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Kommentare - - Seite 961

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Gerechtigkeit steht nicht für sich

    04.07.2011, Hans-Joachim Stahnke, Bad Segeberg
    Der Artikel endet mit ambivalenten, zum Teil sogar sich widersprechenden Argumentation, die eine Replik herausfordern.
    Zitat: 1. "Die Verknüpfung von Freiheit und Gleicheit zur Idee der menschlichen Würde und Autonomie, wie sie in der Ethik und politische Philosophie von Immanuel Kant zum Ausdruck kommt, scheint mir unverzichtbar zu sein."
    2. "Schließlich ist die vornehme Aufgabe der Philosophie, begriffliche und gedankliche Konfusionen zu beheben ..., und nicht, die politische Abwägung von Gerechtigkeitsgründen durch philosophische Theorien zu ersetzen."


    Der Verfasser vermutet, dass eine Theorie der Gerechtigkeit in einer Gesellschaft von ihrem jeweiligen Menschenbild abhängt, der Kantianer in ihm aber sperrt sich gegen Beschädigungen des herrschenden Dogmas von der "autonomen Persönlichkeit" als "Grundpfeiler der politischen Moderne sowie der zeitgenössischen Demokratie". Darin eingebunden bleibt die Vorstellung des "unteilbaren Selbst", wie es seit Jahrtausenden üblich ist.

    Diese Annahme greift der indische Philosoph Amratya Sen an, wenn er fordert, dass die Gründe für gerechtes Handeln in den verschiedenen Entscheidungssituationen jeweils im Einzelnen erörtert werden müssen. Denn nach Sen "kann es keine systematische und umfassende Theorie der Gerechtigkeit geben", eben weil er ein "rationales" Menschenbild zu Grunde liegt; das heißt, der Mensch ist abhängig von Partnerschaften, die sich ebenfalls als Persönlichkeit ständig anpassen und ändern muss.

    Auch Gen- und Hirnforscher kommen inzwischen zu ähnlichen Ergebnissen: Erb- und Entwicklungsgänge von Individuen sind viel komplizierter als bisher angenommen, da korrelative Spannungs- und Wahrnehmungsphänomene auf Korpuskelebene die Erbgänge auch von außen beeinflussen. Die Charakterbildung ist davon besonders betroffen, da das Gehirn Sinneseindrücke verarbeitet und diese Tätigkeit bis ins Alter nicht unterbricht.

    Bestätigt wird diese Sicht menschlicher Existenz durch viele persönliche Bezeugungen: Der Verlust eines geliebten Menschen zum Beispiel kann sich wie eine seelische Amputation auswirken. Solche Bewusstseinsprägungen steigern sich in Extemfällen zu Identitätsbrüchen: Bei schweren Beziehungsproblemen oder in politisch geprägten Exzessen können aus unbescholtenen Bürgern Mörder werden, die ihre verbrecherische Taten für gerechtfertigt halten.

    Der Mensch ist demnach Glied eines partnerschaftlichen Verbundsystems als konstitutive Basis eigener Existenz. Ohne diese Eingebundenheit wäre eine "Persönlichkeit" gar nicht lebensfähig. Ein "atomistisches" Selbst kann es demnach zwar nicht geben, und Streben nach so genannter Selbstverwirklichung führt in jedem Fall ins Leere, aber das Ideal der Pflicht zu verantwortlichem und gerechtem Handeln bleibt gültig, auch wenn nicht immer klar erkennbar ist, worin sie besteht. Denn oft kommt es vor, dass Pflichterfüllung nach einer Seite die andere Seite beleidigt. Schon allein die Tatsache, dass solche zwanghaft-tragischen Situationen entstehen können, beweist die Unmöglichkeit, eine allgemein verbindliche Formel für gerechtes Handeln zu aufzustellen.
  • Nida-Rümelins Gerechtigkeitstheorie

    04.07.2011, Norbert Hinterberger, Hamburg
    Nida-Rümelin war hier erneut (wie schon in seinem Interview, SDW 3/11) nicht gewillt, zwischen Normen und Erkenntnissen zu unterscheiden. Das ist Rawls- und auch Habermas-Tradition – genau genommen aber auch schon die Tradition der gesamten Kritischen Theorie.
    Von Wahrheitsrelativisten bzw. erkenntnistheoretischen Pragmatisten ist diese Unterscheidung allerdings ohnedies nicht plausibel zu machen. Da ihre Erkenntnissuche einen Abbruch des Verfahrens in der Begründung per konventioneller Entscheidung, also per Abstimmung über die Wahrheit erlaubt, unterscheidet sie sich nicht mehr von einer normativen Methodologie bzw. von einer ethischen Entscheidungsfindung, denn die kann man ohnedies nur per Abstimmung erreichen.

