Tagebuch: Bulgarien und Rumänien Tag 2
Emanuela Buyer besuchte für Spektrum der Wissenschaft Institute und Universitäten in Sofia und Bukarest. In ihrem Tagebuch berichtet sie über die von der Robert-Bosch-Stiftung veranstaltete Reise.
17. Oktober
Die bunte Welt der Wissenschaft
Ein deutsches Diplom, hochschlagende Emotionen, brain drain mit Hoffnung, und ein Schein der trog.
Das Vormittagsprogramm ist ein Besuch der Universität für chemische Technologie und Metallurgie. Eher förmlich werden wir im Konferenzraum der Einrichtung empfangen. Was der Direktor und die Professoren erzählen klingt zunächst sehr positiv. Besonders erstaunt mich, dass die Studenten hier die Möglichkeit haben, ein deutsches Diplom in Verfahrenstechnik zu machen, und dass dieser Studiengang dazu noch in Deutsch gelehrt wird. Das war nicht das letzte Mal, dass ich über die Bedeutung, die der Westen und insbesondere auch die deutschen Sprache und Kultur für Bulgarien hat, staune.
Doch kratzt man ein wenig am Lack der Selbstdarstellung, kommen eher erschreckende Wahrheiten zu Tage. Zwar scheint sich schon vieles verbessert zu haben, der Westen schickt Fördergelder und die Ausbildung scheint ein hohes Niveau zu haben, doch die Fragen nach Finanzen und Attraktivität der Forschung bestätigen unsere Erwartungen. Im letzten Jahr betrug das Forschungsbudget für die gesamte Universität 1,5 Millionen Lew, was in etwa 750 000 Euro entspricht. Es überrascht darum nicht, dass Auftragsarbeiten aus der Industrie den größten Anteil an Forschungsprojekten stellen. „Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie schreiben, wir hätten sehr viel Geld“, sorgt sich Direktor Kiril Stanulov. Denn auch wenn sich die Regierungsausgaben für die Forschung deutlich erhöhen, die für EU-Länder anzustrebenden 3% des Bruttoinlandproduktes sind noch mehr als utopisch.
Die Forschung der Universität ist breit gefächert und sehr auf Anwendung konzentriert. So entwickelten sie in einem der Labore unter anderem eine neuartige Brennstoffzelle, die nicht von reinem Wasserstoff gespeist werden muss, sondern die in der Lage ist den Stoff im Innern selbst von Methan abzuspalten.
Außerdem überprüfen und optimieren sie Textilien, deren Widerstandsfähigkeit gegen Säuren oder auch einfache Umwelteinflüsse sie mit Hilfe einer Nanobeschichtung aus Siliziumoxid und Siliziumnitrat optimieren. Interessant sind die Stoffe vor allem für das Militär, und auch die Bundeswehr scheint ein Abnehmer zu sein.
Nachmittag
Damit uns nicht langweilig wird, sind für den Nachmittag zwei weitere Besuche veranschlagt. Direkt nach dem Mittagessen geht es in das Zentrum für Bevölkerungsstudien. Es ist eine kleine Truppe und ein herzlicher Empfang in einem alten Klassenzimmer der mathematischen Fakultät. Das Institut selbst verfügt über keinen Raum der groß genug wäre uns aufzunehmen.
Beim Pressegespräch schlugen schon bald die Emotionen hoch. Es wurde deutlich, wie persönlich die Forscher die angesprochenen Themen wie Kinderlosigkeit, Verarmung, Migration vom Land in die Stadt und die Minderheitenproblematik nahmen. Und alles ist verworren, verwoben und irgendwie hoffnungslos: Das Land stirbt aus, die Stadt verarmt, die ausgebildeten jungen Leute begehen „Brain Drain“ und wandern ins Ausland ab und Kinder bekommt sowieso niemand mehr – das heißt, niemand außer die „Zigeuner“, die dafür gleich acht auf einmal bekommen, schon mit dreizehn anfangen und ohnehin nur von Sozialhilfe und Diebstahl leben. Nachdem uns schon einige Gespräche mit unserer Reiseleiterin Romi für eine eher weniger verborgene Antipathie gegen Sinti und Roma sensibilisiert hatte, wurde vor allem die letzte Feststellung von unserer kleinen Gruppe nicht allzu gut aufgenommen.
