Nichtkovalente Wechselwirkungen: Verbunden werden auch die Schwachen mächtig
Schon immer hatte ich eine Schwäche für starke Bindungen und energiereiche Reaktionen, weil sie einfach zu beobachten und zu verstehen sind. Sie lassen Feuer brennen und bilden die Basis für einen Großteil der industriellen Chemie. Starke Bindungen halten zum Beispiel das Methanmolekül (CH4) zusammen. Darin teilen sich das Kohlenstoff- und ein Wasserstoffatom jeweils ein Elektronenpaar. Chemiker bezeichnen das als kovalente Bindung. In Salzen wie Natriumchlorid liegen dagegen Ionen vor, die sich elektrostatisch anziehen. Deshalb spricht man hier von einer ionischen Bindung. Auch sie ist sehr stark.
Vieles in der Welt um und in uns beruht jedoch auf subtileren atomaren und molekularen Wechselwirkungen, die zehn- bis hundertmal schwächer sind. Stellen Sie sich vor, Sie tauchen einenPinsel ins Wasser oder sehen in einem Hollywoodklassiker, wie der Filmstar Esther Williams in den Pool springt – was sie stets mit aufregender Lässigkeit und einer tollen Frisur tat. Wenn der Pinsel oder die "badende Venus" wieder aus dem Wasser hochkommen, kleben die Haare aneinander. Instinktiv würde man sagen, das liege daran, dass sie nass sind. Aber Vorsicht: Schauen Sie den Pinsel unter Wasser an – die Haare stehen voneinander ab, und nasser geht es wohl kaum.
Die Nässe kann daher nicht für das Verklumpen verantwortlich sein. Verursacht wird es vielmehr durch die schwachen Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Wassermolekülen, die auf den Haaren verblieben sind und diese einschließen. Der Zusammenhalt zwischen ihnen äußert sich makroskopisch als so genannte Oberflächenspannung. Diese sorgt unter anderem dafür, dass sich in den Wolken Wassertropfen bilden und Taumelkäfer auf Teichen nicht untergehen. Der britische Physiker Charles Vernon Boys (1855 – 1944) hat dafür einst den schönen Ausdruck "Wasserhaut" geprägt. ...
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