Schiefergas: Begehrte Ressource mit Unwägbarkeiten
In Nordamerika erobert Erdgas aus unkonventionellen Quellen die Rohstoffmärkte: Schiefergas. Weltweit sind Billionen Tonnen Methan fest im Gestein gebunden, mit neuen Techniken kann man es befreien. Auch in Europa. Die Ressource der Zukunft?
Erdgas, sauberer und effektiver als Erdöl und Kohle, spielt eine immer größere Rolle in der weltweiten Energieversorgung – bis 2035, vermuten Experten, wird rund 50 Prozent mehr Gas verbraucht werden als gegenwärtig. Doch wie beim Öl gehen die klassischen Gasvorkommen merklich zur Neige. Selbst beim gegenwärtigen Verbrauch reichen die Reserven nicht einmal bis zum Ende des Jahrhunderts.
Abhilfe versprechen unkonventionellen Quellen wie die weltweit verbreiteten Gasschiefer: Gas, das in seinen Herkunftsgesteinen gefangen ist, statt in die porösen Gesteine klassischer Lagerstätten zu sickern. 450 Billionen Kubikmeter Gas sollen weltweit im Untergrund stecken, theoretisch genug für anderthalb Jahrhunderte. Steigenden Gaspreise und neue Fördertechniken führten in den USA deshalb Anfang des Jahrtausends schon zu einem wahren Schiefergasboom. Inzwischen macht Schiefergas nahezu zehn Prozent allen in den USA geförderten Erdgases aus, doch gleichzeitig zeigten sich auch erste Schattenseiten des Erfolgs: Die Technik erfordert viel Platz, große Mengen Wasser und giftige Chemikalien.
Schwer erreichbare Ressource
Trotz der gemischten Erfahrungen hoffen jedoch in Europa Energieunternehmen und Politiker ebenfalls auf die neue Ressource, die hierzulande noch fast völlig unerschlossen ist. Die gasführenden Schiefer liegen in Senken wie dem Norddeutschen Becken, in dem sich bis zu 12 Kilometer dicke Sedimentpakete aus fast 400 Millionen Jahren Erdgeschichte absetzten. In Perm und Karbon lagerten sich im Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern Meeressedimente ab, die mit mit organischer Materie durchsetzt sind. Durch Hitze und Druck entstand aus diesen Gesteinen Schiefer, und im Schiefer dann das Erdgas.
Um dies beim Schiefergas zu gewährleisten, bedient man sich neuer Techniken, die erst seit ein paar Jahrzehnten zur Verfügung stehen. Einerseits durchbohren die Ingenieure die gasführende Schicht der Länge nach, so dass das Bohrloch einen viel größeren Teil der Lagerstätte erreicht. Dabei wird der Bohrkopf im Bohrloch gekippt, damit die Bohrung eine Kurve beschreibt und schließlich der gasführenden Schicht horizontal folgt. Zusätzlich müssen, da das Gestein nicht durchlässig ist, künstlich Klüfte geschaffen und erweitert werden, indem die Techniker Chemikalien und mit Sand vermischtes Wasser unter hohem Druck ins fertige Bohrloch schießen. Der Wasserdruck reißt Spalten und Gänge auf, in denen sich der Sand absetzt, was verhindert, dass sie sich bei Druckentlastung wieder schließen. Aromatische Kohlenwasserstoffe in der Lösung töten Bakterien ab, die sonst die Poren im Gestein bewachsen und verstopfen könnten.
Nicht zu verachtende Umweltrisiken
Wegen dieser giftigen Zusatzstoffe ist dieser als Hydrofracking bezeichnete Prozess der umstrittenste Aspekt der Förderung von unkonventionellem Gas. Das größte Problem dieser Wässer ist ihr schieres Volumen: 7 bis 15 Millionen Liter Wasser sind erforderlich, um auch nur eine Bohrung aufzusprengen, und selbst unter günstigen Umständen fließt ein nennenswerter Teil des Wassers zurück an die Oberfläche und muss wegen der enthaltenen Gifte fachgerecht gelagert und entsorgt werden. Im ungünstigen Fall tritt mit radioaktiven Elementen angereichertes Tiefenwasser an die Oberfläche und vervielfacht das Entsorgungsproblem. In den USA lagern diese Wässer teilweise in offenen Teichen, die bei starkem Regen in nahe Flüsse oder Seen überlaufen könnten.
