Tagebuch: Du hast keine Chance, aber nutze sie!
Es geht auf das bayerische Universalgenie Herbert Achternbusch zurück. In seinem Film "Die Atlantikschwimmer" von 1976 stehen Herbert und Heinz am Meeresufer und wollen weg, aber es fehlt ein Schiff. Da sagt die Figur Herbert, gespielt von Achternbusch selbst: "Du hast keine Chance, aber nutze sie!" – steigt angekleidet ins Wasser und schwimmt los. Da endet der Film.
Geblieben ist der markante Satz als Redewendung, die mir einfällt, wenn ich an die Debatte um den Klimawandel denke. Kürzlich in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz: In jedem Frühjahr widmet sie sich den "Zukunftsfragen der Gesellschaft", diesmal eben dem Klimawandel. Hochkarätige Experten sind eingelaufen. Sie berichten über den Stand der Dinge sowie die Aussichten, das wachsende Klimaproblem in den Griff zu bekommen. Frei nach Achternbusch könnte man sagen: Es gibt keine Chance, aber wir sollten sie tatsächlich nutzen.
Nun ist vielleicht zu diesem Thema schon alles vielfach durchgekaut worden, und Klimaskeptiker werden selbstverständlich weiter auf ihren Verschwörungstheorien beharren. Aber merkwürdigerweise bleibt immer auch etwas unausgesprochen. Zum Beispiel die Frage, ob denn alle Bemühungen der diversen Klimagipfel und Emissionshandel tatsächlich den Anstieg der Treibhausgase, vor allem von Kohlendioxid, bremsen oder gar stoppen können.
Änderungen ausgeschlossen?
Schonungslose Botschaften
Der Einwand, Erosion und Verwitterung würden ja mit ansteigen und das Treibhausgas durch Bildung von kohlensaurem Kalk verstärkt aus der Luft abbauen, verfängt leider nicht. Diese Prozesse verlaufen sehr viel langsamer und wirken erst über zehntausende Jahre, spielen also bei diesem Klimaszenario eine vernachlässigbare Rolle.
Auf dem Weg in eine neue Eiszeit
Das Hoffen auf die nächste Eiszeit scheitert aus ähnlichem Grund. Wie Peter Lemke, Spezialist für die Polar- und Eisregionen der Welt, ist die Erde höchstwahrscheinlich auf dem Weg in eine neue Eiszeit – doch bis dahin sind es vielleicht noch 80 000 Jahre. "Unser Problem sind die nächsten 200 Jahre!", führt der Forscher vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven aus.
Was sind die, zugegeben extrem langfristigen, Konsequenzen dieser Szenarien? Der Meeresspiegel wird, das ist allen bewusst, steigen – und zwar unaufhaltsam. Die meisten Rechenmodelle schätzen den Anstieg auf etwa einen Meter bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Das klingt nicht dramatisch, lag der Meeresspiegel vor 18 000 Jahren während der letzten Eiszeit doch um 120 Meter unter dem heutigen Niveau; und vor drei Millionen Jahren, also vor dem derzeitigen wiederkehrenden Wechsel von Warm- und Eiszeiten, sogar 20 Meter darüber. In dem obigen Szenario würde aber die Erde wieder eisfrei. In diesem Fall sollte nach Berechnungen der Forscher der Meeresspiegel um 70 Meter ansteigen. Und schon der erste Meter Anstieg in 100 Jahren würde alle küstennahen Staaten verheeren – Bangladesch etwa und viele afrikanische Länder.
Wie Peter Lemke auf der Akademietagung sagte: "Dann wird es Gewinner und Verlierer geben. Die reichen Länder werden sich schützen können. Aber die armen Ländern können das nicht, sie werden immer verlieren." Führt das nicht zwangsläufig zu "Klimakriegen", die wiederum Massenwanderungen von Armutsflüchtlingen auslösen? Zumindest Lemke sieht das optimistisch: "Klimakriege können wir verhindern – wir sind doch vernünftige Wesen."
Geblieben ist der markante Satz als Redewendung, die mir einfällt, wenn ich an die Debatte um den Klimawandel denke. Kürzlich in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz: In jedem Frühjahr widmet sie sich den "Zukunftsfragen der Gesellschaft", diesmal eben dem Klimawandel. Hochkarätige Experten sind eingelaufen. Sie berichten über den Stand der Dinge sowie die Aussichten, das wachsende Klimaproblem in den Griff zu bekommen. Frei nach Achternbusch könnte man sagen: Es gibt keine Chance, aber wir sollten sie tatsächlich nutzen.
Nun ist vielleicht zu diesem Thema schon alles vielfach durchgekaut worden, und Klimaskeptiker werden selbstverständlich weiter auf ihren Verschwörungstheorien beharren. Aber merkwürdigerweise bleibt immer auch etwas unausgesprochen. Zum Beispiel die Frage, ob denn alle Bemühungen der diversen Klimagipfel und Emissionshandel tatsächlich den Anstieg der Treibhausgase, vor allem von Kohlendioxid, bremsen oder gar stoppen können.
Änderungen ausgeschlossen?
