Biomarker: Was der Speichel über Kopfverletzungen verrät
Eine kleine Meldung mit erheblicher Tragweite: Die Fachzeitschrift "Jama Pediatrics" berichtete zuletzt von der Entdeckung eines Biomarkers für Gehirnerschütterungen. Damit wurde vielleicht ein Schlüssel gefunden, gefährliche Spätfolgen dieser Verletzung durch therapeutische Eingriffe zu vermeiden.
Biomarker sind messbare biologische Merkmale, die dem behandelnden Arzt Informationen über das Vorliegen einer Krankheit und über mögliche Therapien liefern. Im Fall der Gehirnerschütterung ist es die Konzentration von fünf Micro-RNS im Speichel des Patienten. Micro-RNS sind kurze Makromoleküle von Ribonukleinsäure. Sie liefern offenbar Indikatoren, die das Vorliegen einer Gehirnerschütterung bestätigen.
"Biomarker werden die Diagnose revolutionieren"Michael Zühlsdorf
Solche Hinweise sind deshalb wichtig, weil viele Gehirnerschütterungen laut Studien unentdeckt und damit unbehandelt bleiben. Und daraus können langfristige Probleme erwachsen. Zuletzt machten die Diskussionen um die Folgen von Kopfverletzungen beim American Football von sich Reden. Wissenschaftliche Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass wiederholte Kopfverletzungen in der Krankheit CTE münden können, der sogenannten Chronisch Traumatische Enzephalopathie. Diese Krankheit kann sogar zu Demenz oder Depressionen führen. Therapeutische Eingriffe können solche Spätfolgen verhindern. Und sie können noch viel mehr.
Ob verschiedene Krebsformen oder Zucker-Erkrankungen: Biomarker sind immer öfter gefragt. Vor allem, weil ihr Vorliegen Krankheiten durchaus früher erkennen lässt als herkömmliche Untersuchungen und die Erfolge der Therapie kontrolliert werden können. "Wir befinden uns in einer sehr steil aufsteigenden Phase der Biomarker-Forschung", erklärt Michael Zühlsdorf, Global Head Translational and Biomarker Research Oncology beim Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck. "Ihre Bedeutung nimmt dramatisch zu. Ich denke, dass Biomarker die Diagnose revolutionieren werden", so der Experte.
Punktgenaue Behandlung
Abgesehen davon lassen sich dank der Marker Medikamente besser auf den einzelnen Patienten abstimmen. Entsprechend wird von "personalisierter Medizin" gesprochen, bei der die Behandlung punktgenau auf den einzelnen Patienten abgestimmt wird. "In der Onkologie ist diese ‚Precision Medicine’ in einigen Teilgebieten mittlerweile fast schon Standard, nun revolutionieren die Biomarker auch andere Gebiete", sagt Zühlsdorf. Ein Beispiel in der Krebsbehandlung ist die Bekämpfung metastasierender Melanome. In gut der Hälfte der Fälle regt die Überaktivität eines Proteins (BRAF-Protein) das Wachstum des Tumors an. Mit einem entsprechenden Biomarker lässt sich so eine Prädisposition des Patienten bereits vorab feststellen und damit auch die Frage beantworten, ob er auf eine entsprechende Therapie ansprechen wird.
Beim Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften zum Beispiel befasst sich eine ganze Forschungsgruppe nur mit den Biomarkern. Und Unternehmen wie Roche oder Merck intensivieren ihre entsprechenden Forschungsarbeiten. Merck investierte 2016 rund zwei Milliarden Euro in die Forschung – unter anderem in Biomarker.
Königsdisziplin Präzision
Denn je spezifischer solch ein Marker, umso besser. Dem persischen Arzt Avicenna – geboren im Jahr 980 n. Chr. – genügte der Geschmack von Urin, um Diabetes zu diagnostizieren. "Das bedeutet, Biomarker waren schon immer da, aber ihre Bedeutung für die Therapie war viel geringer. Sie wurden meist nur im frühen Stadium der Diagnose genutzt. Jetzt sind sie ein integraler Bestandteil der Arzneimittelforschung", erklärt Biomarker-Experte Zühlsdorf. Heute kommen Technologien wie Genomik oder Proteomik zum Einsatz, also die umfängliche Analyse einer Zelle mit biochemischen Methoden. Für die Forschung bedeutet das aber auch einen höheren Aufwand.
Zumal die Praxis im Auge behalten werden muss. Im Idealfall lässt sich ein Marker problemlos gewinnen, zum Beispiel aus Speichel oder Blut des Patienten. Auch sollte er schnelle und vor allem aussagekräftige Ergebnisse liefern. Im Fall des Biomarkers für Gehirnerschütterung ist es der Speichel. Schnell gewonnen und mit erheblicher Aussagekraft – das allein ist Grund genug, Biomarker weiter zu erforschen.
Biomarker sind ein Wachstumsfeld. Kein Wunder, dass Merck immer auf der Suche nach Forschern ist, die ihrer Neugier freien Lauf lassen wollen. "Mein Team ist überall dabei: Wir arbeiten von der Konzeptphase bis hin zum Life Cycle Management in allen Bereichen mit. Zurzeit treiben wir mit unseren Kollegen zum Beispiel auch die praktische Implementierung der Biomarker in klinischen Studien voran", sagt Zühlsdorf. Bereits jetzt sind bei dem Wissenschafts- und Technologieunternehmen rund 50.000 Mitarbeiter in 66 Ländern tätig.
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