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Kommentare - - Seite 936

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Antibiotika prophylaktisch?

    11.01.2012, Erich Hannak
    Ist es nicht so, dass in der Massentierhaltung aus Angst vor massiven wirtschaftlichen Verlusten im Fall eines Krankheitsausbruchs ständig Antibiotika dem Futter beigemischt werden?
    Das hat dann wohl die Konsequenz, dass mehr und mehr resistente Keime entstehen.
    Es ist an der Zeit, dass durch entsprechende Gesetze in der Tierzucht die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika verboten wird.
  • Schuld sind immer die anderen

    11.01.2012, Dr.Hans-Joachim Scheel
    Solange eine unfähige und überforderte Verbraucherschutz-Ministerin auch noch das Landwirtschaftsressort inne hat, ist DAS das Hauptproblem: SIE tut NICHTS, reagiert immer zu spät und lässt ihren Worten NIE Taten folgen: Weg mit SOLCHEN Leuten!!
  • Diskussionsbeitrag zum Thema "Vernunft - Glaube"

    11.01.2012, Prof. Dr. Bernhart Ohnesorge
    Speziell zu der in der Einleitung zu Heft 1/12 gestellten Frage „neigen Sie eher (dem Atheisten) Kroto oder (dem Christen) Planck zu“

    Kroto argumentiert als Naturwissenschaftler. Die Tatsache, dass Gott mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar ist, ist für ihn ein hinreichender Beweis dafür, dass er nicht existiert. Hierin sehe ich einen Schwachpunkt seiner Argumentation. Wie ich im Folgenden darzulegen versuche, ist eine Unmöglichkeit, etwas mit einer bestimmten Methode nachzuweisen, noch kein Beweis für seine Nichtexistenz. Man kann also die Nichtexistenz Gottes ebenso wenig mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen wie seine Existenz. Man kann an beides glauben. Mithin ist Krotos Auffassung gleichfalls ein Glaube, ein Glaube, den er mit gleicher Unduldsamkeit wie ein christlicher oder islamischer Fundamentalist vertritt.

    Ich möchte meine Ansicht mit einer Reihe von Argumenten untermauern, angefangen mit dem Aufzeigen der Grenzen unseres Vorstellungsvermögens bis hin zu den Grenzen der naturwissenschaftlichen Kausalanalyse und dabei diejenigen Gründe nennen, die mich zum Glauben an Gott veranlassen.

    1. Wenn wir die uns umgebende Wirklichkeit auf ihre Kausalität hin untersuchen, so stoßen wir sehr schnell auf Bereiche, die sich der direkten Wahrnehmung entziehen, und schließlich sogar auf Bereiche, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen. Die hier auftretenden Phänomene können in einem scheinbar unlösbaren logischen Widerspruch zueinander stehen. Einfaches Beispiel: Das, was wir als Licht wahrnehmen, erscheint bei näherer Analyse je nach der angewendeten Methodik einmal als Welle, das andere Mal als Teilchen. Beides lässt sich in unserer Vorstellung nicht miteinander vereinbaren: Ein Teilchen kann hier nicht gleichzeitig eine Welle sein. Wir müssen also annehmen, dass beiden Phänomenen ein Etwas zu Grunde liegt, das sich je nach der Fragestellung bzw. angewendeten Methode entweder als Welle oder als Teilchen manifestiert und das sich unserem Vorstellungsvermögen entzieht. Fazit: In der Wirklichkeit gibt es Bereiche, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen.

    2. Verfolgen wir Kausalketten beginnend mit dem Bereich der Quantenphysik über diejenigen der physikalischen Chemie. Chemie, Molekularbiologie zur Biologie, so stoßen wir auf Strukturen immer höherer Organisationsstufe und gleichzeitig immer größerer Komplexität. An der Spitze finden wir uns selbst, den Menschen als Einzelwesen sowie in den mannigfaltigen Formen seines Zusammenlebens. Die Frage erhebt sich nun: Endet die Kausalkette hier, oder müssen wir mit einer Schicht der Wirklichkeit rechnen, die noch höher organisiert ist und in der infolgedessen eine noch höhere Vernunft herrscht, als sie uns gegeben ist? Derjenige, dem es vermessen erscheint, sich selbst als das höchste denkbare Wesen, gewissermaßen als die Krone allen Seins anzusehen, wird der zweiten Auffassung zuneigen.

    3. Naturwissenschaft, sofern sie sich nicht auf die pure Beschreibung von Phänomenen beschränkt, will deren Ursachen analysieren; m. a. W., die Kausalanalyse ist ihr eigentliches Feld. Mit Recht beschränkt sie sich darauf, denn nur sie erlaubt, beweiskräftige Aussagen zu treffen. Teleologische Fragestellung, Fragen nach einem Ziel und Sinn bleiben ausgeklammert. Ein Fehler wäre es indessen, aus dieser – methodisch bedingten – Selbstbeschränkung abzuleiten, dass es im Weltgeschehen kein Ziel und keinen Sinn geben könne, dass also alles, was prinzipiell nicht durch Kausalanalyse erfasst werden kann, nicht existiere. Wer so argumentiert, gerät zuweilen in einen Erklärungsnotstand, denn es gibt zahlreiche Vorgänge, die offensichtlich zielgerichtet sind. Wenn ich meinem Gegenüber eine Information zukommen lassen will, setze ich eine Kausalkette in Gang: Mein Gehirn sendet Nervenimpulse zu meiner Sprachmuskulatur, die wiederum Schallwellen erzeugt, die wiederum das Trommelfell meines Gegenübers in Schwingungen versetzen, wodurch über die Druckschwankungen im Innenohr die dort vorhandenen Sinneszellen in Erregung versetzt werden, die über den Hörnerv in das Gehirn gelangt und dort zu der beabsichtigten Information verarbeitet wird. Das heißt, diese (sehr vereinfacht dargestellte) Kausalkette hat von vornherein ein Ziel. Dieses Dilemma ließe sich allerdings dadurch lösen, dass mein Entschluss, eine Information zu senden, selbst als das Endergebnis zahlloser komplexer Prozesse auf molekularer Ebene angesehen wird. Dies bedeutet aber: Wer die Welt und die in ihr ablaufenden Vorgänge rein kausalanalytisch deuten will, muss zwangsläufig das Vorhandensein jeden freien Willens abstreiten.

    4. Aus dem eben Gesagten ergibt sich jedoch ein neues Dilemma: In der streng kausalanalytischen Argumentation erscheinen die subjektiven Elemente meiner Mitteilung an mein Gegenüber – also die Gedanken, die zu meinem Entschluss führen, die Emotionen, die meine Mitteilung in meinem Gegenüber hervorruft – für die kausale Erklärung des Vorgangs völlig überflüssig, nur unwesentliche Begleiterscheinungen. Aus den molekularen Prozessen, die dem Vorgang zu Grunde liegen, kann man nicht ableiten, dass es sie überhaupt gibt. Ja, ein extraterrestrischer Beobachter, der nur die Prozesse auf der molekularen Ebene erfassen kann, müsste den Gedanken, dass es so etwas wie Empfindungen gibt, als unwissenschaftlich ablehnen. Allenfalls könnte er eine gewisse Zweckmäßigkeit erkennen; dass dieser aber ein Denkvorgang zu Grunde liegt, müsste er abstreiten. Das Dumme ist nur: Unser Bewusstsein, unsere Empfindungen und unser Denken existieren trotzdem; das kann niemand leugnen. Fazit: Unser subjektiv erlebtes Ich, unser Fühlen, Empfinden, Denken, Planen, Wollen, lässt sich naturwissenschaftlich beziehungsweise kausalanalytisch nicht beweisen, nur erfahren.

