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08.11.2021, Dr. Tanja Rindler-Daller, Universitätssternwarte Wien
Ich kann Lutz Clausnitzers Aussagen in dem Artikel "Ist die Astronomie ein Spezialgebiet?" in der Oktoberausgabe 2021 uneingeschränkt zustimmen. Die Astronomie ist eine eigenständige Disziplin mit vielen Querverbindungen zu anderen Naturwissenschaften, zur Mathematik, Informatik und Technik, sowie zu Geisteswissenschaften wie Philosophie, Geschichte und Archäologie. Die Astronomie ist nicht auf Astrophysik reduzierbar. Was die Disziplinfrage angeht, ist selbst an den Hochschulen ein steter Einsatz nötig; die Tatsache dass Astronomie in Deutschland als "kleines Fach" gilt, sagt schon einiges über die Problematik aus. Und gab es zu meiner Studienzeit noch drei Standorte in Österreich, wo man Astronomie vom ersten Semester an als eigenständiges Fach studieren konnte, ist heutzutage nur noch jener in Wien übriggeblieben. Der Reduktionismus, Astronomie auf Astrophysik zu beschränken ist für mich insofern unerklärlich, da wir eine Fülle neuer Disziplinen aus dem Boden wachsen sehen. Es gibt in der modernen Welt mehr Wissenschaften als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. Warum will man dann gerade die älteste von ihnen, die Astronomie, in einen Studienzweig, oder eine Teildisziplin der Physik subsumieren? Abgesehen davon, dass es mittlerweile mehr "Astro"-Teildisziplinen gibt (Astrophysik, Astrobiologie, Astrochemie, Astromineralogie, Astrostatistik, Astroinformatik, etc), als je zuvor; sie sind alle aus der Astronomie erwachsen.
Als Schulfach kann Astronomie einen enormen Beitrag zur Allgemeinbildung, wie auch zu einem allgemeineren Wissenschaftsverständnis leisten. Und gerade auch letzteres ist für moderne Gesellschaften unumgänglich. Wir sehen ja gerade in diesen Tagen was passiert, wenn es hier Defizite gibt. Ich freue mich über all den Einsatz engagierter Lehrkräfte in den Schulen, astronomische Erkenntnisse den Schülern und Schülerinnen näher zu bringen, auch was Aktivitäten hier in Österreich angeht. Ich wünsche allen deutschen Kollegen und Kolleginnen viel Erfolg in dem Bestreben, Astronomie in der Schule auszubauen und weiter zu etablieren. Ich würde mir solch ein Ziel auch für Österreich wünschen, aber ohne den gleichen historischen Hintergrund erachte ich dieses Unterfangen hier als noch schwieriger. Es mag sich jeder/jede selbst die befremdliche Frage stellen, warum im ehemaligen "Ostblock" Astronomie ein Schulfach war, aber im sogenannten "Westen" nicht? Menschen wie Lutz Clausnitzer leisten mit ihrem Einsatz einen unschätzbaren Beitrag zu einer aufgeklärten Gesellschaft im besten Sinne des Wortes, worin Aufklärung auch Freiheit des Menschen impliziert. Wie sagte Immanuel Kant (1724-1804): "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt oder im Überschwenglichen, außer meinem Gesichtskreise suchen und bloß vermuten; ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein meiner Existenz."
Möge das Erbe von Lutz Clausnitzer weiterwirken und weiterwachsen!
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Ist die Astronomie ein Spezialgebiet?
08.11.2021, Dr. Tanja Rindler-Daller, Universitätssternwarte WienAstronomie ist nicht auf Astrophysik reduzierbar. Was die Disziplinfrage
angeht, ist selbst an den Hochschulen ein steter Einsatz nötig; die
Tatsache dass Astronomie in Deutschland als "kleines Fach" gilt, sagt
schon einiges über die Problematik aus. Und gab es zu meiner Studienzeit
noch drei Standorte in Österreich, wo man Astronomie vom ersten Semester
an als eigenständiges Fach studieren konnte, ist heutzutage nur noch
jener in Wien übriggeblieben. Der Reduktionismus, Astronomie auf
Astrophysik zu beschränken ist für mich insofern unerklärlich, da wir
eine Fülle neuer Disziplinen aus dem Boden wachsen sehen. Es gibt in der
modernen Welt mehr Wissenschaften als je zuvor in der Geschichte der
Menschheit. Warum will man dann gerade die älteste von ihnen, die
Astronomie, in einen Studienzweig, oder eine Teildisziplin der Physik
subsumieren? Abgesehen davon, dass es mittlerweile mehr
"Astro"-Teildisziplinen gibt (Astrophysik, Astrobiologie, Astrochemie,
Astromineralogie, Astrostatistik, Astroinformatik, etc), als je zuvor;
sie sind alle aus der Astronomie erwachsen.
Als Schulfach kann Astronomie einen enormen Beitrag zur
Allgemeinbildung, wie auch zu einem allgemeineren
Wissenschaftsverständnis leisten. Und gerade auch letzteres ist für
moderne Gesellschaften unumgänglich. Wir sehen ja gerade in diesen Tagen
was passiert, wenn es hier Defizite gibt. Ich freue mich über all den
Einsatz engagierter Lehrkräfte in den Schulen, astronomische
Erkenntnisse den Schülern und Schülerinnen näher zu bringen, auch was
Aktivitäten hier in Österreich angeht. Ich wünsche allen deutschen
Kollegen und Kolleginnen viel Erfolg in dem Bestreben, Astronomie in der
Schule auszubauen und weiter zu etablieren. Ich würde mir solch ein
Ziel auch für Österreich wünschen, aber ohne den gleichen historischen
Hintergrund erachte ich dieses Unterfangen hier als noch schwieriger. Es
mag sich jeder/jede selbst die befremdliche Frage stellen, warum im
ehemaligen "Ostblock" Astronomie ein Schulfach war, aber im sogenannten
"Westen" nicht? Menschen wie Lutz Clausnitzer leisten mit ihrem Einsatz
einen unschätzbaren Beitrag zu einer aufgeklärten Gesellschaft im besten
Sinne des Wortes, worin Aufklärung auch Freiheit des Menschen
impliziert. Wie sagte Immanuel Kant (1724-1804):
"Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender
Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken
damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische
Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt oder im
Überschwenglichen, außer meinem Gesichtskreise suchen und bloß vermuten;
ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein
meiner Existenz."
Möge das Erbe von Lutz Clausnitzer weiterwirken und weiterwachsen!