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Tagebuch: Bulgarien und Rumänien Tag 3

Myonendetektor
Emanuela Buyer besuchte für Spektrum der Wissenschaft Institute und Universitäten in Sofia und Bukarest. In ihrem Tagebuch berichtet sie über die von der Robert-Bosch-Stiftung veranstaltete Reise.

Mittwoch, 18. Oktober

Der geheimnisvolle Reaktor

Beinahe Politkrimi, ein überforderter Heizkörper, anspruchsvolle Grundlagenforschung, bulgarische Geisteswissenschaften und deutsches Recht.

Vormittag

Auf den jetzt anstehenden Termin war ich persönlich am meisten gespannt: Das Institut für Nuklearforschung und Nuklearenergie mit seinem stillgelegten Forschungsreaktor. Es ist nicht nur die einzige rein physikalische Einrichtung – was mir als Physikerin natürlich gefällt – ich komme mir auch ein wenig wie im Politkrimi vor: Wir mussten nicht nur schon lange vorher unsere Personalien angeben, auch unseren Reisepass sollten wir auf keinen Fall vergessen. Da es eine Forschungseinrichtung der Akademie der Wissenschaften ist, weiß ich schon zuvor was ich auf jeden Fall erwarten darf: unterbezahlte Mitarbeiter.
Diese warten auch schon ungeduldig, als wir etwas verspätet eintreffen. Ein hübsches Häuschen in einer parkähnlichen Anlage. Der Grund für das umgebende Grün ist, so erfahren wir unter der Hand, dass niemand in der Nähe des Forschungsreaktors sein Häuschen bauen will. Auch nicht schlecht.
Richtig willkommen fühle ich mich nicht sofort. In einem Konferenzraum steht in einer Ecke ein kleiner elektrischer Heizer, der mit vollem Einsatz aber erfolglos versucht, ein wenig Wärme in den eiskalten Raum zu bringen. Wir Journalisten sitzen mit unseren Winterjacken am Tisch, während die bulgarischen Wissenschaftler nichts anderes gewohnt zu sein scheinen. Offensichtlich härten Sparmaßnahmen ab.
Professor Todorov erinnert mich an den Professor für Theoretische Physik, bei dem ich damals Prüfung hatte: klein, alt und nicht ganz von dieser Welt. Immerhin aber ist er nicht unbekannt, seit er 2003 den Humboldt Forschungspreis gewonnen hat.
Die Fragen drehen sich nicht in erster Linie, wie die Wissenschaftler es anscheinend gerne hätten, um ihre Projekte, sondern um die Sicherheit des Forschungsreaktors im Besonderen und der bulgarischen Kernkraftwerke im Allgemeinen. Dass sie solche Fragen nicht erwartet hätten, behauptet niemand. Warum aber gerade dafür kein Experte anwesend ist, scheint für einige von uns ein eher gewollter Zufall.
Die Führung durch die Labore gestaltet sich interessant. Hier bekommt man den Eindruck, dass wirklich Grundlagenforschung betrieben wird: ein Myonendetektor für den Cern ist im Bau und ganz stolz präsentieren sie auch ihren Superrechner, eine Vernetzung privater Computer über das Internet. Auch die Beschreibungen des Observatoriums in knapp 3000 Metern Höhe, mit dem die Sonnenaktivität gemessen wird, klingen nach internationalem Standard.
Der Höhepunkt des Rundgangs sollte nun der Reaktor selber sein. Zwar ist er stillgelegt, doch gespannt bin ich trotzdem. Schon am Eingang jedoch heißt es: „keine Kameras!“. Nach einer längeren Diskussion und einem Telefongespräch werden wir dann doch samt Equipment in den Sicherheitstrakt gelassen, nachdem zuvor unsere Reisepässe konfisziert wurden. Nun aber bekommen wir plötzlich keinen Zugang mehr zum Reaktor selbst. Einigermaßen befremdet und voller Spekulationen fahren wir also nach der Besichtigung einiger uninteressanter Strahlungsdetektoren zum wohlverdienten Mittagessen.

Mittwoch Nachmittag

An diesem Mittag bleiben die Naturwissenschaften einmal außen vor: Zunächst kommen wir in eine gemütlich eingerichtete Wohnung, die sich als das „Centre for Advanced Studies“ entpuppt. Diese Organisation hat es sich zum Ziel gesetzt, die Geistes- und Sozialwissenschaften zu fördern. Kurz gesagt ist das Fazit des Besuches, dass hier kompetente Leute versuchen, Bulgarien in seinen geschichtlichen, sozialen und kulturellen Kontext einzuordnen. Da dies nicht mit staatlichen Fördermitteln geschehen kann, versuchen sie von den für Geisteswissenschaften sehr knapp bemessenen Geldern Europäischer Fonds für sich ein Stückchen abzuknapsen.

Die zweite Organisation des Nachmittags ist das Institut für Deutsches und Europäisches Recht der Universität St. Kliment Ohridski. Nein, ich habe mich nicht verschrieben, hier wird deutsches Recht in deutscher Sprache unterrichtet. Lohnen soll sich das für die Studenten vor allem darum, weil viele deutsche Investoren nach Rechtsbeistand verlangen. Doch auch so, meint Theodor Piperkov, stellvertretender Direktor des Instituts für Europäisches Recht, hätten Juristen überdurchschnittlich gute Berufschancen, seit die Demokratie Einzug gehalten habe.

Morgen geht es nach Bukarest. Wie groß werden wohl die Unterschiede sein?

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