    5. Was für die Wirklichkeitsebene unseres Bewusstseins gilt, sollte erst recht für den darüber liegenden Bereich der Wirklichkeit – sofern es ihn gibt – gelten. Man kann ihn nicht beweisen, nur erfahren. Wie kann man ihn erfahren? Nun, zum einen über die Vernunft. Wenn man die Naturprozesse, die im Einzelnen meist ungerichtet und zufallsbedingt abzulaufen scheinen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, so kann man sehen, dass sie sich auf ein (uns unbekanntes) Ziel hin entwickeln, offenbar zielgerichtet ablaufen. Wie Max Planck feststellte, legt dies den Gedanken an eine übernatürliche ordnungsstiftende Kraft nahe. - Zu denken gibt ferner die Tatsache, dass in allen Kulturen der Glaube an übersinnliche Mächte sowie das Bestreben, mit ihnen Verbindung aufzunehmen, vorhanden sind. Diese Empfindung für das Wirken übersinnlicher Kräfte, die offenbar in allen Menschen angelegt und vielleicht in Vorstufen auch in einigen höheren Tierarten vorkommt, ist die Basis für das Entstehen aller Religionen. – Und schließlich sind da die Erfahrungen, die einzelne Menschen gemacht haben. Erfahrungen sehr unterschiedlicher Intensität, von der einfachen Empfindung, dass in besonderen Situationen, die man erlebt, göttliches Walten geherrscht hat, etwa bei der Errettung aus großer Gefahr, bis hin zu den Visionen, die Propheten und die großen Religionsgründer erlebt haben. Gewiss, man kann auch diese Visionen rein natürlich deuten, was aber keineswegs ausschließt, dass sie nicht letztlich Ausdruck eines göttlichen Willens sind. Die Nervenimpulse, die unsere Muskulatur zu bestimmtem Handeln veranlassen, haben alle eine physikalisch-chemische Basis; aber es steht unser bewusster Wille dahinter. Alle diese Erfahrungen stellen keinen Beweis im klassischen Sinn dar, aber sie sind eine ausreichende Basis dafür, dass unser Glaube an eine göttliche Macht ein hinreichend begründeter Glaube ist.

    6. Es widerstrebt der menschlichen Natur, sich mit der Tatsache abzufinden, dass es Dinge gibt, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen. Will sich der menschliche Geist eingehender mit ihnen beschäftigen, so schafft er sich in seiner Vorstellung Bilder von ihnen, die leichter zu begreifen und zu durchdenken sind. Auch eine so exakte Wissenschaft wie die Theoretische Physik folgt dieser Vorgehensweise. Das Atommodell eines von einem oder mehreren Elektronen umkreisten Kernes von Niels Bohr ist ein solches Bild, das die uns unvorstellbare Realität uns begreifbar macht. So ist es nur natürlich, dass in allen Kulturen die göttliche Macht in einer Vielzahl von Bildern unterschiedlichster Art vorgestellt und zum Teil auch bildliche dargestellt wurde. In den drei großen monotheistischen Religionen ist dies das Bild eines persönlichen, nach Menschenart handelnden Gottes. In zwei dieser Religionen - der jüdischen und dem Islam – ist die bildliche Darstellung Gottes verboten. Eine weise Vorschrift, denn mit der bildlichen Darstellung wächst die Gefahr, dem Gottesbild allzu menschliche Züge zu verleihen und damit auch göttliches Handeln nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen. Die im Grunde unlösbare Frage der Theodizee, der Rechtfertigung Gottes angesichts des vielen Leidens, Elends und Ungerechtigkeit auf der Erde entspringt einer solchen vermenschlichenden Vorstellung. Wenn der Prophet Jesaja (55, 8-9) sagt: „… meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“ spricht der Herr „sondern so viel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken denn eure Gedanken“, so ist damit ausgedrückt, dass sich göttliches Handeln jedem Versuch einer Rechtfertigung entzogen ist.

    Eine der vornehmsten Aufgaben der Theologie sollte daher sein, die biblischen Texte daraufhin zu analysieren, was an ihnen zeit- und kulturbedingtes Bild, also Mythos beziehungsweise in christlicher Terminologie Gleichnis ist und dabei ihre überzeitliche Kernaussage herauszuarbeiten.


  • Die Notwendigkeit einer zweiten Aufklärung

    11.01.2012, Helmut Hansen
    Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass der Glaube an eine transzendente Dimension des Seins Menschen auch heute noch umtreibt. Es gibt wohl kaum einen Gegenstandsbereich, der emotional so polarisierend ist wie dieser. Die beiden vorausgegangenen Kommentare belegen dies auf eine sehr eindrückliche Weise. Die Existenz dieses Bereichs wird ebenso heftig bestritten, wie sie behauptet wird. Doch bis heute gibt es nicht die allergeringste objektive Grundlage für oder gegen die Existenz dieser transzendenten Sphäre.

    Es ist eine historisch seltsam anmutende Tatsache, dass gerade der Gegenstandsbereich, der allem zu Grunde liegen soll, bis heute wissenschaftlich unaufgeklärt geblieben ist. Wir haben die Struktur der Materie aufklären können, den Kode des Lebens entschlüsselt und sind im Begriff, die Energie der Sonne zu bändigen, doch das Transzendente ist nach wie vor Gegenstand diffuser Überzeugungen.

    Um seine Existenz zu behaupten, beziehen wir uns auf Texte, deren Ursprünge sich im Dunkel der Zeit verlieren. Als Papst Johannes Paul II. 1998 seine Enzyklika FIDES et RATIO publizierte, war dies zugleich der Ruf nach einer modernen Metaphysik - ein Ruf, der bis heute allerdings unbeantwortet geblieben ist.

    Doch Metaphysik als Wissenschaft ist möglich! Was sie möglich macht, sind gerade jene Eigenschaften, die auch dem christlichen GOTT zugeschrieben worden. Es sind beispielsweise Eigenschaften wie die der ALLGEGENWART (Psalm 139 und der UNSICHTBARKEIT (Röm 1, 20).
    Es sind diese speziellen Eigenschaften, die das Transzendente von allen uns bekannten Forschungsgegenständen unterscheiden. Doch bis heute ist niemand systematisch der Frage nachgegangen: Wie muss eigentlich ein Universum aussehen, wenn sein letzter und ultimativer Grund durch diese speziellen Eigenschaften charakterisiert sein soll?

    Es ist unmittelbar einsichtig, dass ein Universum mit unsichtbarem Grund sehr speziellen Bedingungen genügen muss. Der Physiker Albert Einstein hat sich stets die Frage gestellt, ob Gott bei der Schaffung des Universums eine Wahl hatte - oder ob spezielle Bedingungen, wie die der logischen Einfachheit, überhaupt eine Wahl zuließen. Es ist nahe liegend anzunehmen, dass Gott, wenn er auf der Bühne des sichtbaren Universums unsichtbar bleiben wollte, dasselbe auf eine sehr spezielle Weise einzurichten hatte.

    Die durch die vorgenannten Eigenschaften diktierten Bedingungen lassen sich in der Tat spezifizieren - mit dem höchst überraschenden Ergebnis, dass u-n-s-e-r Universum eben diese Bedingungen empirisch (!) zu erkennen gibt; wenigstens näherungsweise.