    Nida-Rümelin hat hier einen informativen Artikel über die Gerechtigkeitsdiskussion vorgelegt. Als es am Ende aber auf seine eigene Stellungnahme ankam, hat er typisch pragmatistische Schwächen gezeigt. Der philosophische Pragmatismus hat nichts mit unserer aller Praxis zu tun, auch in Erkenntnisfragen sehr häufig pragmatische Entscheidungen zu treffen, ganz einfach, weil wir selten über ausreichendes Hintergrundwissen für eine erkenntnisrelevante Anforderung im Alltag bspw. verfügen. Erkenntnistheoretische Realisten wollen mit diesen ‚losen Reden’ aber nichts begründen, sondern reden nur so lange auf diese unkritische Weise, bis ihre Hypothesen einer möglichen Überprüfung zugänglich werden. Im wissenschaftlichen Bereich müsste das ohnedies als selbstverständlich gelten. Pragmatisten glauben, genau darauf verzichten zu können.

    Auf S. 68 (unten) schreibt Nida-Rümelin:

    „Die Annahme, dass Menschen frei und gleich sind, ist meiner Ansicht nach ein konstitutives Merkmal der politischen Moderne. Ich halte das für eine Erkenntnis und nicht lediglich für ein Merkmal einer spezifischen historischen Phase oder einer speziellen kulturellen Prägung.“

    Wir sehen an den Begriffen „Annahme“ und „Erkenntnis“, dass er die Freiheit und Gleichheit der Menschen für ein erkenntnisrelevantes Problem hält, für einen Zustand also, der an sich existiert und den man dann offenbar nur erkennen muss. Fangen wir mit dem Begriff der Gleichheit an. Menschen sind genetisch variabel, verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten und es gibt auch keine zwei Menschen, die völlig gleich aussehen.
    Gemeint ist hier also die juristische Gleichheit. Das ist nun aber die Gleichheit vor einem normativen Gesetz. Es handelt sich nicht um ein Naturgesetz, welches man erkennen könnte und von dem man sagen könnte, dass eine entsprechende Annahme dazu entweder wahr oder falsch sein müsse. Es ist also etwas, was (von bestimmten normativen Prämissen, den Menschenrechte aus) zu fordern wäre und, wie der Autor selbst ja auch ganz richtig berichtet, von den verschiedensten Personen schon gefordert wurde – am fruchtbarsten und kompetentesten eben von den Aufklärungsphilosophen.

    Das gilt aber nun in etwas anderer Weise auch für den Begriff der Freiheit (des Individuums). Man wird ebenso wenig frei wie unfrei geboren (für die Geburt ergeben diese Begriffe noch gar keinen Sinn), sondern immer erst im Lauf des Lebens von irgendwem (vielleicht sogar von sich selbst) zu dem einen oder anderen gemacht. Menschen und Bäume gibt es an sich. Freiheit oder Unfreiheit existieren zwar auch als Entitäten, sie sind aber typische (objektiv) soziale oder (subjektiv) psychische Fluktuationen des Lebens. Spezifische historische Phasen oder spezielle kulturelle Prägungen kann sich der Autor hier aber nicht vorstellen. Dass die ihre Wirkungen haben, und dass das nur einige der Einflüsse bezüglich Freiheit oder Unfreiheit sind, scheint mir dagegen auf der Hand zu liegen. Alle diese Einflüsse sind allerdings selbst alles andere als unbeeinflussbar. Der Mensch ist praktisch ständig damit beschäftigt, sich aus sozial (und oder mental) unfreieren Situationen in freiere zu kämpfen. Daran, dass diese Freiheit von bestimmten Personen oder Gruppen für sich (und nur für sich) durch militärische Herrschaft gesichert werden soll, ergeben sich nahezu alle (objektiv) sozial zu konstatierenden Unfreiheiten derjenigen, die nicht dazugehören.

