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Kommentare - - Seite 1

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  • Gravitationswellen

    31.03.2016, Friedrich Damm, Tübingen
    Hier mal wieder eine Frage an die Experten: wie wurde die Entfernung zum Ereignis GW150914 ermittelt? Es ist die Rede von 1.2, bzw. 1.3, Milliarden Lichtjahren, aber wie wird das gemessen? Bei elektromagnetischer Strahlung ist es die Rotverschiebung, und damit einhergehend die Verschiebung von Absorptionslinien in den langwelligeren Bereich, die auf die Entfernung rückschließen lässt. Aber Gravitationswellen haben keine Absorptionslinien!

    Auch ist die Verschiebung durch die Expansion der Raumzeit hervorgerufen. Müssten dann nicht auch Gravitationswellen "rotverschoben" - sprich langwelliger sein?! Nur wie will man diese Verschiebung messen, ohne Linien?

    Außerdem reden wir hier doch immer nur im "Wellenbild". Aber wenn es so etwas wie die Quantengravitation gibt, dann müsste es auch Gravitonen geben! Und das führt mich zu meiner vorletzten Frage hierzu, nämlich wie sich das Ganze im Teilchenbild darstellt?

    Gravitation wechselwirkt mit Energie und Materie. Sollten dann nicht auch vergleichbare Effekte wie der Sunjajew-Seldowitsch-, oder der Sachs-Wolfe-Effekt auftreten? Und wie ließe sich so ein Effekt nachweisen, bzw. aus den Beobachtungen herausrechnen?


    Ich bin wirklich gespannt, wie weit ich diesmal mit meinen Fragen danebenliege...
    Stellungnahme der Redaktion




    Lieber Herr Damm,

    Sie liegen mit Ihren Fragen überhaupt nicht "daneben". Aber der Reihe nach! Es sind ja (fast zu) viele Fragen auf einmal.

    Die Entfernung wurde letztlich aus dem Zeitverlauf und der Stärke der Wellen ermittelt. Aus dem Zeitverlauf ergibt sich die Masse der beiden beteiligten Objekte; daraus wiederum die wahre Stärke der Wellen in einer vorgegebenen Entfernung, z.B. in einem Lichtjahr Entfernung (für astronomisch Vorgebildete: sowas wie eine absolute Helligkeit). Aus dem Vergleich dieser Stärke mit der hier an der Erde gemessenen ergibt direkt sich die Entfernung - nach dem üblichen Abstandsgesetz für eine Wellen-Amplitude.

    Eine Rotverschiebung tritt bei Gravitationswellen wie bei jeder anderen Welle ebenfalls auf. Allerdings ist sie, wie Herr Damm ganz richtig sagt, nicht direkt messbar. Sie ergibt sich umgekehrt aus der im vorigen Abschnitt berechneten Entfernung. Und sie muss umgekehrt dann als Korrektur bei der Interpretation des Zeitverlaufs der Welle berücksichtigt werden.

    Die Frage nach dem Teilchenbild ist richtig gestellt. Die Antwort lautet, dass es aber irrelevant ist. Einzelne Gravitonen werden nie nachweisbar sein; das Wellenbild beschreibt das von der Ferne beobachtbare Phänomen vollständig. Wenn es Gravitonen gibt, dann verhalten sie sich jedenfalls sehr ähnlich wie Photonen, jedoch mit den zum Beispiel in SuW 3/2016, Seite 10 von mir diskutierten charakteristischen Unterschieden.

    Genau wie Photonen (Lichtwellen) so erleiden auch Gravitationswellen den Sachs-Wolfe-Effekt. Dieser ist ja letztlich nur eine gravitative Rot-/Blauverschiebung. Der Sunjajew-Seldowitsch-Effekt tritt dagegen nicht auf, da Gravitonen (wenn es sie gibt) nicht merklich von Gasteilchen gestreut werden können. Aber auch den Sachs-Wolfe-Effekt wird man wohl niemals nachweisen können. Erstens ist er sehr klein (wir erinnern uns an die fehlenden Spektrallinien!), zweitens ist er ja nur durch Vergleich vieler am Himmel benachbarter Strahlungsquellen überhaupt erkennbar. Und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die Gravitationswellen-Astronomie jemals ein solches Stadium erreichen könnte.

    Herzliche Grüße,
    Ihr Leserbriefredakteur,
    Ulrich Bastian


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