Doch am Ende der schwarzen Gegenwart scheint ein Licht, das EU heißt. Maria Belcheva ist zuversichtlich: „Schlechte Bedingungen in der Heimat sind der Grund sind für den „Brain Drain“ und nicht einfach die Reiselust. Wir erwarten einen Rückgang der Immigration, ja vielleicht sogar ein Rücklauf der Ausgewanderten, da sich mit dem EU Beitritt auch die Umstände bessern werden.“
Nach diesem Termin, bei dem wir mehr Einblicke in die Menschen als in die Wissenschaft bekommen hatten, geht es weiter zur Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Feierlich werden wir in einem altehrwürdigen Gebäude empfangen. Am Kopf der großen Tafel sitzt der Vizepräsident der Akademie, Naum Yakimoff und ausgewählte Vertreter. Auch die zwei Landesflaggen durften nicht fehlen. Stolz berichtete Juchnovski von den Forschungserfolgen der Akademie und ihrer altehrwürdigen Geschichte. Er vermittelt den Eindruck, als sei für ihn und seine Mitarbeiter die Welt in Ordnung. Zwar zahlt der Staat nur die Gehälter, doch scheinen die der Akademie angehörigen Institutionen ein Niveau zu besitzen, auf dem sie erfolgreich mit Forschungsgruppen der restlichen Welt um internationale Fördergelder konkurrieren können. Umso überraschter war ich, als Professor Davidov vom Demographischen Institut beim gemeinsamen Abendessen erzählt, dass gerade die Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften die niedrigsten Gehälter bekämen und von den meisten anderen eher bemitleidet als bewundert würden. Und wirklich, wer in Bulgarien in der Forschung tätig sein will, muss beinahe schon Idealist sein, könnte er doch mit demselben Hirn in der Wirtschaft das Zehnfache verdienen.
Morgen Vormittag besuchen wir das Institut für Nuklearforschung und Nuklearenergie. Werde ich strahlengeschädigt nach Hause kommen?
17. Oktober
Die bunte Welt der Wissenschaft
Ein deutsches Diplom, hochschlagende Emotionen, brain drain mit Hoffnung, und ein Schein der trog.
Das Vormittagsprogramm ist ein Besuch der Universität für chemische Technologie und Metallurgie. Eher förmlich werden wir im Konferenzraum der Einrichtung empfangen. Was der Direktor und die Professoren erzählen klingt zunächst sehr positiv. Besonders erstaunt mich, dass die Studenten hier die Möglichkeit haben, ein deutsches Diplom in Verfahrenstechnik zu machen, und dass dieser Studiengang dazu noch in Deutsch gelehrt wird. Das war nicht das letzte Mal, dass ich über die Bedeutung, die der Westen und insbesondere auch die deutschen Sprache und Kultur für Bulgarien hat, staune.
Doch kratzt man ein wenig am Lack der Selbstdarstellung, kommen eher erschreckende Wahrheiten zu Tage. Zwar scheint sich schon vieles verbessert zu haben, der Westen schickt Fördergelder und die Ausbildung scheint ein hohes Niveau zu haben, doch die Fragen nach Finanzen und Attraktivität der Forschung bestätigen unsere Erwartungen. Im letzten Jahr betrug das Forschungsbudget für die gesamte Universität 1,5 Millionen Lew, was in etwa 750 000 Euro entspricht. Es überrascht darum nicht, dass Auftragsarbeiten aus der Industrie den größten Anteil an Forschungsprojekten stellen. „Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie schreiben, wir hätten sehr viel Geld“, sorgt sich Direktor Kiril Stanulov. Denn auch wenn sich die Regierungsausgaben für die Forschung deutlich erhöhen, die für EU-Länder anzustrebenden 3% des Bruttoinlandproduktes sind noch mehr als utopisch.