    Man kann also wohl nicht besonders sinnvoll davon reden, dass das eine oder aber (kontravalent) das andere ‚quasi-statisch bestehe’. Die gesamte Aufklärungsphilosophie war ja genau deshalb (also weil das nicht so ist) damit befasst, den Menschen klarzumachen, dass sie um ihre Freiheit kämpfen müssen, und dass auch im Fall des Sieges gegen feudalistische Herrscher die individuelle Freiheit in gesellschaftlicher Form in rechtswirksamen normativen Gesetzen verankert werden muss, damit sie wenigstens halbwegs unbeeinträchtigt existieren kann. Denn die Freiheit des Individuums wird von überall her bedroht. Der Säugling kann bekanntlich sogar von den eigenen Eltern getötet werden, wenn er unerwünscht ist. Evolutionär betrachtet wurde der Mensch zunächst von wilden Tieren und dann wohl auch vermehrt von ‚wilden’ Menschen bedroht. In diesen Fällen ging es in der primitivsten Form darum, den anderen umzubringen (was Unfreiheit implizieren dürfte – es sei denn, man betrachtet den Tod als Erlösung aus aller Unfreiheit). Bei den Menschen ging es aber wohl sehr bald auch um eine ‚Nutzung’ bzw. Versklavung derjenigen, die sich von Gewalt beeindrucken ließen oder militärisch unterlegen waren. Das (und natürlich auch Gewalt in der eigenen Gruppe) war sicherlich der Hauptgrund für Gesellschaftsverträge, die zunächst rein pragmatisch an einer Sicherheit für alle, dann aber irgendwann wohl auch ethisch luxurierend an Gerechtigkeit für alle interessiert waren. Gerechtigkeit bzw. Freiheit und juristische Gleichheit vor einem menschenrechtlich inspirierten Gesetz sind also unsere Errungenschaften, wir finden sie nicht in der Natur vor, sondern müssen sie normativ und sehr häufig sogar gegen die Natur (auch gegen unsere eigene) durchsetzen.
  • Schiffschaukel statt Weihrauchkessel

    04.07.2011, Dr. Reinhard Born, Immenstaad
    Man muss nicht unbedingt nach Santiago de Compostela, um die Energiegewinnung beim Pendel zu beobachten:
    Jeder, der sich auf dem Jahrmarkt an einer Schiffschaukel versucht (sofern man noch eine solche findet), macht intuitiv das Gleiche: beim maximalen Ausschlag vom Stand aus in die Knie gehen (Pendel "verlängern") und im tiefsten Punkt wieder strecken (Pendel "verkürzen").
  • Ist das noch seriös?

    02.07.2011, Peter Blanc (Dipl.El.Ing. ETH), Winterthur, Schweiz
    Seit längerer Zeit wird der Anfang unseres Universums immer genauer datiert und inzwischen sogar mit einer Genauigkeit im Prozentbereich angegeben. Zum Beispiel wird in der Ausgabe vom Juni 2011 im Artikel "Naturwissenschaft in der Sackgasse" auf Seite 66 das Alter auf "ziemlich genau 13,75 Milliarden Jahre" datiert. Nun wissen wir aber, dass das Universum sich derzeit beschleunigt ausdehnt. Es ist also anzunehmen, dass es für die Vergangenheit diesbezüglich Unsicherheiten gibt. Allenfalls war diese Beschleunigung seit "Anfang" schon so oder sie fluktuierte sogar. Woher also diese Sicherheit in der Datierung?

    Wie kam sie eigentlich zu Stande? Beruht sie immer noch auf einer linearen Extrapolation in die Vergangenheit gemäss der gemessenen Expansionsraten nach dem Schema, wie es noch Erdwin Hubble tat, woraus dann die so genannte 'Hubble-Konstante' hervorging? Oder in welcher Form wurde die gegenwärtige beschleunigte Ausdehnung mit einbezogen?

    Ein weiterer Zweifel an dieser Zahl ergibt sich aus der Speziellen Relativitätstheorie, wonach Zeit im Gravitationsfeld oder allgemeiner in der gekrümmten Raumzeit nicht gleich verläuft wie in einem hypothetischen leeren Raum. Wenn also das Universum einmal sehr dicht war, so war auch diese Krümmung sehr gross und im Grenzfall der Singularität unendlich. Wie sollen wir denn da noch von einer Zeit in unserem alltäglichen Sinn sprechen?

    Zwar tönt "Urknall vor 13,75 Milliarden Jahren" spektakulär für das Publikum und kann immer wieder Schlagzeilen liefern, aber ich frage mich schon: Ist das noch seriöse Wissenschaft?

