Sonnensystem: Auf der Suche nach Jupiters Vergangenheit
Die NASA-Mission Juno könnte schon in einigen Jahren zeigen, wie und wo der größte Planet des Sonnensystems entstand - das hoffen zumindest die beteiligten Wissenschaftler.
Es verspricht eine rasante Reise zu werden: Nachdem sie über Jupiters Nordpol kurvt, wird die NASA-Raumsonde Juno mit 60 Kilometern pro Sekunde über den Äquator des Gasriesen düsen und sich dann durch die Lücke zwischen wirbelnder Wolkendecke und einem mit hochenergetischer Strahlung durchsetzen Gebiet schlängeln – wo ihre empfindliche Elektronik regelrecht verschmoren würde. Im Anschluss bewegt sie sich erneut in den Weltraum hinaus, um diesen beschwerlichen Parcours in der Folge 32 Mal zu wiederholen.
Diese Reiseroute sieht die NASA für Juno vor, einer 1,1 Milliarden US-Dollar teuren Mission, die am 5. August starten soll. Läuft alles nach Plan, schwenkt die Sonde in fünf Jahren in eine stark elliptische Umlaufbahn um den Planeten ein. Bei der dichtesten Annäherung – rund 5000 Kilometer über der Wolkenoberfläche – kann sie Jupiters trübe Tiefen erforschen.
Bestandsaufnahme eines Planeten
Auf seinem polaren Orbit wird Juno dem aggressiven Strahlungsgürtel um Jupiters Äquator nur so kurz wie möglich ausgesetzt: In dieser Region beschleunigt das planetare Magnetfeld Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit, was die Bordelektronik empfindlich stören kann. Außerdem erlaubt die polare Umlaufbahn der Sonde eine doppelseitige Ansicht: Von Jupiter weggerichtete Instrumente können den Strahlungsgürtel sowie die magnetischen Felder kartieren, während die auf den Planeten weisenden Geräte dessen undurchsichtige Schichten nach chemischen und gravitativen Hinweisen auf seine Ursprünge hin untersuchen.
Im Rahmen der Galileo-Mission spürte eine in die Jupiteratmosphäre stürzende Sonde im Jahr 1995 bereits viele flüchtige Elemente wie Stickstoff und Argon auf – in höheren Anteilen als Forscher durch Jupiters Abstand von der Sonne erwartet hatten. Dieser Fund deutet darauf hin, dass Jupiter entweder an anderer Stelle entstand und dann zu seinem heutigen Standort wanderte oder dass er viele kometenartige Bausteine aus den kälteren Regionen des Sonnensystems enthält. Leider durchquerte die Sonde eine ungewöhnlich trockene Region mit wenig Wasserdampf – und so ließ sich nicht auf den globalen Sauerstoffgehalt Jupiters schließen.
Die Frage nach dem Kern
Das hinterließ "ein großes Loch" im Wissen über den Planeten, sagt Tobias Owen von der University of Hawaii in Hilo, der sowohl an der Galileo- als auch der Juno-Mission beteiligt ist. Dieses Mal wollen die Forscher den Wassergehalt in Jupiters Atmosphäre messen, indem sie von dort ausgesendete Mikrowellen nachweisen. Denn die in verschiedenen Tiefen vorhandene Menge an Wasser verändert die Emissionsstärke bei verschiedenen Frequenzen.
Sollte Jupiter tatsächlich ebenso stark mit Sauerstoff wie mit anderen flüchtigen Elementen angereichert sein, spräche dies für einen kälteren, weiter entfernten Ursprungsort. Würden die Forscher dagegen noch mehr Sauerstoff nachweisen, stärkte dieser Fund Modelle, denen zufolge Jupiter in der Nähe seiner jetzigen Umlaufbahn entstand, wobei Wassereis andere flüchtige Elemente einfing. Fällt der globale Sauerstoffgehalt aber so niedrig aus wie bei der Stichprobe aus der Galileo-Mission, "dann sind neue Ideen gefragt", so Bolton.
Alan Boss, Theoretiker an der Carnegie Institution for Science in Washington DC, meint allerdings, dass die An- oder Abwesenheit eines Kerns die Herkunft von Jupiter nicht eindeutig festlegen könnte. Denn es existiere ein alternativer Entstehungsmechanismus, eine so genannte Scheibeninstabilität. Hierbei schrumpft eine dichte, instabile Gaswolke schnell zusammen und bringt einen riesigen Planeten hervor – und dieses Modell funktioniert sowohl mit als auch ohne Kern.
Darüber hinaus, merkt Boss an, könnte sich Jupiters Kern im Lauf der Zeit verändert haben. Und in den Laboren finge man gerade erst an, das Verhalten von stark komprimiertem Wasserstoff zu verstehen. Aus dieser Materie bestünde der Großteil des Planeteninneren und für das Verständnis von Jupiters Struktur sei diese unentbehrlich. "Ausgehend von unserem heutigen Kenntnisstand scheint es eher zweifelhaft, dass Juno klären wird, wie Jupiter entstand", sagt Boss. Bolton entgegnet, dass die Daten sicherlich dazu beitragen werden, die verschiedenen Theorien einzugrenzen.
