Tagebuch: Kindergeburtstag: Das Mathematikum wird 5
Es ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Ein Museum, ausgerechnet zum Schreckensthema Mathematik, wird Tag für Tag von großen Horden einer Zielgruppe heimgesucht, die von Museen im Allgemeinen und von Mathematik im Besonderen nicht viel hält: den Acht- bis Dreizehnjährigen. Morgens kommen sie mit der Schulklasse, und nachmittags schleppen sie ihre Eltern ein.
Das Mathematikum, geistiges Kind des Gießener Mathematikprofessors Albrecht Beutelspacher, hervorgegangen aus einer Wanderausstellung und 2002 an seinem jetzigen Standort in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs eröffnet, zählt bislang Jahr für Jahr 150 000 Besucher. Kein wissenschaftlicher Text, keine Formel, noch nicht einmal eine schlichte Definition steht als Hemmschwelle dem unmittelbaren Erleben entgegen. Es gibt nur sehr wenige Exponate, die nicht zum Anfassen sind.
Erste Erfahrungen mit der Mathematik
Zum 5. Jahrestag seiner Eröffnung erweitert das Haus seine Zielgruppe – nach unten, für die Vier- bis Achtjährigen. Zur Feierstunde tritt Prominenz auf, allen voran Klaus Kinkel, ehemaliger Außenminister und Chef der Telekom-Stiftung, die die Erweiterung großzügig gefördert hat. Zerlegungspuzzles, verschiebbare Zahnräder, eine periodische Pflasterung der Ebene mit Plastikgespenstern und ein Dreikant-Spiegelkabinett in Kindergröße verschaffen den Kleinen, ganz ohne Worte, Gelegenheit zu ersten mathematischen Erfahrungen.
Für die Großen gibt es derweil etwas zur meditativen Betrachtung: einen Kaleidozykel riesigen Ausmaßes. Wenn man sechs (nicht-reguläre) Tetraeder zu einem Ring zusammenschließt dergestalt, dass jedes Tetraeder an zwei gegenüberliegenden Kanten mit seinen Nachbarn verbunden ist, dann ist – bei geeigneter Form des einzelnen Tetraeders – der ganze Ring beweglich. Man kann ihn beliebig oft "umstülpen". Der Schweizer Tüftler Paul Schatz hat einen Umstülpring dieser Art aus einem Würfel "ausgeschnitten" (siehe Spektrum der Wissenschaft 2/1991, S. 10).
Höchste deutsche Ingenieurskunst
Doris Schattschneider und Wallace Walker haben Tetraederketten mit Motiven von M. C. Escher bemalt und unter dem Namen "Kaleidozyklen" populär gemacht. Die Papierversion zusammenzufalten ist nicht schwer. Aber das ganze Ding mit einer Kantenlänge von 2 Metern zu bauen und unfallfrei zu betreiben: Dafür bedarf es schon einer Höchstleistung deutscher Ingenieurskunst, und für die Anschaffung einer kräftigen Geldspritze der Klaus-Tschira-Stiftung.
Christoph Pöppe
Redakteur bei Spektrum der Wissenschaft
Das Mathematikum, geistiges Kind des Gießener Mathematikprofessors Albrecht Beutelspacher, hervorgegangen aus einer Wanderausstellung und 2002 an seinem jetzigen Standort in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs eröffnet, zählt bislang Jahr für Jahr 150 000 Besucher. Kein wissenschaftlicher Text, keine Formel, noch nicht einmal eine schlichte Definition steht als Hemmschwelle dem unmittelbaren Erleben entgegen. Es gibt nur sehr wenige Exponate, die nicht zum Anfassen sind.
Erste Erfahrungen mit der Mathematik
Zum 5. Jahrestag seiner Eröffnung erweitert das Haus seine Zielgruppe – nach unten, für die Vier- bis Achtjährigen. Zur Feierstunde tritt Prominenz auf, allen voran Klaus Kinkel, ehemaliger Außenminister und Chef der Telekom-Stiftung, die die Erweiterung großzügig gefördert hat. Zerlegungspuzzles, verschiebbare Zahnräder, eine periodische Pflasterung der Ebene mit Plastikgespenstern und ein Dreikant-Spiegelkabinett in Kindergröße verschaffen den Kleinen, ganz ohne Worte, Gelegenheit zu ersten mathematischen Erfahrungen.
Für die Großen gibt es derweil etwas zur meditativen Betrachtung: einen Kaleidozykel riesigen Ausmaßes. Wenn man sechs (nicht-reguläre) Tetraeder zu einem Ring zusammenschließt dergestalt, dass jedes Tetraeder an zwei gegenüberliegenden Kanten mit seinen Nachbarn verbunden ist, dann ist – bei geeigneter Form des einzelnen Tetraeders – der ganze Ring beweglich. Man kann ihn beliebig oft "umstülpen". Der Schweizer Tüftler Paul Schatz hat einen Umstülpring dieser Art aus einem Würfel "ausgeschnitten" (siehe Spektrum der Wissenschaft 2/1991, S. 10).
Höchste deutsche Ingenieurskunst
Doris Schattschneider und Wallace Walker haben Tetraederketten mit Motiven von M. C. Escher bemalt und unter dem Namen "Kaleidozyklen" populär gemacht. Die Papierversion zusammenzufalten ist nicht schwer. Aber das ganze Ding mit einer Kantenlänge von 2 Metern zu bauen und unfallfrei zu betreiben: Dafür bedarf es schon einer Höchstleistung deutscher Ingenieurskunst, und für die Anschaffung einer kräftigen Geldspritze der Klaus-Tschira-Stiftung.
Christoph Pöppe
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