    Einmal wissen wir schon nicht, was mit der "Zeit" in einem "Schwarzen Loch" geschieht, und trotzdem wird behauptet man wisse Bescheid darüber, wie Zeit im (zwar nur hypothetischen) größten denkbaren Schwarzen Loch, nämlich beim "Urknall", zu zählen sei.

    Können Sie mich diesbezüglich aufklären?

    Mit freundlichem Gruß und bestem Dank für die stets sehr interessante Lektüre.
  • Platons Staat hat starke spirituelle Komponente

    01.07.2011, Martin Peschaut, St. Stefan ob Stainz, Österreich
    Platons Staat als bloßen „Bildungsstaat“ zu bezeichnen halte ich für zu kurz gegriffen, da „Bildung“ heute eher in Sinn von „lernen“ verstanden wird. Der platonische Staat fußt prinzipiell auf Gleichwertigkeit (nicht Gleichheit) der Menschen und kann so einen natürlichen Unterschied zwischen weiter und weniger weit fortgeschrittenen Menschen herstellen, ohne die einen auf- und die anderen abwerten zu müssen. Bei Platon sind die regierenden Klassen die „Menschen aus Gold“ (die Philosophen) und die „Menschen aus Silber“ (die Wächter und Lehrer). Beiden gemeinsam ist Bildung in dem Sinn, dass sie sich selbst beherrschen lernen müssen, um über den materiellen Dingen zu stehen. Damit sind sie nicht mehr korrumpierbar, was für Platon ein unverzichtbares Attribut der Macht darstellt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass diese beiden Klassen keinen persönlichen Besitz mehr haben. Für Platon sind die Philosophen und Wächter daher die edelsten Menschen und am besten dafür geeignet, zu entscheiden, was dem Staat, und damit dem Volk, am nützlichsten ist.

    Das Ziel des platonischen Staates ist letztlich, allen seinen Bürgern die Rahmenbedingungen für größtmögliche Entwicklung zu bieten. Dieser Staat hat somit neben der rein gesellschaftlichen Komponente auch eine starke und vor alle spirituelle (nicht religiöse!) Ausrichtung und ist nur aus dem Gesamtkontext des damals herrschenden Weltbilds, das von den Mysterien als spirituellem Weg geprägt war, wirklich zu verstehen. Damit geht Platon weit über die rationale Erklärung hinaus, da sein Konzept der Gerechtigkeit als Archetyp und grundsätzliche Notwendigkeit für das Funktionieren des Staates eine starke spirituelle Komponente aufweist.

    Auch Kant hat mit seinem kategorischen Imperativ ein selbsterklärendes ethisch-politisch-gerechtes Modell geschaffen, denn wenn jeder Bürger nach diesem moralischen Imperativ denken und handeln würde, dann wäre die Welt aus sich heraus gerecht. Es ist somit nur dem Egozentrismus der Menschen zuzuschreiben, dass die Gesellschaft so ungerecht ist, wie sie ist.

    Die modernen Spekulationen (ich kann sie nur als solche bezeichnen) über Gerechtigkeit sind zwar theoretisch brillant, scheitern aber, um Paul Watzlawick zu bemühen, an der „normativen Kraft des Faktischen“: Eine repräsentative Demokratie moderner Prägung kann nicht gerecht sein, weil die Repräsentanten vor allem ihren eigenen Vorteil und den ihrer Verbündeten im Augen haben. Das kann man schönreden und rational übertünchen, wie man will, letztlich entscheiden handfeste materielle Vorteile und die Quantität der einsetzbaren Druckmittel darüber, was gerecht ist: nämlich das, was der Stärkere als gerecht festsetzt.
    Was den heutigen Ansätzen fehlt, ist die Einbeziehung der Spiritualität (und, ich betone es noch einmal, damit meine ich ganz entschieden nicht die Religion) als transzendenten, oder wenn man so will, teleologischen Zweck jeder Gesellschaft oder jedes Staates. Solange dieser Punkt, den Platon sehr wohl in seine Überlegungen mit einbezogen hat, außer Acht gelassen wird, bleibt Gerechtigkeit ein theoretisches Konzept bar jeder praktischen Relevanz für den Bürger, der der Willkür einer sich selbst genügenden politischen Kaste ausgeliefert ist.