    Diese Art von wissenschaftsorientierter Metaphysik hat indessen einen Preis: Wenn die UNSICHTBARKEIT dieses ultimativen Grundes das ebenso zwangsläufige wie natürliche Ergebnis einer spezifischen Konzeption des Universums ist, dann wäre es einem solchermaßen definierten Gott nicht länger möglich, sichtbar in Erscheinung zu treten - weder zu Beginn noch am Ende der Zeit. Unsichtbarkeit wäre, so verstanden, eine temporär unaufhebbare Eigenschaft Gottes.
    Mit anderen Worten: Eine moderne Metaphysik, die diesem Gedanken folgt und Bestand hätte, würde dramatische Folgen für unser Gottesbild haben.

    Ob unsere "aufgeklärte" Gesellschaft an derlei Untersuchungen Interesse hat, ist indessen eine offene Frage.
  • Ein umfassendes Problem

    11.01.2012, Sören Schewe
    Richtig, Antibiotikaresistenzen sind ein umfassendes Problem, sogar derart umfassend, dass wir vor lauter Kritik an der Landwirtschaft diesbezüglich nicht vergessen sollten, dass hier auch die Humanmedizin eine wenig rühmliche Rolle spielt. Die Akteure mögen andere sein, das Problem ist es aber nicht. Genau das steht im obigen Kommentar. Dass es in der Landwirtschaft weniger Forschung, Handlungswillen, Leitlinien oder gar Öffentlichkeit gäbe, kann ich übrigens nicht bestätigen. Wann hast Du denn zuletzt etwas über Krankenhauskeime gelesen/gesehen? Über "Massentierhaltung" lese ich ständig.
  • Kritik an der reinen Unvernunft

    11.01.2012, Martin Schmaude, Esslingen
    Worum geht es eigentlich in diesem Artikel? Es geht um zwei Grundtexte (die allerdings im Laufe der Jahrhunderte mannigfaltigste Umgestaltungen und Verkehrungen erfahren haben): Das Alte Testament und das Neue Testament. Darum herum wurde ein unglaublicher Wust von Sekundärliteratur geschaffen. Diese wiederum hatten und haben hauptsächlich das Ziel die Grundaussagen der Urtexte zu interpretieren und im Großen und Ganzen als wahr darzustellen. Ein für den modernen Geist unerhörter und unglaublicher Vorgang! Man stelle sich vor, beinahe alle Betrachtungen, Besprechungen, Diskurse, Klubs, Foren, Bücher die über STAR TREK geschrieben, gedreht oder anderweitig publiziert wurden hätten zum Ziel den Grundwahrheitsgehalt dieser Serie zu beweisen. Das Ganze wäre der völligen Lächerlichkeit preisgegeben. Nicht so bei den genauso fantastischen, ungereimten und unsinnigen Erzählungen der beiden Bibelteile. Beinahe unwillkürlich kommt mir dabei Monty Python in den Sinn: „Betet den Schuh an!“
    Das Gedankenspiel darf erlaubt sein: Was, wenn im Alten Testament tatsächlich durch historische Gründe bedingt kein unsichtbarer Gott, sondern ein Schuh angebetet werden würde und im Neuen Testament sagen wir, ein Schuhmachersohn für die Erlösung der Welt (was immer das sein soll) geopfert werden würde? Nun, man darf annehmen, dass die Theologie durchaus auch dies mit hermeneutischen Zirkeleien zu untermauern versuchen würde. Mit anderen Worten: Ganz gleich, was in den Grundtexten auch für Aussagen stehen mögen, würde eine entsprechende Theologie mit aller Macht versuchen, diese Aussagen zu rechtfertigen. Der Inhalt ist also gänzlich unwichtig, nur die Beweisführung ist wichtig. Was für eine Schande!

    Bereits die Tatsache der im Lauf der Zeiten völlig unterschiedlichen religiösen und vorreligiösen spirituellen Systeme zeigt, dass Inhalte hier völlig irrelevant sind (und irr genug). Animismus, Schamanismus, Hinduismus, der Glaube der alten Ägypter, der Sumerer, Vielgötterei oder die Vorherrschaft weiblicher Gottheiten in so genannten Gartenbaukulturen zeigen doch schlagkräftig, wie unsinnig es ist, Inhalte (theologisch oder sonst wie) beweisen zu wollen. Es handelt sich ganz einfach bei all diesen literarischen Schöpfungen um historisch bedingte irreale Räume, die der menschliche Geist durchschwirrt und erfindet!

    Zu einzelnen Abschnitten im Artikel:

    „Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaub so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, mit den Vernunfterkenntnissen der Philosophie und sogar mit sich selbst?“
    Man muss unbedingt noch ergänzen: Mit den Glaubensvorstellung praktisch aller anderen religiösen Systeme und der auch in krassem Widerspruch zur so genannten Alltagsvernunft steht, die z.B. davon ausgeht, dass das, was immer im bekannten Lebensraum geschieht, auch im unbekannten geschieht (z.B. dass Menschen nicht vom Tod wiederaufstehen wie Lazarus).
    Aber wem fällt da nicht fast automatisch Tertullian ein, der da schrieb:
    »Gestorben ist Gottes Sohn; es ist ganz glaubhaft, weil es ungereimt (ineptum) ist. Und begraben, ist er auferstanden: es ist gewiss, weil es unmöglich ist.«
    De carne Christi V.
    Bei allem Respekt, aber eine Person, die solches von sich gibt, würde in einem anderen Kontext als schwer psychisch krank und dissoziiert gelten. Völlig fehlender Realitätsbezug. Vernunft aber hat doch mit Realität eine äußerst innige Beziehung. Das kann man vom Christentum (und anderen Religionen) wohl kaum behaupten.
    „Die Texte der Bibel oder der frühen Konzilien sind in einer ganz anderen Zeit als der unsrigen geschrieben worden, mit anderen Absichten und Zielen, mit einem anderen geistigen Horizont. Nur selten ist es ihre Hauptabsicht, von einem historischen Geschehen zu berichten. Meist gehören sie zu anderen literarischen Gattungen.“

    Nun, ich würde mal sagen sie gehören zusammen mit der Bibel hauptsächlich mal in die Gattung „Phantastische Literatur“. Ihr Wahrheitsgehalt dürfte den eines „Herrn der Ringe“ kaum übersteigen.
    Interessanterweise gibt es ja wohl Hinweise darauf, dass z.B. das fünfte Buch Moses von den damaligen Priestern eigenhändig geschrieben, dann versteckt und hernach (Tusch) von denselben „gefunden“ wurde um es als große Göttliche Offenbarung herauszubringen. Literatur, die vorgibt eine Offenbarung zu sein bleibt natürlich trotzdem Literatur. Etwas, was die Theologie wohl nicht begreifen möchte!

    „Das hermeneutische Problem hat sich seit der Antike weiterentwickelt. Heute liegen ausgearbeitete philosophische Hermeneutiken und Interpretationstheorien vor. Sie ermöglichen eine sorgfältige und methodisch kontrollierte Analyse, Einordnung und Interpretation biblischer Texte.“

    Richtig! Und auch hier wird damit der Status der Bibel als Literatur (und nicht als Offenbarung und nicht als Wahrheit) deutlich. Literatur, derentwegen eine unglaubliche Menge an Sekundärliteratur entstanden ist und für die schrecklichste und blutigste und menschenunwürdigste Taten vollbracht worden sind.

    „Exegeten müssen einen Text also dahin gehend sortieren, was als direkter Aussageinhalt gelten kann (zum Beispiel die Schöpfung durch Gott) und was der bildhaften Ebene zuzurechnen ist (der Schöpfungsablauf in sechs Tagen).

    Woher nehmen die Exegeten denn die Unverschämtheit zu behaupten, die Welt sei durch Gott geschaffen worden? Auch dies sind, wie die Behauptung (die im Übrigen durchaus lange genug wortwörtlich geglaubt wurde) die Welt sei in sechs Tagen erschaffen worden, nur Worte auf Pergament. Mit anderen Worten: Literatur!

