"Im Herzen bin und bleibe ich Arzt"
Herr Dr. von Hirschhausen, Sie lesen "Gehirn&Geist" seit vielen Jahren. Was wird sich ändern, wenn Sie ab sofort regelmäßig für unser Magazin schreiben?
Meine Vorfreude wird minimal sinken, denn ich weiß dann schon von einer Seite des neuen Heftes, was dort steht. Aber ich hoffe, dass sich das durch vermehrte Freude bei anderen Lesern wieder ausgleicht. Daher wird meine erste Kolumne auch zum Thema Vorfreude sein. Soviel ich weiß ...
Ihre Kolumne "Hirschhausens Hirnschmalz" folgt auf "Winters' Nachschlag". Uli Winters hat darin stets einen Artikel aus dem Heft satirisch aufs Korn genommen. Was werden Ihre Themen sein, und wie werden Sie diese anpacken?
An dieser Stelle ein großes Lob an Uli Winters! Ich habe seinen Nachschlag oft zuerst gelesen und viel Freude an seinen Ideen und Formulierungen gehabt. Ein kluger und, wie ich nach einem persönlichen Treffen feststellen durfte, auch sehr herzlicher und sympathischer Mann. Oder um mit einem Volkslied zu sprechen: "Winters ade, scheiden tut weh!" Ich werde mich nicht auf das Heft beziehen, denn das gab es ja schon sehr gut. Und ich packe keine Themen an, sondern warte, bis ich von einem Thema gepackt werde!
Sehen Sie sich als G&G-Kolumnist mehr in der Rolle des Kabarettisten und Komikers oder in der eines "seriösen" Wissenschaftskommunikators?
Eine Gegenfrage: Ist das ein Entweder-oder? Sind Mehrfachnennungen möglich? Was die wenigsten wissen: Ich habe tatsächlich Wissenschaftsjournalismus an der FU Berlin studiert. Die Vermittlung von Medizin interessiert mich schon lange. Denn wir wissen ja eigentlich alle, was gesund ist, nur hält sich keiner dran! "Seriöse" Information über Gesundheitsrisiken scheitert oft daran, dass Menschen auf drohende Zeigefinger reagieren wie Kleinkinder – mit Trotz. Ich verwende meinen Zeigefinger lieber zum Kitzeln. Ich freue mich sehr, dass meine Art, humorvoll über seelische Gesundheit und Depression zu schreiben, mit dem Buch "Glück kommt selten allein" so viel Erfolg hatte. Das macht mir Mut, mit verschiedenen Formen zu experimentieren, von der Glosse über Bühnenprogramme bis zum Fernsehen. Aber im Herzen bin und bleibe ich Arzt.
Inwiefern wird sich dies in "Hirschhausens Hirnschmalz" widerspiegeln?
Ich sehe ja die Welt aus drei Blickwinkeln: als Arzt, Komiker und Autor. Und wenn sich zu dem, was ich querlese, noch ein querer Gedanke dazugesellt, schreibe ich den auf. Das kann nützliches Wissen sein zur großen Frage, was uns gesund und glücklich macht – oder eben nicht. Wie die Studie, die zeigte, dass Raucher schlechter dran sind, wenn sie Vitamintabletten nehmen. Aber gerne auch Unnützes oder Kurioses, etwa weshalb uns der Rückweg kürzer erscheint als der Hinweg, wie die Breite eines Lächelns die Länge einer Beziehung vorhersagen kann oder warum sich Schafe besser menschliche Gesichter merken können als umgekehrt.
Wie bleiben Sie auf Augenhöhe mit den Entwicklungen in der Wissenschaft? Welche Quellen nutzen Sie?
Augenhöhe schaffe ich nicht. Wissenschaft ist immer nur der aktuelle Stand des Irrtums. Und je größer die Insel unseres Wissens, desto länger wird automatisch das Ufer zum Meer unserer Ignoranz. Daher freue ich mich, dass mich unter anderem die kompetente und lebendige Redaktion des Heftes mit Quellen versorgen wird.
Als erfolgreicher Buchautor und bekannter Fernsehmoderator könnten Sie für viele Magazine schreiben – warum ausgerechnet "Gehirn&Geist"?
Ich habe mich sehr über die Anfrage gefreut. Eigentlich wollte ich absagen. Der Geist war willig. Aber das Gehirn war schwach.
Wie entsteht Humor?
Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht GuG-, sondern GaG-Autor geworden!
Schreiben Sie die Programme für Ihre Live-Auftritte auch selbst?
Ja. Alle Ideen kommen von mir, aber es gibt keinen festen Text. Was mir bei den Liveauftritten am meisten Freude macht, ist, zu improvisieren, direkt mit dem Publikum zu kommunizieren, neue Ideen auszuprobieren. Deshalb ist kein Abend wie der andere und mir wird nicht langweilig. Und das spürt das Publikum. Wer mich nur aus der Glotze oder geschrieben kennt, kennt mich nicht wirklich.
Was ist Ihre liebste wissenschaftliche Erkenntnis aus den letzten zwölf Monaten?
Dass Placebos auch wirken, wenn man den Leuten sagt, dass es Placebos sind! Allein das Ritual, dreimal am Tag eine Tablette einzunehmen, tut Menschen offenbar besser, als wenn sie gar nichts tun. Wobei Nichtstun auch hilft, und zwar im Sinne von Achtsamkeitstraining. Wie passt das zusammen, Schein-Medikation und Seins-Meditation? Die Welt ist paradox. Man kann darüber verzweifeln oder schmunzeln. Lachen ist die bessere Medizin. Darauf ein Lächeln, einen Traubenzucker und einen Atemzug!
Die Fragen stellte G&G-Chefredakteur Carsten Könneker.
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