Vererbung: Wie Gene das Sozialverhalten prägen - und umgekehrt
Enorme Fortschritte auf dem Gebiet der Molekulargenetik ermöglichen es inzwischen, Vorgänge im Genom unmittelbar zu messen. Das hat zu spannenden neuen Einsichten geführt. Zu diesen gehört insbesondere die Erkenntnis, dass die sozialen Verhältnisse unser Erbgut verändern können. Das mag den einen oder anderen überraschen, ja ungläubig die Stirn runzeln lassen – verletzt es doch das einstmals eherne "zentrale Dogma" der Molekularbiologie, wonach der Informationsfluss in der Zelle eine Einbahnstraße ist: von der DNA (dem genetischen Programm) über die RNA (eine Art Blaupause) zu den Proteinen (den Handlangern) und nicht umgekehrt.
Weit gefehlt! Die Mechanismen der DNA-Expression, wie Biologen den gesamten Ablauf nennen – genauer die Vorgänge, durch die Gene ein- und ausgeschaltet werden – sprechen auf soziale Faktoren an: auf die gesellschaftliche Stellung und zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch auf kulturelle und allgemeine Regeln und Normen im gegenseitigen Miteinander. Diese grundlegende Erkenntnis stellt gängige Vorstellungen über den Zusammenhang von Genen, Gesellschaft und Verhalten auf den Kopf. Im "postgenomischen Zeitalter", in dem wir leben, hat die alte Idee der Einbahnstraße der Einsicht weichen müssen, dass der Informationsfluss in beide Richtungen erfolgt: Gesellschaftliche Verhältnisse gehen uns buchstäblich unter die Haut und verändern dort genetische Strukturen. Das aber wirkt über die Genexpression wiederum auf Verhaltensweisen zurück. Manchmal kommt es dadurch zu Erkrankungen.
In der Tat sind es die Wechselbeziehungen zwischen Genen und Umwelt, die das Verhalten von uns Menschen und viele unserer Krankheiten so vielschichtig und komplex erscheinen lassen ...
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