Kritiker befürchten daher, dass oberflächennahes Trinkwasser direkt gefährdet ist. Das Bohrloch ist zwar mit einem Zementmantel gegen die umliegenden Grundwasserleiter isoliert, doch es drohen Risse und Brüche durch den hohen Druck während des Verfahrens: Die Fracking-Flüssigkeit könnte dann unkontrolliert aus dem Bohrloch ins umliegende Gestein strömen. Im US-Bundesstaat Pennsylvania stoppte ein Gericht Bohrungen, nachdem 14 Haushalte ihr Trinkwasser ungenießbar vorfanden.
Der Forschungsbedarf ist groß
In Europa müssen solche Projekte strengeren Umweltauflagen genügen. Prinzipiell funktioniert die Förderung auch ohne giftige Chemikalien, diese Verfahren jedoch sind noch in der Testphase. Außerdem fehlt das nötige Wissen um die Ressourcen: Anders als in den USA ist der europäische Untergrund sehr kleinteilig und stark gegliedert – jedes Schiefergaslager ist geologisch einzigartig. Schon die fünf "klassischen" Gasschiefer in den USA haben lediglich zwei Gemeinsamkeiten: Sie liegen in dicken Schichten, und sie besitzen einen hohen Anteil an organischem Material. In Europa ist die Situation jedoch anders – jede Lagerstätte hat ihre eigene Geschichte und eigene Besonderheiten, die sich auf die Förderbedingungen auswirken.
Trotz der Hürden – der potenzielle Gewinn ist verlockend. Es winkt nicht nur zusätzliches Gas aus neuen Quellen, sondern ein gutes Stück energiepolitischer Unabhängigkeit von den großen Gasproduzenten wie Russland. Nahezu jedes Land könnte zumindest einen Teil seines Bedarfs aus dem einheimischen Boden decken. Das industriefinanzierte Projekt GASH (Gas Shales in Europe), ins Leben gerufen von Brian Horsfield und Hans-Martin Schulz vom Deutschen GeoforschungsZentrums in Potsdam (GFZ), bündelt seit 2009 akademische Ressourcen, um die Kartierung Erforschung der europäischen Gasschiefer voranzutreiben. In den nächsten Jahrzehnten, prognostizieren die Autoren, werde das Schiefergas auch hier Realität.
Es droht Widerstand
Doch ob sich der Brennstoff hierzulande tatsächlich in großem Stil fördern lässt, muss sich erst noch zeigen. Auffällig still ist es um die Technik, womöglich aus Sorge, Widerstand in der Bevölkerung zu provozieren. Dass die Bedenken nur allzu gerechtfertigt sind, zeigt sich derzeit in Nordrhein-Westfalen: Aus der Kohle, die dort nicht mehr ökonomisch abgebaut werden kann, soll nun zumindest noch das enthaltene Gas gefördert werden – doch schon haben sich Bürgerinitiativen formiert, um die Vorhaben abzublocken.
Abhilfe versprechen unkonventionellen Quellen wie die weltweit verbreiteten Gasschiefer: Gas, das in seinen Herkunftsgesteinen gefangen ist, statt in die porösen Gesteine klassischer Lagerstätten zu sickern. 450 Billionen Kubikmeter Gas sollen weltweit im Untergrund stecken, theoretisch genug für anderthalb Jahrhunderte. Steigenden Gaspreise und neue Fördertechniken führten in den USA deshalb Anfang des Jahrtausends schon zu einem wahren Schiefergasboom. Inzwischen macht Schiefergas nahezu zehn Prozent allen in den USA geförderten Erdgases aus, doch gleichzeitig zeigten sich auch erste Schattenseiten des Erfolgs: Die Technik erfordert viel Platz, große Mengen Wasser und giftige Chemikalien.