An dieser wunden Stelle rührten auch die Forscher in Mainz nicht. Doch sie diskutierten viel darüber, wie sich das Klima beim "Business as usual", wenn also alles so weitergeht wie bisher, entwickeln würde. Und ich lese das durchaus so, als wäre niemand überrascht, wenn genau das passiert. Es mag pessimistisch klingen, aber mir scheint, dass auch Fachleute wie Guy Brasseur daran nicht viel ändern werden. Der belgische Klimaforscher leitet heute in Hamburg das Climate Service Center. Mit 25 Mitarbeitern versucht er in dem kleinen Institut, das von verschiedenen Ministerien getragen wird, an der "Schnittstelle zwischen Forschung und Gesellschaft" als Klimanavigator zu fungieren. Sehr verdienstvoll, ist es doch evident, dass die meisten Bürger zwar besorgt über den Klimawandel, aber weder als Individuum noch als Wirtschaftsunternehmen wirklich bereit sind, sich auf große Änderungen einzustellen. Ob der eloquente Inspirator und Vermittler daran etwas ändern kann? Brasseur selbst sät Zweifel: "Man sagt, Rauchen ist gefährlich, aber viele rauchen trotzdem weiter."
Schonungslose Botschaften
Zu meinem Pessimismus passt es, dass zuvor Victor Brovkin vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg einige schonungslose Botschaften parat hatte. In Klimasimulationen haben er und sein Kollege David Archer dieses Phänomen untersucht. 300 Jahre bräuchte es, bis fast alle fossilen Rohstoffe verheizt seien. Wie lange würden die dabei entstehenden Treibhausgase in der Luft verbleiben? In der Öffentlichkeit sei der Eindruck entstanden, bereits nach wenigen Jahrhunderten würden sie wieder von Land und Meeren aufgenommen. Tatsächlich wird ein einzelnes CO2-Molekül in der Luft schon nach wenigen Jahren von Wasser oder Pflanzen wieder resorbiert. Gleichzeitig gelangten aber, so Brovkin, durch natürliche Austauschprozesse auch andere wieder in die Luft – etwa 100 Gigatonnen Kohlenstoff jährlich. Netto würden jedes Jahr allenfalls zwei Gigatonnen aus der Luft in die Ozeane zurückgeführt. "Die klimawirksame Lebensdauer des Kohlendioxids", sagte Brovkin, "ist wesentlich höher als die Austauschzeit einzelner Moleküle." Je nach Modellrechnung würden bis zu 60 Prozent des emittierten Kohlendioxids für Tausende von Jahren in der Atmosphäre verbleiben.
Wenn das stimmt (nachzulesen unter Archer, D., Brovkin, V.: "The millennial atmospheric lifetime of anthropogenic CO2", Climate Change 90, 283-297 (2008)), dann bleibt nicht nur der Kohlendioxidgehalt hoch. Dieser schnellt in den ersten Jahrhunderten bis auf etwa 1900 ppm hoch (ppm = parts per Million, Teile pro Million) im Gegensatz zu heutigen 385 ppm, um dann langfristig etwa bis auf 1000 ppm abzusinken. Dramatisch steigt vor allem die mittlere Erdtemperatur: zunächst um fast sieben Grad Celsius (politisches Ziel: maximal 2 Grad Celsius Anstieg), um dann langfristig auf sechs Grad über dem Jahresmittelwert der Gegenwart zu sinken.
Der Einwand, Erosion und Verwitterung würden ja mit ansteigen und das Treibhausgas durch Bildung von kohlensaurem Kalk verstärkt aus der Luft abbauen, verfängt leider nicht. Diese Prozesse verlaufen sehr viel langsamer und wirken erst über zehntausende Jahre, spielen also bei diesem Klimaszenario eine vernachlässigbare Rolle.
Auf dem Weg in eine neue Eiszeit
Das Hoffen auf die nächste Eiszeit scheitert aus ähnlichem Grund. Wie Peter Lemke, Spezialist für die Polar- und Eisregionen der Welt, ist die Erde höchstwahrscheinlich auf dem Weg in eine neue Eiszeit – doch bis dahin sind es vielleicht noch 80 000 Jahre. "Unser Problem sind die nächsten 200 Jahre!", führt der Forscher vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven aus.
Was sind die, zugegeben extrem langfristigen, Konsequenzen dieser Szenarien? Der Meeresspiegel wird, das ist allen bewusst, steigen – und zwar unaufhaltsam. Die meisten Rechenmodelle schätzen den Anstieg auf etwa einen Meter bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Das klingt nicht dramatisch, lag der Meeresspiegel vor 18 000 Jahren während der letzten Eiszeit doch um 120 Meter unter dem heutigen Niveau; und vor drei Millionen Jahren, also vor dem derzeitigen wiederkehrenden Wechsel von Warm- und Eiszeiten, sogar 20 Meter darüber. In dem obigen Szenario würde aber die Erde wieder eisfrei. In diesem Fall sollte nach Berechnungen der Forscher der Meeresspiegel um 70 Meter ansteigen. Und schon der erste Meter Anstieg in 100 Jahren würde alle küstennahen Staaten verheeren – Bangladesch etwa und viele afrikanische Länder.
Wie Peter Lemke auf der Akademietagung sagte: "Dann wird es Gewinner und Verlierer geben. Die reichen Länder werden sich schützen können. Aber die armen Ländern können das nicht, sie werden immer verlieren." Führt das nicht zwangsläufig zu "Klimakriegen", die wiederum Massenwanderungen von Armutsflüchtlingen auslösen? Zumindest Lemke sieht das optimistisch: "Klimakriege können wir verhindern – wir sind doch vernünftige Wesen."
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