Kostbare Orbits
Um überhaupt Daten über Jupiter sammeln zu können – wovon die gesamte Debatte bisher ausging –, muss Juno in der unwirtlichen Umgebung des Planeten lang genug überleben. Die Ingenieure planen deshalb die Sonde vor der intensiven Strahlung zu schützen, indem sie die Instrumente hinter aufwändigen, periskopähnlichen Spiegeln platzieren und die gefährdete Elektronik in einer Titanbox verstauen. Dennoch erlaubt das Sondendesign nur 33 polare Umlaufbahnen – einmal alle 11 Tage – bevor die Bordelektronik durch den ständigen Beschuss mit energiereichen Partikeln unbrauchbar und Juno in Jupiter eintauchen wird. Durch den finalen Sturz wollen die Wissenschaftler verhindern, dass die Raumsonde auf den Jupitermond Europa trifft und diesen möglicherweise mit terrestrischen Mikroben verunreinigt.
Juno ist mit insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet, darunter Spektrometer für den Ultraviolett- und Infrarotbereich, ein Magnetometer zur Untersuchung des Magnetfelds sowie Geräte zur Analyse der geladenen Partikel im Jupitermagnetfeld. An Bord der Sonde befindet sich außerdem eine Weitwinkelfarbkamera, die Bilder von der dynamischen Wolkenoberfläche des Gasriesen aufnimmt. Bei der dichtesten Annäherung an Jupiter sollen die Bilder Details ab einer Größe von einem Kilometer enthüllen.
Auf jedem kostbaren Orbit, hofft Bolton, wird sein Team ein wenig mehr verstehen, wie Jupiter entstand – eine Frage, die mit dem Fund vieler jupiterähnlicher Planeten in fernen Sonnensystemen an Dringlichkeit gewinnt. "Jupiter ist unser Prototyp", sagt Bolton, "und zwar der einzige, den wir haben."
Diese Reiseroute sieht die NASA für Juno vor, einer 1,1 Milliarden US-Dollar teuren Mission, die am 5. August starten soll. Läuft alles nach Plan, schwenkt die Sonde in fünf Jahren in eine stark elliptische Umlaufbahn um den Planeten ein. Bei der dichtesten Annäherung – rund 5000 Kilometer über der Wolkenoberfläche – kann sie Jupiters trübe Tiefen erforschen.
Bestandsaufnahme eines Planeten
Auf seinem polaren Orbit wird Juno dem aggressiven Strahlungsgürtel um Jupiters Äquator nur so kurz wie möglich ausgesetzt: In dieser Region beschleunigt das planetare Magnetfeld Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit, was die Bordelektronik empfindlich stören kann. Außerdem erlaubt die polare Umlaufbahn der Sonde eine doppelseitige Ansicht: Von Jupiter weggerichtete Instrumente können den Strahlungsgürtel sowie die magnetischen Felder kartieren, während die auf den Planeten weisenden Geräte dessen undurchsichtige Schichten nach chemischen und gravitativen Hinweisen auf seine Ursprünge hin untersuchen.
Entscheidend bei dieser Suche wird eine Bestandsaufnahme des Sauerstoffs – abgesondert als Wasserdampf in der Jupiteratmosphäre – sein. Sie soll verraten, wo und wann der Planet entstand. Da sich Jupiter wahrscheinlich als erster Planet im Sonnensystem bildete, und weil seine starke Schwerkraft seine anfänglichen Bestandteile an ihrem Platz hielt, besitzen die Ergebnisse der Juno-Mission zudem eine weiter reichende Bedeutung. "Die Geschichte des Wassers im frühen Sonnensystem zu verstehen, ist eine grundlegende Aufgabe – und Jupiter wird uns in Kürze den ersten Anhaltspunkt liefern", sagt Scott Bolton vom Southwest Research Institute in San Antonio, Texas, und leitender Wissenschaftler der Mission.
Im Rahmen der Galileo-Mission spürte eine in die Jupiteratmosphäre stürzende Sonde im Jahr 1995 bereits viele flüchtige Elemente wie Stickstoff und Argon auf – in höheren Anteilen als Forscher durch Jupiters Abstand von der Sonne erwartet hatten. Dieser Fund deutet darauf hin, dass Jupiter entweder an anderer Stelle entstand und dann zu seinem heutigen Standort wanderte oder dass er viele kometenartige Bausteine aus den kälteren Regionen des Sonnensystems enthält. Leider durchquerte die Sonde eine ungewöhnlich trockene Region mit wenig Wasserdampf – und so ließ sich nicht auf den globalen Sauerstoffgehalt Jupiters schließen.
