Szientometrie: Psychologie in der Krise
Die Gründe hierfür sehen Experten darin, dass viele Psychologen ihre Untersuchungen zu lax durchführen. Insbesondere legen sie die Schlüsselfaktoren ihrer Studien – Teilnehmerzahl, zu messende Variablen und Auswerteverfahren – quasi nebenbei fest. Das ermöglicht ihnen, Versuche so lange hinzubiegen, bis ein positives Ergebnis herauskommt, wie "Spektrum der Wissenschaft" in der Februarausgabe berichtet.
Verschärft wird die Situation noch durch die Auswahlkriterien der Fachzeitschriften. Wie Psychologen selbst zugeben, veröffentlichen die Journale bevorzugt "leicht abgedrehte" Studien. Die Ergebnisse müssten neu, interessant, spannend, plakativ oder sogar unglaubwürdig sein, um publiziert zu werden. Nun suchen Psychologen nach neuen Wegen, um das Reproduzieren von Studien zu unterstützen und ihr Fachgebiet damit wieder glaubwürdiger zu machen.
Hintergrund: In allen Wissenschaftsgebieten neigen Fachzeitschriften dazu, bevorzugt positive Studien zu veröffentlichen – kein Wunder, denn die Journale berichten mit Vorliebe über neue, spannende Ergebnisse. Diese Tendenz ist in verschiedenen Fachrichtungen aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Wie der Statistiker Theodore Sterling in einer Untersuchung feststellte, hatten 97 Prozent der Studien in vier wichtigen Psychologie-Journalen statistisch signifikante Positivergebnisse gemeldet – ein Spitzenwert. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein veröffentlichtes Ergebnis positiv ausfällt, in der Psychologie fünfmal so hoch wie in der Weltraumforschung, die am anderen Ende des Spektrums liegt.
Auch die biomedizinische Forschung sticht durch einen sehr hohen Anteil von publizierten Positivstudien heraus. Und auch hier schlagen Versuche, die Ergebnisse zu reproduzieren, häufig fehl. Das Problem ist so drängend geworden, dass kommerzielle Dienstleister mittlerweile anbieten, Experimente gegen Bezahlung unabhängig zu wiederholen, um die Ergebnisse vertrauenswürdiger zu machen.
Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, Februar 2013
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