Tagebuch: Online-Bibliothek Europeana enttäuscht
Wer große Erwartungen weckt, kann tief fallen. Für Vera Spillner ist die Europäische Online-Kulturbibliothek nach ihrer Neueröffnung fragwürdig geblieben – was nicht nur an der schlechten Benutzeroberfläche liegt.
Jetzt ist Europeana, die Europäische Kulturbibliothek, nach Anfangsschwierigkeiten seit einigen Wochen online. Und wer sich für Goethe, Zweig oder Kafka interessiert oder gerne mehr über Einstein, Heisenberg und Minkowski wissen will, hat möglicherweise schon dort vorbeigeschaut. Ich jedenfalls habe mich seither ein wenig durch Fotos und Briefe, Filme und Postkarten geklickt, um doch in der unzugänglichen und schlecht präsentierten Fülle eher ratlos zurück zu bleiben.
Nur wer nach französischen Einträgen sucht – was immerhin die Häfte aller Objekte sind – findet mehr Bilder als Icons. Suchen Sie beispielsweise nach "Honoré de Balzac", werden Sie viele Fotos der Statuen Auguste Rodins finden, sowie einige Bücher und eine Fernsehsendung im Youtube-Format.
Insgesamt aber bleibt die jetzige "Beta-Version" der Europeana so unübersichtlich, dass sie sicher nicht den Status jenes "Prestigeobjekts" einnimmt, der von der Europäischen Kommission wohl auch intendiert war, als sie beschloss, der Plattform jährlich 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Und selbst wenn alle Bilder angezeigt würden, bliebe die Darstellung kühl: Hier entdeckt man die Dinge nicht, hier nimmt man sie höchstens zur Kenntnis. Das ist kein anziehendes Museum, keine lebendige Bibliothek, sondern ein Karteikasten. Wenn die Idee einer Online-Kulturbibliothek an sich auch gut sein mag – die derzeitige Umsetzung empfinde ich als mangelhaft. Ob die Folgeversion da eine deutliche Verbesserung bedeuten kann, wird man abwarten müssen.
Vera Spillner
Jetzt ist Europeana, die Europäische Kulturbibliothek, nach Anfangsschwierigkeiten seit einigen Wochen online. Und wer sich für Goethe, Zweig oder Kafka interessiert oder gerne mehr über Einstein, Heisenberg und Minkowski wissen will, hat möglicherweise schon dort vorbeigeschaut. Ich jedenfalls habe mich seither ein wenig durch Fotos und Briefe, Filme und Postkarten geklickt, um doch in der unzugänglichen und schlecht präsentierten Fülle eher ratlos zurück zu bleiben.
Zugegeben, es gibt Highlights. Beispielsweise habe ich als jahrelange Rilke-Anhängerin hier drei mir bislang unbekannte Fotos gefunden. Eines davon ist sogar überraschend anders, da sitzt der sonst so stille und innerliche Dichter auf einer Steinmauer, lässt die Beine baumeln, lacht, beinahe ein wenig frech. Zum ersten Mal möchte man Stefan Zweigs Worten Glauben schenken, dass Rainer Marias Lachen richtig ansteckend gewesen sein soll. Und außerdem hat man seine klammheimliche Freude an den weißen Schutzsocken, die er über seinen Schuhen trägt. Aber nicht nur Fotos finden sich im Archiv, erstaunt und erfreut stößt man auch auf Hermann Minkowkis Frühwerk "Geometrie der Zahlen" in vollständiger eingescannter Version, in der sich gut lesen lässt.
Doch die Freude wird stark durch die benutzerunfreundliche Oberfläche der Bibliothek getrübt. Suchen Sie einmal nach "Werner Heisenberg", einem der Väter der Quantenmechanik. Weit über die Hälfte der angezeigten Ergebnisse wird hinter einem lila Icon verborgen sein. Und auch die Iconunterschrift verrät Ihnen nicht, ob Sie es hier mit einem Foto, einer Postkarte, einem Buch oder Brief zu tun bekommen. Dazu müssen Sie erst eine Zwischenseite öffnen und dann noch mal ein Icon anklicken, über das Sie endlich zum meist unkommentierten Objekt gelangen – auf der Seite des Museums oder Archivs, bei dem die Rechte liegen.
Nur wer nach französischen Einträgen sucht – was immerhin die Häfte aller Objekte sind – findet mehr Bilder als Icons. Suchen Sie beispielsweise nach "Honoré de Balzac", werden Sie viele Fotos der Statuen Auguste Rodins finden, sowie einige Bücher und eine Fernsehsendung im Youtube-Format.
Insgesamt aber bleibt die jetzige "Beta-Version" der Europeana so unübersichtlich, dass sie sicher nicht den Status jenes "Prestigeobjekts" einnimmt, der von der Europäischen Kommission wohl auch intendiert war, als sie beschloss, der Plattform jährlich 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Und selbst wenn alle Bilder angezeigt würden, bliebe die Darstellung kühl: Hier entdeckt man die Dinge nicht, hier nimmt man sie höchstens zur Kenntnis. Das ist kein anziehendes Museum, keine lebendige Bibliothek, sondern ein Karteikasten. Wenn die Idee einer Online-Kulturbibliothek an sich auch gut sein mag – die derzeitige Umsetzung empfinde ich als mangelhaft. Ob die Folgeversion da eine deutliche Verbesserung bedeuten kann, wird man abwarten müssen.
Vera Spillner
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