Neuroanatomie: Transparente Totalpräparate ersetzen Hirnscheiben
Neurobiologen könnten Details der Hirnanatomie bald am transparenten Organ nachvollziehen – anstatt, wie bisher, dafür viele Gewebeschnitte aufwändig präparieren und zusammensetzen zu müssen. Dies verspricht zumindest die Methode eines Forscherteam um Karl Deisseroth von der Stanford University. Der Gruppe gelang es, das vollständige Gehirn einer Maus strukturell intakt zu erhalten und mitsamt allen wesentlichen Nervenverbindungen und zellulären Details durchsichtig zu machen. Dazu polymerisierten sie die Zellstrukturen zu einem festen, transparenten Kunststoffgerüst.
Das "Clear Lipid-exchanged Anatomically Rigid/immunostaining-compatible Tissue hydrogel" – die Forscher bastelten aus dem sperrigen Wortungetüm das handlichere Kürzel CLARITY – entsteht in einem vergleichsweise unkomplizierten Prozess. Zunächst wird dabei ein in Formaldehyd fixiertes Organ mit Hydrogelmonomeren wie Acrylamid und weiteren Chemikalien eingelegt. In diesem Schritt vernetzt Formaldehyd die Monomere durch feste chemische Bindungen mit Proteinen, Nukleinsäuren und verschiedenen kleinen Biomolekülen des Zellgewebes – nicht aber mit Lipiden. Anschließend wird das Präparat erhitzt, wodurch die Monomere zu einem harten Hydrogelnetz polymerisieren, das die Struktur des Gewebes exakt widerspiegelt. Im letzten Schritt werden dann die nicht gebundenen Lipide – und damit der Löwenanteil aller Licht blockierenden Bestandteile des Gewebes – schonend entfernt. Am Ende bleibt eine strukturell lebensechte, durchsichtige Hirnhydrogelstruktur, die verschiedenen Analysemethoden zugänglich ist.
Der Clarity-Prozess kann zudem mit verschiedenen Fluoreszenz- und Immunmarkierungsverfahren kombiniert werden. So gelang es Deisseroth und Kollegen etwa, farbmarkierte Proteine in den Membranen des strukturell intakten Mausgehirns mit Mikroskopen aufzulösen und Feinstrukturen wie Synapsen mit dem Elektronenmikroskop zu kartieren. Nicht nur die subzellulären Details, sondern auch die weiter reichenden Projektionen einzelner Neurone, die Kontakte zwischen Zellen und die Vernetzung der Hirnzellen bleiben bei der Präparation erhalten. Dies gelang den Forscher sogar an einem fünf Jahre lang in Formaldehyd gelagerten menschlichen Hirn. Prinzipiell kann die Methode an beliebigen Organen eingesetzt werden, so Deisseroth: Sie "eignet sich für jedwedes biologisches System – es wird spannend sein, zu sehen, wie sie in anderen Themenfelder von Nutzen ist."
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