: "Enceladus – rätselhafter Saturnmond") fragte bei Postberg nach, der auch Mitglied des Heidelberger Cassini-Teams am Max-Planck-Institut für Kernphysik ist.
Spektrum: Herr Dr. Postberg, Sie haben mit dem Staubdetektor der Cassini-Sonde einige tausend Eiskörnchen analysiert, die von Enceladus stammen. Weshalb schließen Sie daraus auf das Vorkommen von flüssigem Wasser, vielleicht eines Ozeans unter der Oberfläche des Saturnmonds?
Postberg: Vor allem darum, weil die Partikel Natriumsalze enthalten. Die einzige Möglichkeit, Wasser mit Salz anzureichern, besteht darin, es in Kontakt mit Gestein zu bringen. Nach der Entstehung des Sonnensystems und der Planeten waren zunächst einmal sämtliche Natriumverbindungen im Gestein gebunden. Darum wurde schon vor einigen Jahren vorhergesagt, dass der Fund von Natrium in den Fontänen des Enceladus einen ganz starken Hinweis auf einen Ozean darstellen würde. In diesem Fall muss nämlich flüssiges Wasser die Salze und insbesondere das leicht lösliche Natriumchlorid, also Kochsalz, aus Enceladus' Gesteinskern herausgewaschen haben – so wie das auch bei Ozeanen auf der Erde der Fall ist.
Außerdem gilt Salz aus einem weiteren Grund als Lackmustest für flüssiges Wasser. Friert ein Salzwasserreservoir langsam aus, wie das für abkühlende planetare Körper erwartet wird, gehen die Salze nicht mit ins Eis über. Das entstehende Eis ist also praktisch salzfrei. Darum kommt die Sublimation von Eis, also der direkte Phasenübergang von gefrorenem Eis hin zu den von uns gemessenen Teilchen, nicht als Erklärung für unsere Funde in Frage.
Und schließlich haben wir nicht einfach Salzkörner in Eisteilchen gefunden. Vielmehr sind wir sicher, dass es sich tatsächlich um zuvor flüssige Partikel handelt, in denen das Salz homogen verteilt war und die nach dem Ablösen von der Wasseroberfläche schockgefrostet wurden. Denn in einem Labor der Universität Göttingen haben wir die entsprechenden Massenspektren zuvor simuliert und genau die Art von Spektren gefunden, die nun auch das Massenspektrometer an Bord von Cassini gemessen hat. Spektrum: War denn die Salzkonzentration des Ozeans schon bekannt?
Postberg: Schon 2007 haben Geomechaniker die Zusammensetzung eines möglichen Ozeans auf Enceladus modelliert. Sie gingen dabei von einem intensiven Kontakt zwischen Gestein und flüssigem Wasser über einen langen Zeitraum hinweg aus, sodass das das Gestein gut ausgelaugt wird. Die vorhergesagte Salzkonzentration treffen wir mit unseren Ergebnissen ziemlich genau, wir haben also auch darum allen Grund zu der Annahme, dass die Eispartikel tatsächlich aus einem Ozean stammen.
Spektrum: Was lässt sich über diesen bislang sagen?
Postberg: Noch ist unklar, ob das Oberflächeneis schon in geringer Tiefe in Wasser übergeht oder gar erst in fünfzig oder sechzig Kilometer, wo laut Dichtemessungen der Gesteinskern beginnen soll. In letzterem Falle wäre nur eine sehr dünne Wasserschicht zu erwarten. Die müsste dann auf noch ungeklärte Weise die Reservoire nahe der Oberfläche versorgen, aus denen die Eisfontänen emporschießen. Es ist jedenfalls unwahrscheinlich, dass sich der Ozean über den ganzen Planeten erstreckt, stattdessen ist er wohl auf die Südpolregion beschränkt. Zur genaueren Prüfung der Ausmaße der flüssigen Schicht wurden jetzt zwei kommende Vorbeiflüge der Sonde so optimiert, dass das Magnetometer an Bord von Cassini entsprechende Magnetfeldmessungen durchführen kann – so kam man ja auch dem Ozean auf Europa auf die Spur. Allerdings wird das bei Enceladus schwieriger, denn seine Auswurffontänen stören das Magnetfeld.
Bislang ist auch nicht klar, ob die Reservoire der Eisfontänen immer noch direkten Kontakt zum Gestein besitzen. Dank der Salzzusammensetzung ist aber klar, dass sie ursprünglich aus dem Ozean gespeist worden sein müssen. In jedem Fall dürften die Reservoire mindestens einige Kubikkilometer groß sein. Denn um den E-Ring so auszuformen, wie wir ihn beobachten, waren die Fontänen mindestens einige paar hundert Jahre aktiv.
Spektrum: Unter der Oberfläche des Jupiter-Monds Titan rechnen Forscher ebenfalls mit einem Ozean. Die Kruste scheint regelrecht darüber hinwegzuschwimmen, ganze Berge und Schluchten werden dadurch versetzt. Gibt es solche Hinweise auf Enceladus auch?