    Nach einem Absatz über die Theodizee kommt der Autor zum Schluss: „Dann besteht zumindest für das harte, logisch Problem des Übels (logical problem of evil) Aussicht auf Lösung: Dass der gute Gott um das bestehende Übel weiß, es ändern kann und will, erzeugt keinen harten Widerspruch mehr.“

    Was für eine Peinlichkeit. Hier wird mit allerlei (für mich schwer nachvollziehbaren) Winkelzügen etwas wegdiskutiert, um die Sehnsucht des Menschen nach der großen Vatergestalt zu befriedigen. Hier kann man eigentlich nur noch kurz an Ockhams Rasiermesser erinnern und sich hernach mit Grausen Abwenden.

    „Theologen dagegen müssen beurteilen, ob die Kernaussagen selbst angemessen und die Theorien theologisch adäquat sind.“

    Zumindest den ersten Teil dieser Aussage werden die Theologen ganz sicher NICHT erfüllen. Im Gegensatz zu den Wissenschaften dürften Theologen nämlich die Grundaussagen NICHT hinterfragen, sonst definieren sie sich sofort selbst weg (oder verwandeln sich in Literaturhistoriker, s.o.). Dies wird ja schön im Streitgespräch zwischen Herrn Voland und Herrn Löffler deutlich: „Das ist im dogmatisch geschlossenen Universum nicht möglich. Da wird derjenige anerkannt, der seine Dogmen nicht streng überprüft, sondern bestenfalls hermeneutisch interessant auslegt.“ (S. 65) und: „Auch Wissenschaftler machen unhinterfragbare metaphysische Annahmen. Aber sie sind offen für Revision.“ Dies beantwortet auch die hinterlistig eingefügte Bemerkung des Autors zu Habermas! (S. 61) Mehr ist dazu nicht zu sagen.

    „Gerade weil der christliche Glaube beansprucht, wahr zu sein, muss er davon ausgehen, dass er Ergebnissen der Naturwissenschaften nicht wirklich widersprechen kann.(*) Denn wenn beides wahr wäre, Glaube und wissenschaftliche Erkenntnis, und beides sich widerspräche, müsste es zwei sich widersprechende Wahrheiten geben. Das ist aber offenkundig unmöglich. Die entscheidende Frage lautet hier, ob der Glaube seinen Wahrheitsanspruch auch berechtigterweise erheben kann.“

    Ein feiner Absatz und eine feine Analyse. Und was bekommen wir als Antwort? „Es ist schwierig, die Frage nach der Wahrheit des Glaubens von außen zu beantworten." Das ist eine glatte Ohrfeige an jeden realistisch wissenschaftlichen Geist! Verzeihung, aber für wie dumm möchte uns der Autor denn verkaufen? Das ist doch wohl ein klassischer Zirkelschluß. Wenn nicht von außen, wie soll denn Wahrheit dann beantwortet werden? Die Aussage (Christentum = wahr) wird von bestimmten Personen postuliert und dann sagen uns diese Personen, dass es doch etwas schwierig wäre, die Wahrheit dieser Aussage außerhalb dieses Personenkreises zu beantworten. Uff. Auch der nächste Absatz arbeitet mit einem äußerst cleveren Argument: Wir sind vielleicht keine Wissenschaft, aber wir sagen mal, wir wären eine, und der Beweis, dass wir keine sind, wird sicher nicht vor dem Sanktnimmerleinstag erbracht werden. Bis dahin machen wir einfach weiter (und kassieren Steuergelder).

    Zum Abschluß dieses Abschnitts noch so eine kleine Unverschämtheit: „Und schließlich geht es um eine der Gründungsdisziplinen im abendländischen Universitätskanon.“ Sehr gut. Die Theologie leitet ihren Anwesenheitsanspruch an den Universitäten also nicht aus ihrer Wissenschaftlichkeit her (denn die kann sie nicht beweisen), sondern aus der Historie. Gewohnheitsrecht gegen Sinnhaftigkeit sozusagen. Oder eine andere Spielwiese der Kirche(n) auf denen diese Tendenzbetriebe öffentliche Gelder für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.

    „Es schreibt der göttlichen Schöpfermacht zu, logos zu sein – was nicht nur Wort bedeutet, sondern auch Vernunft oder Sinn“ In einem ca. 1800 bis 2000 Jahre alten Text wird vom Wort Gottes geschrieben. Eine Konnotation dieses Wortes ist „Vernunft“. Nun will uns der Autor doch tatsächlich weismachen, dass diese konnotative Bedeutung mit der übereinstimmt, die unser heutiges (nachaufklärerisches) Wort „Vernunft“ hat? Schreibt er nicht weiter oben selbst: „Die Texte der Bibel oder der frühen Konzilien sind in einer ganz anderen Zeit als der unsrigen geschrieben worden, mit anderen Absichten und Zielen, mit einem anderen geistigen Horizont.“?

    „Auf einen Punkt gebracht: Eine Religion, deren Gott vom Wesen her vernünftig ist, wird sozusagen von ihrer höchsten Instanz her auf ein positives Verhältnis zur Vernunft festgelegt.“
    Hierzu möchte ich kommentarlos folgendes Zitieren:
    „Es liegt vor, dass du, Galileo, Sohn des sel. Vincenzio Galileo aus Florenz [] angezeigt wurdest, dass du die von einigen gelehrte falsche Doktrin, die Sonne sei der Mittelpunkt der Welt und stehe still und die Erde bewege sich auch in einer täglichen Bewegung, für wahr hieltest; [] dass Du auf die der Heiligen Schrift entnommenen Einwände, die dir bisweilen entgegengehalten wurden, antwortetest, indem du besagte Schrift deinem Sinn gemäß auslegtest; [] Wir sagen, verkünden, urteilen und erklären, dass du dich, obengenannter Galileo, [] diesem Hl. Offizium der Ketzerei dringend verdächtig gemacht hast, nämlich dass du die falsche und den Heiligen und göttliche Schriften widersprechende Lehre für gültig gehalten und geglaubt hast, wonach die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei [] und infolgedessen hast du dir alle kirchlichen Strafen und Bußen zugezogen, die von den Kirchensatzungen [] auferlegt und gegen sie verkündet werden. Wir sind es zufrieden, dass du von ihnen freigesprochen werdest, vorausgesetzt, dass du zuvor [] den obengenannten Irrtümern und Ketzereien und jeglichem anderen Irrtum und jeder Ketzerei wider die Katholische und Apostolische Kirche abschwörst, sie verfluchst und verabscheust [](1)

    Zum Abschluss möchte ich noch folgende Bemerkung machen. Dieser Versuch, Theologie, und mithin das gesamt Christentum zu einer „rationalen“ Religion zu erheben sind nichts anderes, als letzte Anpassungen und Rückzugsgefechte! Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, so gleiche dich ihm an! Die Aufklärung und das wissenschaftlich rationale Denken sind nicht durch oder wegen des Christentums in die Welt gekommen, sondern TROTZ und GEGEN dieses!
    Erst mit dem Auftauchen von Aufklärung und Humanismus begann die Christenheit, all die unglaublichen Verstiegenheiten der biblischen „Berichterstattung“ als „Metaphern“ und „Bilder“ zu deuten, die für etwas anderes stünden, als für die wortwörtlich zu glaubende Wahrheit. Hier versucht sich eine völlig überkommene Geisteshaltung ein neues Mäntelchen umzulegen, um weiter ihr Unwesen treiben zu dürften. Seien wir auf der Hut!
    Oder, um mit Thomas von Aquin zu enden, „wonach die Vernunft zum Gipfel irdischer Tugend leiten könne, wie den Alten geschehen, aber nur Glaube und übernatürliche Gnade […] über die Vernunft hinaus zum Sitz Gottes leiten könnten.“(2)
    Verzichten wir doch weise auf den letzten Teil der Reise!