    In diesem Sinn wäre Gerechtigkeit auf institutioneller Ebene idealerweise platonisch in dem Sinn, dass jeder das erhält, was er braucht (nicht was er sich wünscht), und auf individueller Ebene kantianisch, indem jeder so handelt, dass die Grundlagen seines Handelns jederzeit zum universellen Gesetz erklärt werden könnten. Das dürfte auch Platon gemeint haben, als er vom „besonnenen“ Bürger sprach.
  • Falsch ist auch richtig...

    30.06.2011, Jens-Peter Haack
    Tau ist etwas bequemer, Pi ist aber natürlich nicht falsch. Das zu behaupten und Euler einen Fehler unterzuschieben, offenbart eine Tendenz zu 'Meine Meinung ist richtig, deine falsch', dass es mich leicht fröstelt...

    Informatiker scheinen für solch sinnlose Diskussionen merkwürdig anfällig zu sein...
  • DNA ist rechtsgängig

    29.06.2011, Petra Behrens, Hochspeyer
    Die Layouter können nichts dafür, aber man sollte ihnen mal sagen, dass man Bilder von DNA nicht einfach spiegeln darf, damit das Titelbild besser aussieht. Immer wieder fällt mir dieser kleine Fehler in wissenschaftlichen Zeitschriften auf. Natürlich vorkommende DNA ist rechtsgängig, so wie auf S. 31 und 33. korrekt dargestellt. Nichts für ungut.
  • Aprilscherz im Juni?

    28.06.2011, Fritz Kronberg
    Die Behauptung, Archimedes und Euler hätten einen Fehler gemacht, ist schlicht Blödsinn. Die mathematische Konstante bleibt dem Wesen nach gleich, auch wenn man sie meint verdoppeln zu müssen. Da muss wohl jemand sein Geltungsbedürfnis ausleben, und da er es offenbar über wissenschaftliche Veröffentlichungen nicht schafft, greift er eben auf unsinnige, aber möglicherweise schlagzeilenträchtige Behauptungen zurück.
  • Windkraftwerke berücksichtigen

    27.06.2011, Prof. Dr. Eduard Heindl, Furtwangen
    Wenn man beobachtet, dass die Windgeschwindigkeit an Land abnimmt und zugleich weiß, dass inzwischen fast 200 GW Windkraftwerke weltweit installiert sind, dann erhebt sich die Frage, ob das einen merklichen Einfluss auf die Windgeschwindigkeit an Land hat. Insbesondere, wenn man auf See das Gegenteil misst.
    Nach meiner Beobachtung gibt es nicht sonderlich viele Hochhäuser mit über 100 m und auch die umfangreichen Aufforstungen, die als Grund genannt werden, überzeugen nicht, wenn man den Ausbau der Windkraft unberücksichtigt lässt.
  • Somatische Basis neuronaler Vorgänge

    27.06.2011, Dr. Eberhard Rumpf, Burgdorf
    Mir drängt sich der Eindruck auf, dass sich dieser Artikel in der materialisitschen Falle des Henne-Ei-Problems bewegt. Im Kasten auf S. 24 "Auf einen Blick" wird als Ausschluss-Gegensatz formuliert:
    (1) ... glaubten Ärzte lange Zeit, psychische Erkrankungen würden auf rein seelischen Vorgängen beruhen.
    (2) Bildgebende Verfahren enthüllen nun jedoch, dass die Störungen wie ... auf fehlerhafte Aktivität in neuronalen Schaltkreisen basieren.

    Das ist die alte Leib-Seele-Dichotomie, die spätestens seit Thure von Uexküll 1979 nicht dem Stand psychosomatoscher Erkenntnis entspricht. Wo wäre dennn das "Seelische", zu dem noch Gefühle und Gefühlsbewegungen gehören, zu verorten? Die mechanistische Betrachtungsweise, "dass Symptome psychiatrischer Erkrankungen durch fehlerhaft funktionierende neuronale Schaltkreise entstehen können (S. 27) reicht trotz der sich daran anschließenden Kausalüberlegungen zum Einsetzen einer solchen Störung nicht aus, um die Frage nach Ursache und Zeitpunkt einer Störungsmanifestation zu beantworten; auch das Kontinuum von Phänomenen zwischen "normal" (d.h. noch nicht pathologisch) und "zweifelsfrei pathologisch" wird damit letzlich nicht erklärt. Demgegenüber kann ein verstehnder psychotherapeutischer Zugang die erlebnisbezogenene gefühlshaften Zusammenhänge (als "rein seelische" Vorgänge) und symptomatische Verhaltensweisen als sinnhafte Antworten auf persönlich bedeutungsvolles Erleben deutlich machen. All dies spielt sich nach heutigem Erkenntnisstand auf der somatischen Basis neuonaler Vorgänge.
  • Den skeptischen Zweifel richtig verstehen

