Corporate Social Responsibility: Die Gut-Unternehmen
Die Erkrankung gilt als "schleichender Killer": Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr zwischen 20.000 und 200.000 Menschen an Bilharziose. Die Spanne der Opferzahl ist so groß, weil die tückische Wurmkrankheit zu Organversagen führen kann und nach dem Tod kaum auf Bilharziose getestet wird. Bereits ein Bad in verunreinigtem Wasser genügt, um sich zu infizieren. 249 Millionen Menschen, darunter viele Kinder, kommen jedes Jahr in Kontakt mit dem Erreger, schätzt die GSA (Global Schistomania Alliance), das globale Bündnis zur Bekämpfung der Krankheit. Bilharziose ist aus Sicht der GSA der "größte Killer, von dem Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben".
Dabei gibt es eine wirksame Behandlung, nämlich das Bilharziose-Medikament Praziquantel. Das Darmstädter Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck unterstützt seit 2007 die WHO durch Tablettenspenden. "2016 haben wir die 500 millionste Tablette gespendet und damit 100 Millionen Patienten, vor allem Schulkindern, eine Behandlung gegen Bilharziose ermöglicht", erklärt Merck-Chef Stefan Oschmann. Darüber hinaus haben sich die Hessen der Organisation "Access Accelerated" angeschlossen, die aus insgesamt 21 Pharmaunternehmen, der Weltbank und der "Union for International Cancer Control" (UICC) besteht. Die Initiative setzt sich für die bessere Behandlung von Krebs- oder Diabetes-Patienten in Entwicklungsländern ein. Zudem engagiert sich Merck unter anderem auch bei den Themen Bildung und Musik.
Merck ist kein Einzelfall. Vom börsennotierten Großunternehmen bis hin zum familiengeführten Mittelständler legen viele Firmen hierzulande Wert auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und gesellschaftliches Engagement. Die Deutsche Telekom beispielsweise will den firmeneigenen CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent im Vergleich zu 2008 senken. Der Schokoladenhersteller Ritter Sport wiederum engagiert sich für bessere Bedingungen beim Kakao-Anbau. Für solche Aktivitäten, mit denen Unternehmen in sozialer, ökologischer und ökonomischer Hinsicht zur Nachhaltigkeit beitragen wollen, hat sich die Abkürzung CSR (Corporate Social Responsibility) eingebürgert.
CSR für Unternehmen genauso wichtig wie Wachstum
Doch weshalb engagieren sich Unternehmen auf diesen Gebieten? "Aus unserer langjährigen Geschichte wissen wir: Nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg ist immer Ergebnis verantwortlichen Handelns. Wir übernehmen Verantwortung – nicht nur für unser Unternehmen, sondern auch in Bezug auf Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft", erklärt Merck-Chef Oschmann.
Diese Einschätzung ist unter Top-Managern weit verbreitet. Eine Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung unter 500 Führungskräften aus Großunternehmen aus dem Jahr 2015 zeigt, dass gesellschaftliches Engagement für fast genauso wichtig gehalten wird wie die Ziele Kostenreduktion und Wachstum. Nur für ein Zehntel der Manager ist Profitmaximierung der alleinige Unternehmenszweck. Bei der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2005 waren es noch doppelt so viele. Im internationalen Vergleich sind Deutschlands Mittelständler zudem "überdurchschnittlich stark für Klima- und Umweltschutz engagiert", zeigt eine Studie der KfW aus dem vergangenen Jahr.
Zudem scheinen auch die Konsumenten bereit zu sein, für nachhaltige Produkte mehr zu zahlen. Im globalen Durchschnitt wollen 55 Prozent der Menschen mehr Geld für Waren und Dienstleistungen von Unternehmen ausgeben, die sich für die Gesellschaft und die Umwelt engagieren. In Europa sind es 40 Prozent, zeigt eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Nielsen. Gewinnorientierung und CSR schließen sich also nicht aus, im Gegenteil.
Durch CSR sollen Unternehmen aber auch ganz substanziell profitieren: Die Aktivitäten seien nicht nur dafür da, Traditionen weiterzuführen und die Mitarbeiter zu motivieren. Vielmehr soll CSR das Unternehmensimage verbessern und sich positiv auf die Reputation und die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber auswirken, resümiert die Bertelsmann-Stiftung.
In Zeiten des grassierenden Fachkräftemangels in zahlreichen Regionen und Branchen ist das ein essenzieller Faktor für Unternehmen. So zeigt eine Umfrage der Kommunikationsberatung MSL Group, dass Millennials – also die Generation der zwischen 1984 und 1996 Geborenen – große Erwartungen an das gesellschaftliche Engagement der Firmen haben. Auch für hochqualifizierte Bewerber, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können, sei eine ausgeprägte Corporate Social Responsibility, ein "wesentliches Auswahlkriterium", so die "Youth Economy"-Studie des Zukunftsinstituts, ein Think-Tank aus Frankfurt am Main.
Druck vom Gesetzgeber steigt
Auch Investoren schauen längst nicht mehr nur auf den Gewinn, den Umsatz oder andere Finanzkennzahlen. Sie messen Unternehmen auch anhand ihrer sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Taten. Verstößt ein Konzern dagegen, drohen Proteste der Aktionäre auf der nächsten Hauptversammlung und ein Anteilsverkauf.
Zudem werden freiwillige Zusagen der Unternehmen mehr und mehr durch Gesetze ersetzt. Im Frühjahr 2017 hat die Bundesregierung die CSR-Richtlinie verabschiedet. Demnach müssen alle großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen über ihr Engagement berichten. Passiert das nicht, drohen Bußgelder.
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