Postberg: Auch beim Saturnmond dient Wasser als Schmierfilm, auch wenn dabei im bisherigen Beobachtungszeitraum keine Berge versetzt wurden. In Simulationen versucht man zu verstehen, wie die Wärme in den "Tigerstreifen" entsteht, also in den auffälligen Bodenspalten in Enceladus' Südpolregion. Derartige Energiekonzentrationen können nur von starken Gezeitenkräften und damit einhergehender Reibung herrühren. Auch außerhalb der Tigerstreifen lassen sich auf dem Mond starke tektonische Aktivitäten feststellen: Ein Teil seiner Oberfläche ist nicht kraterübersät, sondern eher glatt oder von Rissen und Gräben zerfurcht. Am besten lässt sich der starke Einfluss der Gezeiten erklären, wenn man statt von einer starren Eiskruste von einem Schmierfilm zwischen Gesteinskern und Eiskruste ausgeht, also einer mehr oder weniger dicken Lage Wasser.
Spektrum: In welcher Tiefe vermuten Sie die Reservoire, aus denen sich die Fontänen speisen?
Postberg: Von dort aus müssen ja "Kanäle" hoch zu den Tigerstreifen verlaufen. Diese sind wohl bis zu einem Meter dick und augenscheinlich über längere Zeit geöffnet, denn Cassini beobachtet die Fontänen schon vier Jahre lang, und in dieser Zeit blieben die acht größten von ihnen aktiv. Wenn die Kanäle mehr als einige Kilometer lang wären, würden sie jedoch instabil, zumal auch Gezeitenkräfte und Scherkräfte eine Rolle spielen. Liegen die Reservoire hingegen nahe an der Oberfläche, in weniger als etwa 100 Meter Tiefe, dann wäre der Druckgradient zum Vakuum hin so stark, dass das Wasser praktisch am Tripelpunkt kochen würde. Doch dann würde das Material gewaltsam herausgeschleudert. In diesem Fall hätte aber auch Nick Schneider hätte bei seinen Teleskopbeobachtungen Natrium entdeckt (beschrieben unter "No sodium in the vapour plumes of Enceladus", Anm. d. Red.), und unser Team hätte nicht nur in sechs Prozent der Partikel Salz gefunden, sondern in praktisch allen Teilchen.
Energetische Betrachtungen liefern weitere Informationen über die Reservoire. Aus anderen Cassini-Messungen weiß man, dass aus der Südpolregion rund 200 Kilogramm Materie pro Sekunde herausschießt, mit einer Geschwindigkeit von etwa 600 Meter pro Sekunde. Die meiste Masse steuert gasförmiges Wasser bei, nur wenige Prozent sind Eiskörnchen, sonst könnte das Gas die Körnchen auch gar nicht transportieren.
Um aber soviel Wasser zu verdampfen, ist insgesamt eine relativ große Grenzfläche von mindestens einem Quadratkilometer nötig, vielleicht auch viel mehr. Allein der Querschnitt der Kanäle reicht also nicht aus. Vorstellbar ist daher, dass sich etwa die Kanäle unter der Oberfläche in Höhlen aufweiten oder dass dort viele kleine Kammern existieren, die miteinander in Verbindung stehen.
Spektrum: Gemessen haben Sie ausschließlich Teilchen aus dem E-Ring des Saturn. Wie sicher ist denn, dass diese tatsächlich von Enceladus stammen?
Postberg: Dass die Fontänen von Enceladus für den weitaus größten Teil des E-Rings verantwortlich sind, steht mittlerweile praktisch außer Frage. Da muss man nur die richtigen Bilder anschauen (siehe Foto oben, Anm. d. Red.). Ein wenig Platz für andere Materie lassen die Modelle aber trotzdem. Sie könnte von einigen weiteren Eismonden im selben Ring stammen: Wenn dort interplanetare Staubteilchen aufprallen, werden Ejekta freigesetzt und in den E-Ring eingespeist. Neben Enceladus selbst ist zum Beispiel Thetis ein Kandidat für diesen Vorgang. Entsprechende Belege fehlen aber noch, denn auf bisherigen Aufnahmen (siehe ebenfalls Foto) wird der E-Ring rund um diesen Mond kein bißchen heller.
Spektrum: Enceladus scheint sich als attraktives Forschungsobjekt zu erweisen. Man muss nur durch die Eruptionsfahnen fliegen, um Proben aus seinem Inneren zu erhalten.
Postberg: Absolut! Im Vergleich etwa zu Ganymed oder Europa, unter deren Oberfläche ebenfalls Ozeane vermutet werden, sind hier keine Tiefenbohrungen erforderlich. Stattdessen wirft uns der Mond die Ozeanproben gewissermaßen direkt vors Raumschiff und wir müssen sie nur noch einsammeln. Deshalb denkt man auch ernsthaft über Sample-Return-Missionen nach. Ein relativ kostengünstige neue Sonde könnte durch die Auswurffontänen fliegen und die Proben wieder zur Erde zurückbringen. Bei Europa ist so etwas gar nicht möglich.
Deshalb waren auch viele Enceladus-Fans enttäuscht, als ESA und NASA im Februar entschieden, bei der nächsten Mission die vier größten Jupitermonde zu erforschen, während Titan und Enceladus erst einmal warten müssen. Andererseits: Bei Europa war man jetzt länger nicht mehr, und Cassini wird ja noch ein paar Jahre im Saturnsystem bleiben. Außerdem begründeten die Juroren ihre Entscheidung damit, dass die Saturnmission technisch anspruchsvoller sei, sodass es gut tut, einige Jahre länger zu warten.<<
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