Die Frage nach dem Kern
Das hinterließ "ein großes Loch" im Wissen über den Planeten, sagt Tobias Owen von der University of Hawaii in Hilo, der sowohl an der Galileo- als auch der Juno-Mission beteiligt ist. Dieses Mal wollen die Forscher den Wassergehalt in Jupiters Atmosphäre messen, indem sie von dort ausgesendete Mikrowellen nachweisen. Denn die in verschiedenen Tiefen vorhandene Menge an Wasser verändert die Emissionsstärke bei verschiedenen Frequenzen.
Sollte Jupiter tatsächlich ebenso stark mit Sauerstoff wie mit anderen flüchtigen Elementen angereichert sein, spräche dies für einen kälteren, weiter entfernten Ursprungsort. Würden die Forscher dagegen noch mehr Sauerstoff nachweisen, stärkte dieser Fund Modelle, denen zufolge Jupiter in der Nähe seiner jetzigen Umlaufbahn entstand, wobei Wassereis andere flüchtige Elemente einfing. Fällt der globale Sauerstoffgehalt aber so niedrig aus wie bei der Stichprobe aus der Galileo-Mission, "dann sind neue Ideen gefragt", so Bolton.
Ein weiteres Experiment an Bord von Juno soll herausfinden, ob Jupiter einen Kern besitzt. Viele Theoretiker mutmaßen, dass Eis und Gestein mit einem Gewicht von rund zehn Erdmassen notwendig seien, um das reichliche Anlagern von Wasserstoff- und Heliumgas zu ermöglichen, aus denen der Planet heute zum Großteil besteht. Die Wissenschaftler wollen nach subtilen Auswirkungen fahnden, die ein Kern durch seine Anziehungskraft auf die Flugbahn der Raumsonde ausüben würde.
Alan Boss, Theoretiker an der Carnegie Institution for Science in Washington DC, meint allerdings, dass die An- oder Abwesenheit eines Kerns die Herkunft von Jupiter nicht eindeutig festlegen könnte. Denn es existiere ein alternativer Entstehungsmechanismus, eine so genannte Scheibeninstabilität. Hierbei schrumpft eine dichte, instabile Gaswolke schnell zusammen und bringt einen riesigen Planeten hervor – und dieses Modell funktioniert sowohl mit als auch ohne Kern.
Darüber hinaus, merkt Boss an, könnte sich Jupiters Kern im Lauf der Zeit verändert haben. Und in den Laboren finge man gerade erst an, das Verhalten von stark komprimiertem Wasserstoff zu verstehen. Aus dieser Materie bestünde der Großteil des Planeteninneren und für das Verständnis von Jupiters Struktur sei diese unentbehrlich. "Ausgehend von unserem heutigen Kenntnisstand scheint es eher zweifelhaft, dass Juno klären wird, wie Jupiter entstand", sagt Boss. Bolton entgegnet, dass die Daten sicherlich dazu beitragen werden, die verschiedenen Theorien einzugrenzen.
Kostbare Orbits
Um überhaupt Daten über Jupiter sammeln zu können – wovon die gesamte Debatte bisher ausging –, muss Juno in der unwirtlichen Umgebung des Planeten lang genug überleben. Die Ingenieure planen deshalb die Sonde vor der intensiven Strahlung zu schützen, indem sie die Instrumente hinter aufwändigen, periskopähnlichen Spiegeln platzieren und die gefährdete Elektronik in einer Titanbox verstauen. Dennoch erlaubt das Sondendesign nur 33 polare Umlaufbahnen – einmal alle 11 Tage – bevor die Bordelektronik durch den ständigen Beschuss mit energiereichen Partikeln unbrauchbar und Juno in Jupiter eintauchen wird. Durch den finalen Sturz wollen die Wissenschaftler verhindern, dass die Raumsonde auf den Jupitermond Europa trifft und diesen möglicherweise mit terrestrischen Mikroben verunreinigt.
Juno ist mit insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet, darunter Spektrometer für den Ultraviolett- und Infrarotbereich, ein Magnetometer zur Untersuchung des Magnetfelds sowie Geräte zur Analyse der geladenen Partikel im Jupitermagnetfeld. An Bord der Sonde befindet sich außerdem eine Weitwinkelfarbkamera, die Bilder von der dynamischen Wolkenoberfläche des Gasriesen aufnimmt. Bei der dichtesten Annäherung an Jupiter sollen die Bilder Details ab einer Größe von einem Kilometer enthüllen.
Auf jedem kostbaren Orbit, hofft Bolton, wird sein Team ein wenig mehr verstehen, wie Jupiter entstand – eine Frage, die mit dem Fund vieler jupiterähnlicher Planeten in fernen Sonnensystemen an Dringlichkeit gewinnt. "Jupiter ist unser Prototyp", sagt Bolton, "und zwar der einzige, den wir haben."
© Nature
Nature, 10.1038/d41586-023-03325-7, 2023
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