    27.06.2011, Karl Hostettler, Aadorf, Schweiz
    Ich hatte geglaubt, mit meinen Ausführungen zum Erkenntnisproblem ("Erkennen" richtig verstehen) einiges klar gestellt zu haben. Wie spätere Zuschriften zeigen, habe ich mein Ziel nicht erreicht. Daher nochmals einige Bemerkungen.

    Zum Skeptizismus: Der Skeptizismus behauptet nichts. Er enthält sich einer Aussage, und zwar zu Recht.
    Betrachten wir zwei Aussagen:
    1. Es gibt eine Welt, die an sich besteht.
    2. Es gibt keine Welt, alles ist nur Traum.
    Wie falsifiziere ich diese Aussagen? Ich kann es nicht! Genau dies sagt der Skeptizismus. Mehr nicht. Da gibt es gerade keine "petitio principii", wie es etwa Josef Klein meint. Der skeptische Zweifel ist tatsächlich nicht falsifizierbar. Er muss es aber auch nicht sein! Er enthält keine Aussage über etwas Bestehendes. Er sagt nur, dass beweisbar wahre Aussagen im Sinne mathematischer Beweise über die Herkunft unserer Eindrücke nicht möglich sind. Wir können das Bestehen einer Welt nicht in diesem Sinne beweisen.

    Selbstverständlich gibt es eine Welt, die an sich besteht. Ihre Existenz lässt sich nicht beweisen, aber es lassen sich dafür in jeder Menge leicht beste Argumente finden. Aus praktischer Sicht ist der skeptische Zweifel daher bedeutungslos. Aus theoretischer Sicht ist er allerdings interessant. Er lässt uns verstehen, worum es im Erkenntnisprozess geht: Es geht darum, aus unseren Eindrücken eine Wirklichkeit zu erschliessen.
  • Determinismus in einer nichtdeterministischen Welt

    27.06.2011, Dr. Gunter Berauer, München
    Nach Seite 58 links oben sind die Wissenschaftsphilosophen der Meinung, man könne Kausalität auch probabilistisch verstehen und deshalb auch in unserer quantenmechanischen Welt Kausalerklärungen – eben auf der probabilistischen Ebene - suchen. Bei der probabilistischen Beschreibung der Natur werden nicht die physikalischen Größen selbst, sondern deren Verteilungsdichtefunktionen zur Systembeschreibung verwendet. Auf dieser Beschreibungsebene gibt es prinzipiell keinen Zufall mehr und den Dichtefunktionen an Aus- und Eingang aller denkbaren Systeme bleibt aus rein mathematischen Gründen nicht anderes übrig, als kausal voneinander abzuhängen. Das heißt: Auf der probabilistischen Ebene ist jede beliebige Welt per definitionem kausal und damit deterministisch. Der Term „probabilistische Kausalität“ sagt also nichts aus, er ist nichts weiter als eine Tautologie, die deshalb auch nicht als Stütze für den Glauben an eine deterministische Welt geeignet ist. Mit dem gleichen Recht könnte man auch von einer linearen Welt reden. Es lässt sich nämlich sehr einfach zeigen, dass bei einer probabilistischen Systembeschreibung alle denkbaren Systeme, seien sie noch so kompliziert, immer dem Superpositionsprinzip gehorchen; und damit ist der Zusammenhang zwischen Ausgangs- und Eingangs-Verteilungsdichtefunktionen grundsätzlich und immer linear, also mit einer linearen Differential- oder Integralgleichung beschreibbar. Mit demselben Recht, mit dem der Autor von „probabilistischer Kausalität“ in der Welt redet, könnte man also ebenso sagen, dass unsere Welt „probabilistisch linear“ sei. Das ist sie schon, aber auch das ist eben nur eine Tautologie und sagt nichts über unsere Welt aus, denn jede beliebige Welt ist in einer probabilistischen Beschreibung notwendigerweise vollständig kausal und exakt linear.