    (1) „Urteil und Abschwörung, von 22. Juni 1633“ Übers. Christian Wagner, in Galileo Galilei; Schriften, Briefe, Dokumente, Hrsg. Anna Mudry, Band 2, Berlin 1987, S. 205-209
    * Schreibt der Autor nicht gleich zu Beginn seines Artikels, „Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaub so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, [...] mit sich selbst?“ Ja, was denn nun?
    (2) J. Campbell „Schöpferische Mythologie“ Basel 1992 S. 141

    Stellungnahme der Redaktion

    Das Argument von Herrn Schmaude setzt schon voraus, was es zeigen will: Dass es sich bei Star Trek und der Bibel um Vergleichbares handelt. Es sind aber Bücher mit ganz verschiedenen Intentionen, die aus ganz unterschiedlichen Lebenszusammenhängen stammen. Star Trek ist (gut gemachte!) Unterhaltungsliteratur, die Bibel vor allem Glaubenszeugnis. Star Trek erhebt keinen Geltungsanspruch, die Bibel schon (wobei es aber nicht primär darum geht, ob paranormale Phänomene wirklich so stattgefunden haben). Dass man mit beidem ganz verschieden umgeht, versteht sich von daher von selbst.

    Christian Tapp

  • Was sind denn für Sie die Kriterien für Menschenwürde, Herr Unkelbach?

    11.01.2012, Dr. Roland Pardon
    Herr Unkelbach, warum sollte die Menschenwürde von der prominenten Stelle im Artikel 1 in die bloß einleitende Präambel verschoben werden? Woher haben Sie Ihr anscheinend ja sehr ausgiebiges Wissen über die Menschenwürde, und wem sie zukommt? Können Sie es so erklären, dass ein Zweifler das nachvollziehen kann? Oder können Sie sich bloß auf die Antwort zurückziehen: Wenn Sie es nicht wissen, dann kann ich es Ihnen auch nicht erklären. (In Klammern, wenn Sie so ein verworfenes Subjekt sind, dass Sie nicht FÜHLEN, dass ich im Recht bin, dann disqualifizieren Sie sich selber.) Wenn Sie das sagen würden, kann Ihnen jeder mit Fug und Recht entgegenhalten, dass Sie frech und impertinent die Regeln des Disputes verletzen. Dann würden Sie (nicht vorhandene?) Gründe durch unverschämte Diffamierung ersetzen.

    Aber Sie sind sicher ein fairerer Disputant. Deshalb frage ich Sie, woran erkenne ich, dass ein Demenzkranker, ein Neugeborenes, oder ein 7 Tage alter Fötus in der gleichen Weise und im gleichen Maße Menschenwürde hat wie ein gesunder Erwachsener? Offenbar sind die Unterschiede sehr augenfällig; Gemeinsamkeiten, z.B. des humanen Fötus mit dem eines Schweines sind auch zunächst augenfällig - wo liegen also Ihre Kriterien? Auf Ihre Gründe bin ich gespannt. Aber bitte solche Gründe, die jeder in dieser Gesellschaft verstehen und als gültig anerkennen kann, auch Atheisten wie ich.
    Mit der Antwort auf die vorige Frage hätten Sie dann auch die Frage nach dem ominösen Wesen der Würde, die Sie aufwarfen, beantwortet. Gegenstand von Dahls Artikel war die Schwierigkeit, solche Kriterien zu nennen - deshalb bin ich besonders gespannt.

    Noch ein Literaturhinweis: Franz Josef Wetz, Illusion Menschenwürde - Aufstieg und Fall eines Grundwertes, Klett-Cotta, 2005.
  • "Glaube ist die Illusion zu wissen, was niemand wissen kann."

    11.01.2012, Rainer Rosenzweig, Nürnberg
    Dass sich Spektrum als populärwissenschaftliches Magazin dem Thema "Vernunft vs. Religion" widmet, ist mutig und äußerst begrüßenswert. Die Wissenschaft sollte nicht länger so tun als finde sie im wertfreien Raum, im "Elfenbeinturm", statt und könne sich abkoppeln von jeglicher Weltbild-Diskussion. Das ist verfehlt und verhilft nur Fanatikern und Fundamentalisten aufs Schild, die dann unwidersprochen das Blaue vom Himmel herunter behaupten können, sei es noch so absurd und längst durch Fakten und Erkenntnisse widerlegt.

    Durch das Interview ist neben einem religiösem Standpunkt auch ein nichtreligiöser vertreten, insofern ist das Thema auch halbwegs ausgewogen behandelt, sofern das in der gebotenen Kürze überhaupt möglich ist. Den Hauptartikel einem Theologen zu überlassen, ist ein nahe liegender Gedanke der Redaktion. Allerdings weisen die einseitig aus der christlichen Ecke heraus formulierten Gedanken des Artikels von Herrn Tapp – obwohl sehr zurückhaltend und unter Einbeziehung kritischer Argumente vorgebracht – so viele Schwächen und Angriffspunkte auf, dass man sich wohl doch eher einen allgemeinen, vielleicht eher religionswissenschaftlichen Überblick gewünscht hätte.

    Der christliche Glaube ist – wie bereits in einigen Kommentaren hier vermerkt – nur *ein* Angebot unter vielen anderen religiösen Weltbildern. Schon das ist eigentlich eines der wesentlichsten Argumente gegen jede Art von religiösem Glauben (im Sinne von "für wahr halten"): Dann müssten sich alle anderen religiösen Vorstellungen in anderen Teilen der Welt irren. Zufällig wir seien also im "wahren" Glauben aufgewachsen und erzogen worden? Schwer zu "glauben" …

    Die im Artikel zu Beginn gemachte nötige Trennung des Wortes "Glaube" in ein emotionales Gefühl ("faith") und ein "für wahr halten" ("belief"), wird im Artikel dann leider wieder vermischt, etwa wenn zum Beispiel auf S. 58 von der Bibel als "Heiliger Schrift" und der dafür notwendigen "anderen Bedeutungsebene" die Rede ist.

    Der Vorschlag (auf S. 62), am Wissenschaftsstatus der Theologie festzuhalten, solange die Unwissenschaftlichkeit nicht bewiesen ist, mutet gar abenteuerlich an. Würde Herr Tapp das Gleiche auch für den Glauben an UFOs, Elfen oder Klabautermänner vorschlagen? Da bleibt man doch lieber bei dem ontologisch sparsamen Gebot, eine (außergewöhnliche) These erst dann ernst zu nehmen, wenn relevante und mindestens ebenso außergewöhnliche Belege dafür zu finden sind, und nicht etwa dann, wenn es möglichst viele Menschen gibt, die daran geglaubt und Schriften darüber verfasst haben.

    Die Theologie auf die Hermeneutik historischer Schriften zu beschränken, würde weder den Theologen noch ihren Kritikern gefallen – dann könnte man ja auch ganz auf "Theologie" verzichten und stattdessen gleich nur von Hermeneutik sprechen.

    So bleiben am Ende des Artikels die vielen, auch vom Autor eingeräumten Gegenargumente gegen den Glauben: Von der Theodizee über die missglückten Gottesbeweise bis hin zur "umstrittenen" Wissenschaftlichkeit. Damit ist die Titelfrage des Spektrum-Hefts aus meiner Sicht klar beantwortet: Sind Wissenschaft und Religion vereinbar? Nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Theologie zu urteilen: definitiv nein.
  • Nicht verstanden?

