Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Zwänge: Tyrann im Kopf

Wer an einer Zwangsstörung leidet, denkt und tut Dinge, die er eigentlich nicht will oder als unsinnig erlebt. Die Störung kann schon im Kindesalter auftreten. Eine kognitive Verhaltenstherapie hilft, dem Zwang im Kopf Einhalt zu gebieten.
Wasch dich!

Mit 13 Jahren begann Markus, sich vor sich selbst zu fürchten: Er hatte Angst, zum Neonazi zu werden. Schon bald verlor er sich in der Vorstellung, er könne sich infizieren wie mit einem Virus. Alles, was ihn an Adolf Hitler erinnerte, mied er: Bücher, auf denen der Diktator abgebildet war, oder selbst karierte Handtücher, deren Muster ihn an Hakenkreuze denken ließ. Irgendetwas, so redete er sich ein, musste ihn an der NS-Zeit faszinieren. Warum sonst sollten seine Gedanken um Hitler kreisen?

Bald fing er an, sich ständig die Hände zu waschen. Auf diese Weise wollte er sich schützen. Rund 40-mal am Tag reinigte er sich minutenlang jeden Finger einzeln. Tag für Tag.

Eigentlich war Markus ein begabter Schüler. Doch als am Gymnasium die NS-Zeit durchgenommen wurde, schwänzte er lieber den Geschichtsunterricht. Zu sehr ängstigten ihn Fotos von Konzentrationslagern und SS-Männern, die in den Büchern abgebildet waren. Markus fühlte zwar, dass er sich nicht normal verhielt, aber er redete sich zugleich ein, dass er doch offenbar den Nationalsozialismus toll finden musste. Es war ein unerträglicher Gedanke.

Zwei Jahre lang dauerte der Zwang schon, als sich Markus in unserer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Köln vorstellte. Seine Eltern begleiten ihn. Markus wirkte selbstunsicher, traurig, aber auch gereizt und aggressiv. Er erzählte, dass er keine Freunde mehr treffe. Und er sprach von einer Angst, die ihn regelmäßig befalle, von einem unangenehmen Druck im Bauch und einem Kloß im Hals. Für ihn gab es nur einen Weg, um seine fixen Ideen und Ängste zu kontrollieren und die innere Anspannung in Schach zu halten: Händewaschen. Längst waren die Finger und Handflächen von Wasser und Seife gerötet, wund und spröde.

Markus ist kein Einzelfall. Rund zwei Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden an einem Zwang. Unser jüngster Patient war ein Mädchen von viereinhalb Jahren ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wann klingt eine Sprache schön?

Klingt Italienisch wirklich schöner als Deutsch? Sprachen haben für viele Ohren einen unterschiedlichen Klang, dabei gibt es kein wissenschaftliches Maß dafür. Was bedingt also die Schönheit einer Sprache? Außerdem in der aktuellen »Woche«: Rarer Fund aus frühkeltischer Zeit in Baden-Württemberg.

Spektrum - Die Woche – Generation Z wie Zuversicht

Die Shell Jugendstudie 2024 zeigt: Die Generation Z ist trotz Krisen wie Klimawandel und sozialer Ungleichheit politisch interessiert und engagiert. Auch der Friedensnobelpreis an die Nihon Hidankyo erinnert uns daran, wie wichtig es ist, für eine bessere Zukunft einzustehen.

Spektrum Kompakt – Depressionen

Mit ihren zahllosen Erscheinungsformen sowie Ursachen kann sich eine Depression auch hinter körperlichen Symptomen verstecken und Betroffene in vielen Lebensbereichen beeinflussen. Doch welche Therapie ist die passende? Und für wen lohnt es sich, experimentelle Verfahren wahrzunehmen?

  • Quellen und Literaturtipps

Literaturtipps

Wewetzer, G., Wewetzer, C.:Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Ein Therapiemanual. Hogrefe, Göttingen 2012
Ein praxisorientierter Leitfaden für Therapeuten

Wewetzer, G., Wewetzer, C.:Ratgeber Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Informationen für Kinder, Jugendliche und Eltern. Hogrefe, Göttingen 2014
Umfassender, neuer Ratgeber für Betroffene und Angehörige


Quelle

Freeman, J. et al.:Evidence Base Update for Psychosocial Treatments for Pediatric Obsessive-Compulsive Disorder. In: Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology 43, S. 7-26, 2014

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.