    Im vorletzten Absatz des Beitrags wird behauptet, die fundamentalen physikalischen Eigenschaften, sofern sie von der Quantenmechanik behandelt werden, seien kausale Eigenschaften, die sich spontan manifestieren. Wie soll man das aber verstehen? Kausal ist etwas, weil es zwangsläufig aus etwas anderem folgt, wenn sich etwas aber spontan manifestiert, dann ist es eben doch zufällig und nicht kausal begründet. Auch dieser (widersprüchliche) Gedanke einer spontanen Kausalität scheint mir nicht mehr zu sein als der verzweifelte Versuch, den Determinismus in einer nichtdeterministischen Welt zu retten.

  • Fundamentalistische Betrachtungen

    21.06.2011, Paul Kalbhen, Gummersbach
    Wie einseitig wirken doch Michael Springers fundamentalistische Betrachtungen zum Lotteriespiel eines konservativen Darwinismus auf Grund von "Mutation und Selektion" oder "survival of the fittest" bzw. eines falsch gedeuteten schwachen "anthropischen Prinzips", wenn man die statistischen mathematischen Gesetzmäßigkeiten hinter den Zellkernprozessen des Beitrags "Vom Innenleben des Genoms" im selben Heft dagegen hält. Der Chemie-Nobelpreisträger Manfred Eigen schrieb schon 1992: "Evolution beschreibt die Entstehung von Information. Fixiert ist diese Information in den Genen der Lebewesen. ... In einer solchen Zielgerichtetheit des Evolutionsprozesses kommt vielleicht am ehesten die Wandlung des Darwin'schen Weltbildes zum Ausdruck." (Stufen zum Leben, Piper Verlag München, Neuausgabe)
  • Der Begriff: Menschenrecht

    21.06.2011, Dr.-Ing. Adalbert Rabich, Dülmen
    Gerechtigkeit und Ansprüche auf Einhaltung von Menschenrechten ist nicht nur ein Problem der Standardisierung in der Terminologie, sondern "Recht" und "Rechtsanspruch" sind mit einem Gefühl des Menschen dafür verbunden, das in die jeweilige Kultur- und Justiz-Welt, d.h. in bestehende Machtverhältnisse eingebettet ist. Es ist lobenswert, wenn man die gegenwärtige spezifische Situation in der Rationalität und nach dem Stand der Wissenschaft erörtert, weil Ungerechtigkeiten der Anfang von Zwietracht und Revolution sind.

    Im zweiten Aufsatz kommt der Verfasser1 auf die Evolution des Menschen zu sprechen, aus der – wie man heute annimmt – das Auswahlkriterium für die vorteilhafteste Art zu überleben hervorgeht. Aus dem weiteren Zusammenleben der Menschen folgt ein Maßstab richtigen Handelns für deren soziale Existenz. Das schafft prinzipiell einen gewissen moralischen Grundstock für staatliche und individuelle Entscheidungen. Gesetze, internationale Vereinbarungen dienen von daher insbesondere der praktisch-politischen Durchsetzbarkeit.2 Ob diese allerdings einer idealistischen Theorie genügen, müsste auf der Grundlage dieser Theorie geprüft werden, wenn nicht, dann verschiebt sich das philosophische Dilemma in die Frage nach der Realisier- und Vereinbarkeit einzelner Interessengebilde im Rahmen heterogener Komplexität und in die der Autorität des Staates in seinem Durchsetzungsvermögen. Ohnehin ist der Staat nicht schlichtweg gleich Hüter der Moral, denn ihm obliegt die Bestimmung darüber, was Allgemeinwohl ist und in wieweit die individuellen "Rechtsansprüche" dagegen aufgewogen werden können und dürfen, z.B. in der Existenzsicherung, einer Verwirklichung eines "Rechtes auf Arbeit" und Gelderwerb.

    Im ersten Aufsatz gibt der Verfasser3 eine Geschichtsdarstellung der verschiedenen uns schriftlich überlieferten Meinungen über Gerechtigkeit, die keineswegs den tatsächlichen Sachverhalt im jeweils real existierenden Staat wiedergeben, wie auch betont wird, dass Gesetze immer nur pauschale Regelungen treffen können, die im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen.4 Beispiele für Sollvorschriften für eine Regierung liefern der Philosoph Locke, wonach der Staat ein Mittel sei, die Menschenrechte zu sichern5, und weitere Philosophen, aber die Vorgänge in der Geschichte der Herrschaften und Staaten liefern haufenweise Beispiele für die Missachtung von Menschenrechten, von der Entfernung vom kommunitaristischen Denken und der Differenzierung des Nützlichkeits-Prinzips auf Gemeinschaften innerhalb eines Gemeinschaften-Gemenges. Wenn man die Menschen nur als eine Sonderheit innerhalb von Lebewesen betrachtet, dann kommt man in elementare Konflikte, welche Vorzüge liegen in der Ethik von Menschen gegenüber Tieren? Was für ein fundamentaler Trend liegt in der Evolution an sich und ist dieser irgendwie mitbestimmend in den Fassungen unserer Moral? Wonach richtet sich eine Moral-Änderung?