    11.01.2012, Torben
    Was hab ich daran nicht verstanden? Antibiotikaresistenzen sind ein umfassendes Problem. Über einen Aspekt wird berichtet und die Reaktion darauf ist hier, auf einen gerade mal nicht berichteten anderen Aspekt mit vollkommen anderen Akteuren zu verweisen (der im Übrigen ungleich mehr professionelle und öffentliche Zuwendung erfährt als das entsprechende Problem in der Landwirtschaft, da gibt es deutlich weniger Forschung, weniger Leitlinien, weniger Handlungswillen und weniger Öffentlichkeit). Mit EHEC hat das nichts zu tun, aber das dient der Argumentation offenbar ebenso wie banale Methodenkritik ohne Substanz. In der deutschsprachigen Wissenschaftsblogossphäre - und die ist überschaubar - reagiert man bei Vorwürfen gegenüber Praktiken in der hiesigen Landwirtschaft reflexartig: Von Ausgewogenheit keine Spur, das ganze wird schnell weltanschaulich verortet und dann als fehlerhaft und unwissenschaftlich gegeißelt.

  • Keine Bagatellisierung

    10.01.2012, Sören Schewe
    Hallo Torben!

    Ich glaube, Du hast die Aussage des Kommentars nicht ganz verstanden. Es geht nicht darum, etwas zu bagatellisieren. Lars warnt lediglich - völlig zurecht - davor, dass wir uns jetzt mit großer Begeisterung auf die Tierhaltung stürzen und darüber völlig vergessen oder ausblenden, dass es in der Humanmedizin ein ähnlich drängendes Problem gibt.

    PS: "Die Veterinärmedizin" hat damit übrigens auch nichts zu tun.
  • Weiter so!

    10.01.2012, Johannes Maschke
    Klingt ja super! Ich hoffe, dass diese Methoden schnell weiterentwickelt werden, und dass ihrer Förderung nichts im Wege steht!

  • 2. Sphärenmusik

    10.01.2012, Patricia Otero
    Ja, diese Frequenzen hätte ich auch sehr gerne gehört :-)!!
  • Nee

    10.01.2012, Torben
    Weil ein großer Teil der Resistenzen vom Patient „Mensch“ ausgeht, wird das Wirken der Veterinärmedizin bagatellisiert? Seltsame Reaktion. Ich kann mich nicht erinnern, dass in der Berichterstattung ein „Hauptschuldiger“ ausgemacht wurde, etwas, das jetzt wohlfeil kritisiert werden könnte.
  • Verwirrende Zahlen

    10.01.2012, Fabian Cundano Maltez
    Heißt es auf Seite 80, dass mit der Enercon E-126 Windkraftanlage (7,5 MW) etwa 10.000 Haushalte mit Strom versorgt werden können, so heißt es auf S. 82, der Èole Vertikalrotor habe mit seinen etwa 4 MW rund 800 Einfamilienhäuser versorgt.

    Das heißt, pro MW Windenergie können zwischen 1300 "Haushalten" und 200 "Einfamilienhäusern" versorgt werden - also ein Unterschied von mehr als Faktor 7 (schließlich ist ein Einfamilienhaus genau ein Haushalt). Welche Zahlen stimmen denn nun?

    Leider erlebe ich immer wieder, das Vertreter von unterschiedlichen Energiekonzepten sich ihre Zahlen schönrechnen, um am Ende die Überlegenheit ihres Systems zu preisen. In einem wissenschaftlichen Artikel wünsche ich mir mehr Klarheit. Es wäre wünschenswert, dass Standards erklärt werden, nach welchen Energiekonzepte objektiv verglichen werden können - um den Leser eben gegen Schönfärberei durch Lobbygruppen zu rüsten.
    Stellungnahme der Redaktion

    Schön, dass es Leser gibt, die kritisch alles noch einmal nachrechnen. In der Tat tut sich hier eine Diskrepanz auf. Die erklärt sich folgendermaßen: Die Angabe zum Darrieus-Rotor Èole ist eine Quellenangabe aus: http://www.energyprofi.com/jo/Besondere-Windenergiesysteme.html (Internetseite zu besondere Windenergiesystemen, dort relativ weit unten). Da der Rotor nicht mehr arbeitet, kann ich diese Angabe nicht weiter nachprüfen. Sie deckt sich aber mit anderen Quellen. Hier wird von (kanadischen) Einfamilienhäusern(!) aus dem Jahr 1992 geredet.



    Die Angabe zur Enercon E-126 kann man errechnen (respektive: habe ich errechnet). Energieversorger gehen davon aus, dass ein (deutscher) Haushalt heute im Schnitt 3.500 Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht. (Das deckt sich mit meinen Erfahrungen). Ich habe vorsichtshalber sogar
    einen Wert von 4500 kWh angenommen. Dividiert man dies durch die Anzahl der Stunden im Jahr (365 x 24 = 8760) macht das einen durchschnittlichen (kontinuierlichen) Verbrauch von etwas über 500 Watt. Dann habe ich nur noch die 7,5 MW durch 514 W geteilt (das kommt heraus, wenn man genau
    rechnet) und erhielt 14591 Haushalte. Zur Sicherheit habe ich diesen Wert großzügig auf 10.000 Haushalte abgerundet, weil die Haushalte ja nicht immer gleich verbrauchen, sondern mal mehr (und mal weniger). Garniert mit einem "etwa" kann die Aussage wolh so stehenbleiben, denke ich.



    Das hat also nichts mit Schönfärberrei oder gar Lobbygruppen zu tun.



    Gerhard Samulat



    Bitte beachten Sie dazu auch die Stellungnahmen des Autors: Kommentare 12, 18 und 19!

  • Wie viel Gramm Metaphysik dürfen’s denn sein? –: Naturalismus und Agnostizismus

    10.01.2012, Dr. Josef Klein, Berlin
    Eckart Voland meint, nach Leibniz’ Begriff von Wissenschaft könne Theologie dazu gehören, nach dem Begriff von Science im Sinne Galilei indes nicht (abgesehen davon einmal, dass Galilei eigentlich mehr Italienisch sprach). Mir geht es hier weniger um die Theologie, die noch zu Galileis Zeiten scholastisch verfügte, dass die Philosophie einzig ihre Magd sein könne und die anderen Wissenschaften sozusagen die Hilfskräfte von Fall zu Fall. Wichtiger scheint mir zu betonen, dass die Wissenschaft, von Galilei initiiert, fortan eine Mathematisierung der Natur als Forschungsstrategie sich zur Aufgabe bei der theoretischen Aufbereitung der empirischen Daten und zur obersten Forschungsmaxime gemacht hat. So liest man das noch bei Max Bense, dem Atheisten pur, bis Ernst Cassirer. Davon kann indes heutzutage nicht mehr die Rede sein. Würde die Mathematisierung der Natur tatsächlich der Standard sein, so würden noch ganz andere „Wissenschaften“ als die Theologie aus dem Tempel der Alma Mater hinausfliegen, so zum Beispiel die auf Populismus schielende Soziobiologie à la R. Dawkins – die Jurisprudenz wollen wir mal ganz beiseitelassen (die hat es nicht notwendig, sich auf die Albernheiten des Naturalismus überhaupt einzulassen, da sie einen unbedingten Bedarf der „Zweiten Natur“ des Menschengeschlechts erfüllt, der aus der gesellschaftlichen Organisation der Menschennatur per Moral, Sitten und Recht entspringt). Was nun die Biowissenschaften anlangt, so wird man ja wohl nicht ernsthaft glauben machen wollen, dass metaphorisches Geklingel wie „egoistisches Gen“ einen exakten Terminus abgeben kann, da allenthalben sogar beim Menschen bestritten wird, dass das „Ich“ was Handfesteres denn eine „Illusion“ sei. Oder zu erinnern wäre an die Figur von den „betrügerischen“ Einzellern, Bakterien und Viren, die andere ihrer Art im Überlebenskampf der Evolution aufs Kreuz legen wie der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi den Max-Ernst-Experten Werner Spies mit völlig frei im Stil von Max Ernst und anderen zeitgenössischen Malern verfertigten Kunsterzeugnissen. Mit der Mathematisierung der Natur ist es also nicht weit her. Ebenso kann die Neurobiologie nicht gerade alles auf den mathematischen oder gar bloß auf den formal-logischen Kalkül bringen, nicht anders die Verhaltensbiologie, die Evolutionäre Emotionsforschung, von den Blumen- und Tierkundlern ganz zu schweigen. Das Galilei-Programm von der Mathematisierung der Natur ist hier nicht ansatzweise gefragt. So dient hier ebenfalls der Name „Galilei“ lediglich als Metapher für etwas, was man selbst nicht so ganz genau weiß und nicht genau wissen will noch kann. Und diese theoretische Vagheit samt Unvermögen wird kaschiert mit dem Anglizismus „Science“, als ob das die Patentlösung wäre. Science ist sozusagen alles, gleich ob es exakte oder bloß deskriptive Naturwissenschaft oder nur Sachbuch-Naturwissenschaft ist.