Schwer erreichbare Ressource
Trotz der gemischten Erfahrungen hoffen jedoch in Europa Energieunternehmen und Politiker ebenfalls auf die neue Ressource, die hierzulande noch fast völlig unerschlossen ist. Die gasführenden Schiefer liegen in Senken wie dem Norddeutschen Becken, in dem sich bis zu 12 Kilometer dicke Sedimentpakete aus fast 400 Millionen Jahren Erdgeschichte absetzten. In Perm und Karbon lagerten sich im Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern Meeressedimente ab, die mit mit organischer Materie durchsetzt sind. Durch Hitze und Druck entstand aus diesen Gesteinen Schiefer, und im Schiefer dann das Erdgas.
Um diese verlockende Reserve zu ernten, muss man jedoch einigen Aufwand treiben. Normales Erdgas ist in porösen Schichten unter einer undurchlässigen Decke quasi in einer Art Blase gefangen und steigt automatisch weiter auf, sobald die Deckschicht vom Förderrohr durchstoßen wird. So einfach läuft es beim Schiefergas nicht, dort ist das Gas im Gestein gefangen und häufig sogar an Mineraloberflächen gebunden. Deswegen reicht es nicht, die Lagerstätte einfach anzubohren – man muss hier die Klüfte erst öffnen, die in normalem Speichergestein den gewünschten Rohstoff zum Förderrohr transportieren.
Um dies beim Schiefergas zu gewährleisten, bedient man sich neuer Techniken, die erst seit ein paar Jahrzehnten zur Verfügung stehen. Einerseits durchbohren die Ingenieure die gasführende Schicht der Länge nach, so dass das Bohrloch einen viel größeren Teil der Lagerstätte erreicht. Dabei wird der Bohrkopf im Bohrloch gekippt, damit die Bohrung eine Kurve beschreibt und schließlich der gasführenden Schicht horizontal folgt. Zusätzlich müssen, da das Gestein nicht durchlässig ist, künstlich Klüfte geschaffen und erweitert werden, indem die Techniker Chemikalien und mit Sand vermischtes Wasser unter hohem Druck ins fertige Bohrloch schießen. Der Wasserdruck reißt Spalten und Gänge auf, in denen sich der Sand absetzt, was verhindert, dass sie sich bei Druckentlastung wieder schließen. Aromatische Kohlenwasserstoffe in der Lösung töten Bakterien ab, die sonst die Poren im Gestein bewachsen und verstopfen könnten.
Nicht zu verachtende Umweltrisiken
Wegen dieser giftigen Zusatzstoffe ist dieser als Hydrofracking bezeichnete Prozess der umstrittenste Aspekt der Förderung von unkonventionellem Gas. Das größte Problem dieser Wässer ist ihr schieres Volumen: 7 bis 15 Millionen Liter Wasser sind erforderlich, um auch nur eine Bohrung aufzusprengen, und selbst unter günstigen Umständen fließt ein nennenswerter Teil des Wassers zurück an die Oberfläche und muss wegen der enthaltenen Gifte fachgerecht gelagert und entsorgt werden. Im ungünstigen Fall tritt mit radioaktiven Elementen angereichertes Tiefenwasser an die Oberfläche und vervielfacht das Entsorgungsproblem. In den USA lagern diese Wässer teilweise in offenen Teichen, die bei starkem Regen in nahe Flüsse oder Seen überlaufen könnten.
Kritiker befürchten daher, dass oberflächennahes Trinkwasser direkt gefährdet ist. Das Bohrloch ist zwar mit einem Zementmantel gegen die umliegenden Grundwasserleiter isoliert, doch es drohen Risse und Brüche durch den hohen Druck während des Verfahrens: Die Fracking-Flüssigkeit könnte dann unkontrolliert aus dem Bohrloch ins umliegende Gestein strömen. Im US-Bundesstaat Pennsylvania stoppte ein Gericht Bohrungen, nachdem 14 Haushalte ihr Trinkwasser ungenießbar vorfanden.
