Tagebuch: "Vater" der Supersymmetrie ist verstorben
Julius Wess und Bruno Zumino hatten sich erlaubt, was im Jahr 1973 wohl kaum einer zu denken wagte. Mir nichts dir nichts, stellte ihre Theorie der Supersymmetrie Bosonen und Fermionen in einen unauflösbaren Zusammenhang. Ein Unding. Bosonen, deren ganzzahliger Spin ihnen einen ausgeprägten Hang zur Geselligkeit verleiht, und Fermionen mit halbzahligem Spin, die einander spinnefeind sind, sollten nun plötzlich eng miteinander verwandt sein, sich sogar ineinander umwandeln können. Dabei tun sie normalerweise alles, damit genau das nicht geschieht. Fermionen beispielsweise bieten sogar dem extremen Druck in einem Neutronenstern Paroli, nur um sich nicht zu nahe kommen zu müssen.
Das Konzept war verwegen, hat aber nicht nur darum Physikgeschichte geschrieben. Die Supersymmetrie postuliert, dass zu jedem Elementarteilchen ein Superpartner gehört, der sich um den Spin ½ von ihm unterscheidet (sodass also zu jedem Fermion ein Boson gehört und umgekehrt). Die unerwünschte Nebenwirkung, dass nun plötzlich doppelt so viele Elementarteilchen den Kosmos zu bevölkern schienen, hatten die Physiker bald verkraftet. Schließlich löste das neue Konzept eine ganze Reihe von Problemen der Stringtheorie, mit deren Hilfe Gravitation und Quantenphysik vereinheitlicht werden sollte: Endlich fanden auch Fermionen und damit die Masse Eingang in die Stringtheorie, außerdem musste nicht mehr über gewagte Konstrukte wie überlichtschnelle Tachyonen mit negativer Masse diskutiert werden. „Susy“ sei Dank, konnte man auch die für die Stringtheorie bis dato erforderlichen mehr als zwei Dutzend Raumzeitdimensionen ad acta legen.
Mittlerweile hören die Susy-Teilchen auf so wunderliche Namen wie Selektron und Sneutrino, Photino und Higgsino. Noch immer weiß niemand, ob es sie gibt, aber die meisten Physiker hoffen darauf. Und wenn es sie gibt, werden sie bald helfen, ein paar nicht ganz nebensächliche Probleme zu lösen. Wie lassen sich drei oder vielleicht alle vier Grundkräfte zu einer einheitlichen Kraft zusammenfassen? Wieso gibt es Materie und warum besitzt sie Masse? Woraus besteht die Dunkle Materie, deren Verteilung im Universum gigantische Strukturen wie die von Galaxien und Galaxienhaufen bestimmt und über die wir noch immer kaum etwas wissen?
Mit der Theorie der Supersymmetrie, die seither viele Weiterentwicklungen erfuhr, prägten der österreichische Physiker Wess und sein Kollege eine ganze Generation von Physikern und Mathematikern. Noch im Juli hatte Wess zwei Konferenzvorträge auf der internationalen Supersymmetry 2007 in Karlsruhe gehalten – dort, wo vor 34 Jahren Susy aus der Taufe gehoben worden war. Den Tag, an dem sich auch der Large Hadron Collider bei Genf endlich auf die Suche nach den supersymmetrischen Teilchen begibt, wird er nun nicht mehr erleben. Am 8. August verstarb Julius Wess überraschend im Alter von 72 Jahren in Hamburg.
Thilo Körkel
Eine ausführliche Würdigung ist auf den Internetseiten des Komitees für Elementarteilchenphysik (KET) zu finden.
Das Konzept war verwegen, hat aber nicht nur darum Physikgeschichte geschrieben. Die Supersymmetrie postuliert, dass zu jedem Elementarteilchen ein Superpartner gehört, der sich um den Spin ½ von ihm unterscheidet (sodass also zu jedem Fermion ein Boson gehört und umgekehrt). Die unerwünschte Nebenwirkung, dass nun plötzlich doppelt so viele Elementarteilchen den Kosmos zu bevölkern schienen, hatten die Physiker bald verkraftet. Schließlich löste das neue Konzept eine ganze Reihe von Problemen der Stringtheorie, mit deren Hilfe Gravitation und Quantenphysik vereinheitlicht werden sollte: Endlich fanden auch Fermionen und damit die Masse Eingang in die Stringtheorie, außerdem musste nicht mehr über gewagte Konstrukte wie überlichtschnelle Tachyonen mit negativer Masse diskutiert werden. „Susy“ sei Dank, konnte man auch die für die Stringtheorie bis dato erforderlichen mehr als zwei Dutzend Raumzeitdimensionen ad acta legen.
Mittlerweile hören die Susy-Teilchen auf so wunderliche Namen wie Selektron und Sneutrino, Photino und Higgsino. Noch immer weiß niemand, ob es sie gibt, aber die meisten Physiker hoffen darauf. Und wenn es sie gibt, werden sie bald helfen, ein paar nicht ganz nebensächliche Probleme zu lösen. Wie lassen sich drei oder vielleicht alle vier Grundkräfte zu einer einheitlichen Kraft zusammenfassen? Wieso gibt es Materie und warum besitzt sie Masse? Woraus besteht die Dunkle Materie, deren Verteilung im Universum gigantische Strukturen wie die von Galaxien und Galaxienhaufen bestimmt und über die wir noch immer kaum etwas wissen?
Mit der Theorie der Supersymmetrie, die seither viele Weiterentwicklungen erfuhr, prägten der österreichische Physiker Wess und sein Kollege eine ganze Generation von Physikern und Mathematikern. Noch im Juli hatte Wess zwei Konferenzvorträge auf der internationalen Supersymmetry 2007 in Karlsruhe gehalten – dort, wo vor 34 Jahren Susy aus der Taufe gehoben worden war. Den Tag, an dem sich auch der Large Hadron Collider bei Genf endlich auf die Suche nach den supersymmetrischen Teilchen begibt, wird er nun nicht mehr erleben. Am 8. August verstarb Julius Wess überraschend im Alter von 72 Jahren in Hamburg.
Thilo Körkel
Eine ausführliche Würdigung ist auf den Internetseiten des Komitees für Elementarteilchenphysik (KET) zu finden.
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