    Beide Aufsätze demonstrieren die gegenwärtige Unzulänglichkeit und Unklarheit der relevanten Begriffe und die Widersprüchlichkeiten zwischen Vorstellung und Wirklichkeit.
    Deshalb bleibt man unbefriedigt.

    1Hinsch, Spektrum der Wissenschaft 7/2011, S. 74, 3. Absatz
    2Hinsch, Spektrum der Wissenschaft 7/2011, S. 74, r. Spalte, 1. Absatz
    3Nida-Rümelin, Spektrum der Wissenschaft, S. 62ff. "Was ist gerecht?"
    4Nida-Rümelin, Spektrum der Wissenschaft, S. 63, r. Sp. oben
    5Nida-Rümelin, Spektrum der Wissenschaft, S. 64, r. Sp., 2. Absatz
  • Eindringtiefe

    18.06.2011, Georg Notni, Jena
    Mir ist eine Behauptung des Artikels unverständlich: "Auch war bislang die Untersuchung biologischer Proben mit Hilfe fluoreszierender Proteine dadurch limitiert, dass der Laserstrahl nur bis zu einer gewissen Tiefe in das Gewebe eindringen kann." - Hier ist doch sicher der die Fluoreszenz anregende Laserstrahl gemeint, richtig?

    "Bei dieser neuen Methode wird das Lasersignal nun direkt in der zu untersuchenden Zelle erzeugt." - so weit, so klar, aber: Die untersuchte Zelle kann doch auch nur dort Laserstrahlung abgeben, wo der anregende Laserstrahl hinkommt. Wieso sollte der aber nun tiefer eindringen als bisher und damit das oben genannte Limit überschreiten?
    Stellungnahme der Redaktion

    Lieber Herr Notni,



    vielen Dank für Ihren Leserbrief. Die Eindringtiefe des anregenden Laserstrahls ist wellenlängenabhängig – kurzwelliges Licht wird stärker gestreut als langwelliges. Das ist für die Wissenschaftler eigentlich von Nachteil, denn der äußere Laser, der den Zell-Laser pumpt, hat eine kleinere Wellenlänge.
    Aber wenn das Lasermedium sich direkt in der abzubildenden Zelle befindet ist es nicht wichtig, wie stark das Laserlicht gestreut wird, solange ausreichend Signal in der Zelle ankommt. Bei der direkten Bilderzeugung durch eine Anregung "von außen" ist eine möglichst geringe Streuung wünschenswert, damit man einen guten Kontrast erhält. Im Fall des Zell-Lasers ist der zweite, äußere Laser nur dazu da, um das Lasermedium, also das Grün-Fluoreszierende Protein (GFP), in der Zelle anzuregen. (Durch die im Lasermedium aufgebaute Besetzungsinversion wird durch stimulierte Emission das von der Zelle erzeugte Laserlicht verstärkt.) Es muss also nur soviel Laserlicht in die Zelle gebracht werden, dass der Anregungsprozess aufrechterhalten werden kann, dann erzeugt die Zelle selbst ausreichend Laserlicht, das für die Bildgebung verwendet wird.



    Es gibt auch bereits Veröffentlichungen darüber, dass man das GFP mittels infraroter Strahlung über einen Zweiphotonenprozess anregen kann - dies wäre im Hinblick auf die Eindringtiefe der optimalste Anregungsprozess.



    Allerdings wird auch das Fluoreszenzlicht auf dem Weg zum Detektor gestreut. Dieser Prozess kann durch das neue Verfahren nicht verbessert werden. Auch ist eine Anwendung in lebenden Organismen bisher noch nicht möglich, da der Resonator für die Laseraktivität notwendig ist, damit der Vorgang der stimulierten Emission effektiv ist.



    Mit freundlichen Grüßen


    Janina Fischer (Redaktion spektrumdirekt)

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