Auch das Gas selbst bereitet Kritikern Sorgen: Es könne unkontrolliert aus der Quelle austreten und Explosionen auslösen. Im 2010 veröffentlichten Dokumentarfilm "Gasland", der die Förderung von Schiefergas heftig kritisiert, entzünden Hausbesitzer brennbares Gas, dass aus ihren Wasserhähnen strömt – angeblich eine Folge des Hydrofrackings. Gutachter widersprechen dieser Interpretation zwar, doch es ist mindestens ein Fall bekannt, in dem Gas aus einer schadhaften Quelle in einem Wohnhaus explodierte und zumindest Sachschäden anrichtete.
Der Forschungsbedarf ist groß
In Europa müssen solche Projekte strengeren Umweltauflagen genügen. Prinzipiell funktioniert die Förderung auch ohne giftige Chemikalien, diese Verfahren jedoch sind noch in der Testphase. Außerdem fehlt das nötige Wissen um die Ressourcen: Anders als in den USA ist der europäische Untergrund sehr kleinteilig und stark gegliedert – jedes Schiefergaslager ist geologisch einzigartig. Schon die fünf "klassischen" Gasschiefer in den USA haben lediglich zwei Gemeinsamkeiten: Sie liegen in dicken Schichten, und sie besitzen einen hohen Anteil an organischem Material. In Europa ist die Situation jedoch anders – jede Lagerstätte hat ihre eigene Geschichte und eigene Besonderheiten, die sich auf die Förderbedingungen auswirken.
Trotz der Hürden – der potenzielle Gewinn ist verlockend. Es winkt nicht nur zusätzliches Gas aus neuen Quellen, sondern ein gutes Stück energiepolitischer Unabhängigkeit von den großen Gasproduzenten wie Russland. Nahezu jedes Land könnte zumindest einen Teil seines Bedarfs aus dem einheimischen Boden decken. Das industriefinanzierte Projekt GASH (Gas Shales in Europe), ins Leben gerufen von Brian Horsfield und Hans-Martin Schulz vom Deutschen GeoforschungsZentrums in Potsdam (GFZ), bündelt seit 2009 akademische Ressourcen, um die Kartierung Erforschung der europäischen Gasschiefer voranzutreiben. In den nächsten Jahrzehnten, prognostizieren die Autoren, werde das Schiefergas auch hier Realität.
Es droht Widerstand
Doch ob sich der Brennstoff hierzulande tatsächlich in großem Stil fördern lässt, muss sich erst noch zeigen. Auffällig still ist es um die Technik, womöglich aus Sorge, Widerstand in der Bevölkerung zu provozieren. Dass die Bedenken nur allzu gerechtfertigt sind, zeigt sich derzeit in Nordrhein-Westfalen: Aus der Kohle, die dort nicht mehr ökonomisch abgebaut werden kann, soll nun zumindest noch das enthaltene Gas gefördert werden – doch schon haben sich Bürgerinitiativen formiert, um die Vorhaben abzublocken.
Die spezielle Natur der Gaslagerstätten bedingt, dass die Erschließung kontinuierlich weiter gehen muss. Im Gegensatz zu konventionellen Gasfeldern geht die Fördermenge in einer Bohrung schnell zurück, denn nur das Gas aus dem Bereich, der künstlich aufgebrochen wurde, ist von einem einzelnen Bohrloch aus zugänglich. So fällt die Förderrate deutlich schneller ab als bei klassischen Feldern, und die Gasproduzenten müssen mit ihren Anlagen ständig weiterziehen, um die gesamte Ressource zu erschließen. Hunderte Bohrlöcher überziehen in regelmäßigen Abständen die Schiefergasregionen der USA – in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland wohl ein Alptraum. Der Gas-Boom könnte so am Widerstand aus der Bevölkerung scheitern, bevor er richtig begonnen hat.
Schreiben Sie uns!
1 Beitrag anzeigen