Elektrosmog: 7 Fragen zu Funkstrahlen
Schaden Funkstrahlen der Gesundheit?
Strahlung kann Zellen, Erbgut oder Gewebe schädigen – wie stark, hängt dabei aber ganz wesentlich davon ab, wie viel Energie die "Strahlen" transportieren. Sie ergibt sich aus der Wellenlänge oder Frequenz der elektromagnetischen Wellen, die auf die biologischen Strukturen einwirken. Infrarotstrahlen (Wellenlängen von 780 Nanometern bis 1 Millimeter) werden dabei von uns als angenehm warm empfunden, das kurzwelligere, also energiereichere UV-B-Licht dagegen (Wellenlänge 280 bis 315 Nanometer) verbrennt die Haut und sollte besser durch Sonnencremes blockiert werden. Hochenergetische Wellen wie die radioaktiver Gammastrahler (unter 50 Pikometern Wellenlänge) zerstören biologische Moleküle wie etwa die DNA gründlich, sie ionisieren Atome in einzelne Kernen und Elektronen. Und die Handystrahlen – oder genauer, all die elektromagnetischen Wellen aus WLAN-Stationen, Bluetoothempfängern, Mobilfunkmasten oder dem Handy an unserem Ohr?
Diese "Funkstrahlen" gehören zu den Mikrowellen, einem Strahlungsband mit Wellenlängen zwischen rund 30 Zentimetern und einem Millimeter. Die Funkstrahlen sind damit energieärmer (langwelliger) als die von unseren Hautsensoren als Wärme wahrgenommenen Infrarotstrahlen oder auch die Mikrowellen, die zum Erhitzen der Pizza im Mikrowellenofen dienen. Von Haus aus harmlos sind sie nicht: Dem Körper könnten die niedrigfrequenten Mikrowellen durch "thermische Belastung", also Überhitzung, durchaus schaden. Denn lange auf eine Gewebe gerichtete Strahlung heizt das Wasser in den Zellen auf – ganz analog zur mikrowellenerhitzten Pizza, wenn auch wegen der niedrigeren Frequenz und dem geringeren Energiegehalt der Funkwellen weniger stark.
Seit Langem sind daher gesetzlich festgeschriebene Grenzwerte zum Schutz der Verbraucher festgelegt, die SAR-Werte. Sie geben – für Europa – eine maximale "spezifische Absorptionsrate" von 2 Watt pro Kilogramm vor. Anbieter von Mobilfunktelefonen bekommen nur dann eine Betriebserlaubnis für ihre Geräte, wenn das Handy während eines Telefonats am Ohr bei maximaler Sendeleistung Energiewerte unterhalb dieses Werts in das Gewebe des Telefonierenden transportiert. Die Werte basieren auf Experimenten, die die thermische Beeinflussung biologischer Strukturen durch die Strahlungswirkung untersucht haben – als Richtschnur gilt, dass sich das Gewebe nirgendwo um mehr als ein Grad Celsius erwärmen soll. Dieser Wert wird für unbedenklich gehalten: Er liegt innerhalb der natürlichen Schwankung, der die Zellen lebender Organismen ohnehin ständig unterworfen sein können.
Kurz: Die Grenzwerte sorgen dafür, dass Ohrmuscheln oder Gehirnneurone nicht durch die Handystrahlung überhitzen. Dass das Ohr nach ein paar Minuten Telefonat trotzdem warm wird, liegt nicht an der Strahlung: Es würde dies ganz genauso auch, wenn wir nicht das elektronisch heiß gelaufene Handy, sondern nur ein Stück Plastik ebenso lange dagegen pressen würden. Nach Meinung der Experten spricht allerdings nichts dagegen, das Telefonat über eine Freisprecheinrichtung mit Mikrofon und Kopfhörer zu führen, um die Mikrowellen des Geräts ganz vom Kopf fernzuhalten. Die elektromagnetische Strahlung schwächt sich entfernungsabhängig mit dem Faktor 1/r² ab: Bei doppeltem Abstand zum Beispiel erreicht dann nur ein Viertel der Strahlungsenergie den Kopf.
Schaden Handystrahlen nur durch Hitze?