    Die Zersetzung des positivistischen Begriffs von Wissenschaft geht geistesgeschichtlich nicht nur einher mit dem Postszientismus (bzw. der Postmoderne) und der Aufkündigung aller erkenntniskritischen und wissenschaftstheoretischen Standards durch den Naturalismus. Freilich ist das Spektrum des Naturalismus breit gefächert, da W. Sellars (mit metaphysischem Anstrich), dort W. v. O. Quine und so weiter. Dabei bleibt bei Quine rätselhaft, wie sein Naturalismus einerseits und seine beträchtlichen Arbeiten zur Logik andererseits zusammen harmonieren sollen. Denn wie Logik und Mathematik empirisch sich herleiten und sonst in der Natur sinnlich wahrnehmbar gründen und per Beobachtung gleich kapitaler Hirsche und Elche im Forst sich bewahrheiten lassen sollen, bleibt Quines und der übrigen Naturalisten Geheimnis. Möglicherweise weiß da die eine Gehirnhälfte nicht, was die andere tut. Bei der Unterhöhlung des Begriffs von den exakten Naturwissenschaften tut das Erstarken der Biowissenschaften ihr Übriges. Zu erinnern wäre etwa an deren Nachweis tierischer Intelligenz bei Experimenten, von denen man sich wünschen würde, dass sie den Härtetest bestehen gleich den epochemachenden Forschungen des nobelpreisverdächtigen Nanophysikers Jan Hendrik Schön. Da haben doch die drolligen Tierchen so liebliche Namen wie Ulla, Udo, Kasimir und Cosima, damit auch noch dem letzten Begriffsstutzigen klar wird, welch groß angelegte Feldstudien die Generalisierung der tierischen Intelligenz bei Hund, Ratte, Affe und Katz belegen sollen, nämlich reduziert auf zumeist ein Exemplar der Gattung. Und so nimmt es nicht wunder, was solcherart in einem westfälischen Hühnerhof Großartiges beobachtet ward. Dort in Westfalen, wo sinnigerweise Voltaires „Candide“ bekanntlich in die Schule von Maître Pangloss am Hof des Leibniz-Land-schlosses von Baron von Thunder ten Tronckh ging, soll es Hennen geben, die beim Aufpicken der Körner tatsächlich ganz artig zählen, ja sogar Additionsspiele um die Wette betreiben und mitunter – als Höchstleistungen in Sachen höherer Mathematik – über den gödelschen Unvollständigkeitssatz sinnieren, indem sie, plötzlich innehaltend, sich hinterm Ohr verlegen mit dem rechten Hühnerbeinchen kratzen. Oder anders gesagt: Man weiß bei diesen Sensationsmeldungen nur allzu oft nicht, was Dressur, was intelligente Versuchsanordnung durch den Menschen und was überhaupt durch andere Experimente empirisch da überprüfbar ist. Aber wir haben eben alle so gerne unseren „echten“ Max Ernst, unseren „echten“ Picasso und unseren „echten“ Mann mit dem Goldhelm (Rembrandt respektive Rembrandtschule) über dem Kanapee hängen. Und ein Naturwunder zur Abwechslung ist doch auch mal schön. Es muss ja nicht immer gleich ein Marienwunder à la Fatima sein – da hätte die Gottesmutter denn wirklich viel zu tun. Aber nicht dass ich etwas gegen die These von der tierischen Intelligenz einzuwenden hätte! Als ich noch Pennäler war, hatte unser Hund zu Hause, ein Foxterrier, Bello geheißen, mein Lateinbuch aufgefressen, ganz wißbegierig, und fortan hat er immerzu Zitate von Tacitus, Caesar, Lukrez, Seneca und Cicero sowie von Sextus Empiricus gebellt, aber so deutlich und klar artikuliert, dass er nicht nur Petronius, den Verschwörer des guten Geschmacks, sondern auch Descartes derart entzückt hätte, dass letzterer über die Tiere etwas anthropomorpher gedacht haben würde. Seit geraumer Zeit weilt Foxterrier Bello indes in den ewigen Jagdgründen und paukt mit Winnetou und Old Shatterhand das Anglerlatein. Auf die Idee, ihm mein Mathematikbuch zu verfüttern, bin ich leider damals nicht gekommen. Sonst hätte ich Quines Naturalismusdoktrin sicherlich verifizieren können. Schade.

    Bliebe also der Begriff vom „Naturalismus“. Kein Zweifel, dass das biologische Erkenntnisproblem ein eigenes biologisches Wissensideal zeitigt, das, auf die eigene WissenschaftrRegion begrenzt, neben dem der exakten Naturwissenschaften herläuft, ist mehr als selbstverständlich, nicht aber, dass dies für alle Wissenschaften – gleichgültig ob diese Natur- oder Geisteswissenschaften seien – allgemein-verbindlich sein soll. Den methodologischen Naturalismus, der nur die Naturwissenschaften auf die experimentell und logisch kontrollierbare Erfahrung verpflichtet, wollen wir dahingestellt bleiben lassen. Der „ontologische Naturalismus“ geht indes weiter in seinem Alleinvertretungsanspruch in Sachen Wissenschaft, der einzig der Naturwissenschaft gebühre. Ich kann hier die Widersprüchlichkeit desselben – zudem in all seinen Varianten, sei’s der von W. Sellars, sei’s der von G. Vollmer etc. – nicht im einzelnen ausbreiten.

    Aber wie bereits mit dem Hühnerhofbeispiel zur höheren Mathematik angedeutet, ist der starke Begriff vom „ontologischen Naturalismus“ – von dem Christian Tapp meint, dass er der Theologie als Glaubenswissenschaft Kopfschmerzen bereiten würde – schon einmal ein theoretisches Unding, da ein Widerspruch in sich wie jene Figur von der Güte „rundes Viereck“; denn noch nie, seit sich die Erde um die Sonne dreht, war die Ontologie eine Naturwissenschaft, und wird wohl auch nie eine sein. Diese contradictio in adiecto läßt sich selbstverständlich ganz leicht umgehen, indem wir den Namen „ontologischer Naturalismus“ kurz in „starken Naturalismus“ abändern. Aber das hilft nicht viel. Denn alles, was zu diesem Thema überhaupt geschrieben und erörtert wird, ist metatheoretischer Natur und gehört nicht der ersten Natur noch der Objektsprache an. Die metatheoretischen Erörterungen gehören stattdessen der Welt III an – ich verwende nun der Einfachheit halber den Trialismus der Drei-Welten-Theorie von Popper; diese Drei-Welten-Theorie hat, wie Popper (in: Objektive Erkenntnis) zugibt, eine Ähnlichkeit mit Hegels Unterscheidung vom subjektiven und objektiven Geist; nur sei sie enttheologisiert. Welt I ist die Welt der Physik und der Biologie, Welt II ist die Welt des subjektiven Erlebens, Welt III ist die Welt der geistigen Gegenstände und der Gestalten des objektiven Geistes – also das Reich der Wissenschaften, der Mathematik nicht zuletzt, sowie zudem des Rechts etc.