Die Forschung der Universität ist breit gefächert und sehr auf Anwendung konzentriert. So entwickelten sie in einem der Labore unter anderem eine neuartige Brennstoffzelle, die nicht von reinem Wasserstoff gespeist werden muss, sondern die in der Lage ist den Stoff im Innern selbst von Methan abzuspalten.
Außerdem überprüfen und optimieren sie Textilien, deren Widerstandsfähigkeit gegen Säuren oder auch einfache Umwelteinflüsse sie mit Hilfe einer Nanobeschichtung aus Siliziumoxid und Siliziumnitrat optimieren. Interessant sind die Stoffe vor allem für das Militär, und auch die Bundeswehr scheint ein Abnehmer zu sein.
Nachmittag
Damit uns nicht langweilig wird, sind für den Nachmittag zwei weitere Besuche veranschlagt. Direkt nach dem Mittagessen geht es in das Zentrum für Bevölkerungsstudien. Es ist eine kleine Truppe und ein herzlicher Empfang in einem alten Klassenzimmer der mathematischen Fakultät. Das Institut selbst verfügt über keinen Raum der groß genug wäre uns aufzunehmen.
Beim Pressegespräch schlugen schon bald die Emotionen hoch. Es wurde deutlich, wie persönlich die Forscher die angesprochenen Themen wie Kinderlosigkeit, Verarmung, Migration vom Land in die Stadt und die Minderheitenproblematik nahmen. Und alles ist verworren, verwoben und irgendwie hoffnungslos: Das Land stirbt aus, die Stadt verarmt, die ausgebildeten jungen Leute begehen „Brain Drain“ und wandern ins Ausland ab und Kinder bekommt sowieso niemand mehr – das heißt, niemand außer die „Zigeuner“, die dafür gleich acht auf einmal bekommen, schon mit dreizehn anfangen und ohnehin nur von Sozialhilfe und Diebstahl leben. Nachdem uns schon einige Gespräche mit unserer Reiseleiterin Romi für eine eher weniger verborgene Antipathie gegen Sinti und Roma sensibilisiert hatte, wurde vor allem die letzte Feststellung von unserer kleinen Gruppe nicht allzu gut aufgenommen.
Doch am Ende der schwarzen Gegenwart scheint ein Licht, das EU heißt. Maria Belcheva ist zuversichtlich: „Schlechte Bedingungen in der Heimat sind der Grund sind für den „Brain Drain“ und nicht einfach die Reiselust. Wir erwarten einen Rückgang der Immigration, ja vielleicht sogar ein Rücklauf der Ausgewanderten, da sich mit dem EU Beitritt auch die Umstände bessern werden.“
Nach diesem Termin, bei dem wir mehr Einblicke in die Menschen als in die Wissenschaft bekommen hatten, geht es weiter zur Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Feierlich werden wir in einem altehrwürdigen Gebäude empfangen. Am Kopf der großen Tafel sitzt der Vizepräsident der Akademie, Naum Yakimoff und ausgewählte Vertreter. Auch die zwei Landesflaggen durften nicht fehlen. Stolz berichtete Juchnovski von den Forschungserfolgen der Akademie und ihrer altehrwürdigen Geschichte. Er vermittelt den Eindruck, als sei für ihn und seine Mitarbeiter die Welt in Ordnung. Zwar zahlt der Staat nur die Gehälter, doch scheinen die der Akademie angehörigen Institutionen ein Niveau zu besitzen, auf dem sie erfolgreich mit Forschungsgruppen der restlichen Welt um internationale Fördergelder konkurrieren können. Umso überraschter war ich, als Professor Davidov vom Demographischen Institut beim gemeinsamen Abendessen erzählt, dass gerade die Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften die niedrigsten Gehälter bekämen und von den meisten anderen eher bemitleidet als bewundert würden. Und wirklich, wer in Bulgarien in der Forschung tätig sein will, muss beinahe schon Idealist sein, könnte er doch mit demselben Hirn in der Wirtschaft das Zehnfache verdienen.
Morgen Vormittag besuchen wir das Institut für Nuklearforschung und Nuklearenergie. Werde ich strahlengeschädigt nach Hause kommen?
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