Der SAR-Grenzwert schützt davor, dass sich unser Gehirn während eines Gesprächs gesundheitsgefährdend aufheizt. Aber haben die Handystrahlen auch unterhalb des Grenzwerts negative Folgen für die Gesundheit? Schaden sie auf eine andere Weise außer durch thermische Belastung, also Wärme? Seit vielen Jahren versuchen Forscher weltweit intensiv, solche möglichen Effekte zu beweisen. Bisher ohne Erfolg: Noch ist kein Beleg für eine gesundheitsschädliche Wirkung von Handystrahlung unterhalb der Grenzwerte gefunden und unabhängig bestätigt worden. Dabei ist der Einfluss von Strahlung auf biologische Strukturen eines der meistbeforschten Themengebiete (einen aktuellen Überblick kann man sich zum Beispiel auf dem Publikationsportal zum Thema bei der RTWH Aachen verschaffen). Immer wieder werden in einzelnen Studien tatsächlich auch Hinweise auf Veränderungen von Zellen nach einer Bestrahlung mit niedrigfrequenten Mikrowellen unterhalb der Grenzwerte nachgewiesen. So diskutierte man beispielsweise schon vor Jahren, ob die Ionenkanäle der Zellmembranen [1] oder der Zellstoffwechsel durch Strahlung beeinflusst werden. Oft können solche Befunde einer Arbeitsgruppe aber von anderen nicht reproduziert werden. Zudem fehlen in vielen Fällen plausible Erklärungen für die Beobachtungen oder eine Idee, wie solche subtilen möglichen Veränderungen einzelner Zellen die Gesundheit des Menschen gefährden können.
Lösen Handystrahlen und Co Krebs aus?
Am häufigsten wird spekuliert, dass die Strahlung womöglich über unspezifische Effekte die Zellen entarten lassen könnte. Nach vielen Studien zum Thema gehen die meisten Experten heute davon aus, dass Telefonieren mit dem Handy das akute Krebsrisiko nicht erhöht. So haben etwa Versuche mit bestrahlten Zellen im Labor keine verlässlichen Hinweise auf Zellschädigungen erbracht, während epidemiologische Studien kein höheres Krebsrisiko bei Mobilfunknutzern erkannt haben.
Trotzdem hat vor gut drei Jahren, im Mai 2011, die Internationale Krebsforschungsagentur der WHO die nichtionisierende Strahlung von Mobiltelefonen in die "Kategorie 2b" der "möglicherweise krebserregenden" Stoffe eingestuft. Die Handystrahlung ist damit auf der Liste in guter Gesellschaft: Kaffee, Talkumpuder und viele andere Stoffe des täglichen Lebens werden in derselben Kategorie geführt. Ursache für die Einstufung der Handystrahlen war vor allem, dass wissenschaftlich immer noch nicht ausreichend gut untersucht ist, ob Langzeitrisiken bei Mobiltelefon-Nutzungszeiten von Jahrzehnten bestehen. Die Unsicherheit liegt darin begründet, dass die Zahl von Studienteilnehmern, die seit vielen Jahren intensiv ein Handy verwenden, recht klein ist und die Untersuchungen deshalb wenig aussagekräftig sind. Zudem dürfte Krebs nach Bestrahlung oft erst Jahrzehnte später auftreten, wie Fälle vermuten lassen, die nach therapeutischer Bestrahlung aufgetreten sind. Eine Entwarnung kann daher nicht gegeben werden, weil noch nicht genug Erfahrung mit seit langer Zeit eingesetzter Mobilfunktechnik gesammelt wurde.
Sind chronische Vieltelefonierer besonders bedroht?
Die bisher umfassendste Studie zum Thema – die INTERPHONE-Befragung, bei der man rückwirkend Tumorpatienten nach ihrer Telefoniergewohnheit in den zurückliegenden Jahren befragte – hatte in der Gruppe von Vieltelefonierern Hinweise auf ein geringfügig höheres Risiko für Hirntumoren im Vergleich zu Kontrollgruppen gefunden. Einige der beteiligten Forscher vermuteten allerdings sofort, dass die Erinnerung der Befragten, auf der die Resultate beruhen, nicht zuverlässig genug war, um die geringen Unterschiede wasserdicht zu belegen. Die Schlussfolgerung ist innerhalb des Forscherteams umstritten und, so die gemeinsame Abschlusserklärung, "sollte daher weiter überprüft werden".
Gefährdet die Strahlung besonders Kinder oder Schwangere?
Kinder sind anfälliger gegenüber Strahleneinwirkung: Ihr Nervensystem entwickelt sich noch, ihr Kopf absorbiert mehr Energie, und sie sind im Vergleich zu Erwachsenen in ihrer Lebenszeit sicherlich länger den Strahlenquellen neuer drahtloser Technologien als die heute lebenden Erwachsenen ausgesetzt. Allein deshalb empfehlen Experten zur Vorsorge, den Gebrauch von Handys einzuschränken. Die bisher durchgeführten Studien kommen dessen ungeachtet aber zu dem Schluss, dass auch bei Kindern kein erhöhtes Risiko durch Mobilfunkstrahlen besteht, etwa für die Entstehung von Hirntumoren [2]. Natürlich werden auch in diesem Bereich weitere Studien durchgeführt, um zuverlässigere Langzeitbeobachtungen möglich zu machen.