    Aber auch in Ansehung dessen, dass es von dem seit Pythagoras, Euklid und Archimedes nicht gerade geringsten Vertreter unter den Mathematikern, Kurt Gödel, einen mathematisch ontologischen Gottesbeweis gibt, der seiner Widerlegung erst harrt, muss festgehalten werden, dass einige Herrschaften da denn doch etwas zu voll den Mund in Sachen „Naturalismus“ als höchstes Stadium des wissenschaftlichen Atheismus nehmen. R. Dawkins geht im „Gotteswahn“ vorsichtshalber oder aus Unkenntnis gar nicht darauf ein; möglicherweise wäre ihm hierzu auch nur eine Sottise (von wegen Wissenschaftsblenderei) eingefallen wie zur Kontroverse Euler versus Diderot. Schon I. Kant muß Dawkins als „Atheisten“ verkaufen, was Kant nie war: Die Gottesbeweise (den ontologischen, den kosmologischen und den physiko-theologischen) hat Kant nur „deshalb“ widerlegt, um seinen eigenen Gottesbeweis, den moralischen mit dem Postulat Gottes, zu installieren (vgl. hierzu J. Klein, Semiotik des Geistes, Buch I, Berlin 2010, S. 761,771). Und ferner wird Frank J. Tipler – als Beiträger zum „anthropischen Prinzip“ – implizit zum Atheisten umfunktioniert und zurechtgebürstet, als ob der nicht sich in einer „Physik der Unsterblichkeit“ versucht hätte. Tiplers wissenschaftlich positives Argument für das Dasein Gottes, auf informationstheoretischer Basis, habe ich – neben dem von C. F. v. Weizsäcker – in der „Semiotik des Geistes I“ (S. 689, 692 ff.) freilich zurückgewiesen. Was Gödel anlangt, so bin ich allerdings selbst nicht der Auffassung, dass das quod erat demonstrandum unter Gödels Gottesbeweis allzu lange Bestand haben würde: Das q. e. d. steht freilich ohnehin nirgendwo darunter. (Ich selbst gehe erst in Buch II der „Semiotik des Geistes“ darauf ein; in SdG I – Berlin 2010 – habe ich mich nicht dazu geäußert.) Gleichwie. Haltbar ist einzig ein methodologischer Agnostizismus.

    Auch E. Volands Eingeständnis, Naturwissenschaftler würden notgedrungen nicht voraussetzungslos arbeiten – hierin ganz Popper folgend, dass seine Prämisse vom Realismus nur eine metaphysische sein kann, da sie nicht wissenschaftlich überprüfbar sei (vgl. Popper, Objektive Erkenntnis) –, ist nicht ohne kurios pikante Würze, wenn er meint, trotzdem sei es den Naturwissenschaften vergönnt, empirisch zu arbeiten, obwohl sie gar nicht darüber entscheiden könnten, ob sie nun in einer Simulation leben oder nicht! Da können wir gleich an Wunder glauben. Was ist da noch der Unterschied zwischen kritischer Wissenschaft, Sciencefiction und Lourdes respektive Fatima? (Aber zum Thema Skeptizismus und Simulation habe ich schon im Sommer 2011 einen Vorschlag gemacht, wie externalistisches Wissen trotz des Gehirn-im-Tank-Problems nach Putnam & Brendel möglich ist: www.spektrumverlag.de/artikel/1073683, www.spektrumverlag.de/artikel/1115669 . Und dieser mein Vorschlag erfüllt sogar mit den Sherrington-Formeln die Mindestanforderungen des Galilei-Programms der Mathematisierung der Natur. (Trotzdem trete ich Quines Naturalisierungen der Erkenntnistheorie mitnichten bei, obgleich gerade meine Sherrington-Formeln genau diese wie nichts anderes sonst wohl zu bestätigen scheinen.)

    Ähnlich wie Popper (der kein Naturalist ist) und wie Voland für den Realismus räumt für den Naturalismus unter anderem auch Vollmer ein bißchen Metaphysik ein, die sich nicht vermeiden lasse, schon um sich von den großen Systemen der Metaphysik abgrenzen zu können: Aber wie viel Gramm Metaphysik dürfen's denn sein? Wenn Johannes Paul II. äußert, dass der Geist nicht aus der Evolution stammen könne, so ist das für E. Voland schon eine gehörige Prise zu viel an Metaphysik. Dabei muss das päpstliche Statement vom Primat des Geistes in philosophie-systematischem Anbetracht mitnichten dem Prinzip der Evolution widersprechen, so etwa, nun rein als Hilfskonstruktion, wenn die Theologen sich der Grundannahme des objektiven Idealismus von Ch. S. Peirce bedienen würden, wonach (ähnlich wie im System Schellings), die Materie geronnener Geist sei; dies läßt sich desgleichen in die informationstheoretische Hypothese von C. F. v. Weizsäcker übertragen, wonach Materie gleich Form gleich Information sei (vgl. hierzu J. Klein, SdG I, S. 357, 404 f., 412, 481). Und Peirce ebenso wie Weizsäcker vertreten evolutionistische Positionen. Woher der Geist stammt, dies ist eine noch ziemlich ungeklärte Frage. Der (Inquisitions-)Fall Galilei liegt hier indes total außer jeder Vergleichbarkeit. Überdies rekurrieren nicht wenige Physiker auf platonistische bzw. neuplatonistische Positionen, so Weizsäcker, Heisenberg, Shimon Malin etc., welche immer auf den Primat des Geistes hinauslaufen. Wollen oder sollen wir diese Herrschaften nun aus der Science-Kirche exkommunizieren? Wer gäbe wem das Recht dazu? Die kritische Vernunft etwa? Womöglich die von der Vernunftreligion des Immanuel Kant! Mit dem stehen unsere Naturalisten ja auf bestem Fuß! War nur ein kleiner Scherz am Rande.

    Nach alledem kurzum: Der Agnostizismus ist kein „windelweicher Atheismus“, wie die Spektrum-Redakteure fragend in den Raum stellen, sondern ein wissenschaftliches Gebot, aus dem Ignoramus-ignorabimus und aus der Einsicht, daß Gott keine wissenschaftlich überprüfbare Hypothese abgeben kann, eine wissenschaftliche Tugend zu machen, statt sich im Smalltalk (irgendwo zwischen den „Feuchtgebieten“, den „Schoßgebeten“ und „Harry Potter“) zu ergehen oder in verunglückter Poetry of Science, und möge auch laut Dawkins Wissenschaft die Poesie der Realität sein[1]. Da täte eine kritische Ästhetik wider naturalistische Spekulationen ohnehin not, ein „Candide“ à la Voltaire: Diesmal gegen den Pseudo-Galilei als Inbegriff der naturalistischen Spekulationen vom Biohühnerhof statt gegen die spekulative Metaphysik von Leibniz.
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