Untersuchungen zur Gefährdung von Schwangeren sind bisher kaum erfolgt – mit einer unrühmlichen Ausnahme, die wegen wissenschaftlicher Schlamperei stark kritisiert wurde. Gesichert ist, dass bei einem üblichen Handytelefonat von Schwangeren kaum Energie durch das Gewebe bis zum Ungeborenen transportiert wird. Dies verdeutlichen etwa Untersuchungen über den Energiefluss im Kopf während eines Telefonats: Schon die dem Handy gegenüberliegende Kopfseite wird deutlich geringer belastet als die andere Schädelhälfte. Eine nennenswerte thermische Belastung des Ungeborenen beim Mobiltelefonieren erfolgt selbst dann kaum, wenn das Handy an den Bauch statt das Ohr gehalten würde. Wie immer gilt, dass die Strahlenbelastung zusätzlich stark sinkt, wenn das Handy zur Seite gelegt und mit Headset telefoniert wird.
Summieren sich alle Strahlungsquellen zu gefährlichem "Elektrosmog"?
Im letzten Jahren funken zunehmend mehr Strahlungsquellen am Arbeitsplatz und zu Hause – neben den Handys etwa die WLAN- oder Bluetooth-Basisstationen –, zudem sind wir seit vielen Jahrzehnten den elektromagnetischen Wellen der Radio- und TV-Sender ausgesetzt. Tatsächlich sind alle diese Strahlen in einem Durchschnittshaushalt messbar; alle sind aber im Vergleich zu einem Handytelefonat deutlich schwächer.
Sowohl WLAN-Basisstationen wie auch Bluetooth oder typische Babyfone senden im so genannten ISM-Band – ebenso übrigens wie der Mikrowellenherd in der Küche, dessen Strahlung bei geschlossener Tür nach außen streng abgeschirmt ist. Dieser Mikrowellenbereich umfasst höhere Frequenzen (typischerweise 2,4 Gigahertz, GHz) als die Mobilfunkwellen des Handys (0,9 oder 1,8 GHz). Immer senden die Basisstationen zwar ständig, dabei aber mit deutlich niedrigerer Leistung (etwa der WLAN-Router mit üblichen 0,05 Watt) als das Handy während eines Gespräches (je nach Empfangsqualität etwa 1 Watt). Die hauseigenen Sender für drahtlose Kommunikation bleiben damit also deutlich unterhalb der für Handystrahlen festgelegten SAR-Grenzwerte. Je nach Anzahl und Abstand von den Basisstationen sowie anderen lokalen Gegebenheiten ist die Exposition durch Mobiltelefone um einen Faktor von 1000 bis 10 000 stärker, rechnen Experten vor.
Übrigens: Seit vielen Jahrzehnten erreichen die Bevölkerung die Funkwellen der niedrigfrequenteren Kurz-, Mittel- und Langwellen-Radiosender. Sie transportieren nach Datenmessungen des IMST GmbH-Prüfungszentrums ähnlich hohe Energiemengen in die Wohnungen wie eine WLAN-Basisstation. Wie diese bleiben sie weit unter den Grenzwerten der Strahlenbelastung. UKW- und TV-Sender unterschreiten diese Werte im Mittel noch einmal.
Strahlengefahr vom Mobilfunkmast und Funkturm?
Neben den drahtlos verbundenen Sendern und Geräten der Haushalte strahlen mittlerweile (fast) flächendeckend die Mobilfunkmasten der Telekommunikationsunternehmen – sie machen als Vermittlungsstationen das Handytelefonat von überall ja überhaupt erst möglich. Auch hier gilt: Zwar emittieren diese Funkmasten ständig Funkwellen, dies aber aus großem Abstand von im Normalfall mehreren hundert Metern bis einigen Kilometern. Daher bleibt die Strahlungsenergie, die von ihnen zum Menschen gelangt, sehr gering: Im Mittel beträgt sie nach Berechnungen 0,05 Prozent des Grenzwerts, den Handys beim Gespräch unterschreiten müssen. Auch ganz in der Nähe einer Mobilfunk-Basisstation wird im ungünstigsten Fall eine Energie von 1 Prozent des Grenzwerts in die Wohnungen transportiert. Insgesamt summieren sich alle Strahlungsquellen damit nicht auf Werte, die beim Telefonieren erreicht werden und als sicher gelten.
Quellen:
[1] Cell Mol Biol 48(5): S. 577-583, 2002
[2] JNCI J Natl Cancer Inst 103(16): S. 1264-1276, 2011
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