SDI lebt im Stillen weiter
Auch wenn es zwischenzeitlich sehr ruhig wurde um den umstrittenen Raketenabwehrschild des amerikanischen Militärs: Das vom damaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan im Jahr 1983 skizzierte "Krieg-der-Sterne-Programm" besteht weiterhin. Es änderte nur vielfach seinen Namen.
National Missile Defense (NMD) heißt nun der Raketenabwehrschild gegen feindliche Angriffe, den die US-Amerikaner planen. Diese Strategie der "Nationalen Raketenverteidigung" ist eine unmittelbare Fortentwicklung des Verteidigungsprogramms Strategic Defense Initiative, das der republikanische Politiker Reagan vor über zwanzig Jahren in einer Rede ankündigte.
Auch wenn SDI – das von seinen Kritikern in Anspielung auf einen Kinofilm "Star Wars" genannt wurde – wohl die bekannteste Doktrin war, gingen ihr andere voraus. Beim Nike-Zeus-Programm beispielsweise wollten die Amerikaner zur Verteidigung gegen anfliegende sowjetische Atomraketen unter anderem einen atomaren Sprengkopf über dem Nordpol zünden. Diesen Plan gab man allerdings bereits 1961 wieder auf. Der dadurch ausgelöste elektromagnetische Puls hätte die eigenen Satelliten und Beobachtungseinrichtungen zerstört, sodass nicht einmal die anschließende Fernaufklärung sicher gestellt schien.
Später folgten Taktiken wie Defender ("Verteidiger"), Sentinel ("Wächter") zusammen mit Bambi (für Ballistic Missile Boost Intercept, das Abfangen ballistischer Raketen in der Startphase) sowie Safeguard ("Sicherung"). Alle Strategien wurden alsbald wieder eingemottet oder modifiziert, weil sie sich politisch, finanziell oder technisch nicht durchsetzen ließen.
Zudem konterte der ehemalige Ostblock jede Bedrohung mit eigenen Programmen, es kam zu einem langen, kraftzehrenden Wettrüsten. Etwas Ruhe brachte erst der Anti-Ballistic-Missile-Vertrag, den die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion 1972 unterzeichneten. Das bilaterale ABM-Abkommen erlaubte beiden Supermächten, ein begrenztes Gebiet mit einem lokalen Raketenabwehrschild gegen Interkontinentalraketen zu schützen. Gleichzeitig verbot es darüber hinaus gehende Waffensysteme gegen atomare Angriffe.
Dahinter verbarg sich die Logik der gegenseitigen Abschreckung. Ein Erstschlag sollte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen gleichfalls alles vernichtenden atomaren Gegenschlag nach sich ziehen. Die Sowjets entschlossen sich daraufhin, die russische Hauptstadt Moskau zu schützen, während die Vereinigten Staaten sich für ihre Minuteman-Raketensilos in North Dakota entschieden.
Doch zum Juni 2002 kündigte die US-Regierung unter George W. Bush den ABM-Vertrag auf. Sie begründete ihren Schritt mit veränderten nationalen Sicherheitsinteressen sowie einer neuartigen Bedrohung durch Drittstaaten, die nun ebenfalls über Raketen zur Massenvernichtung verfügen. Als Gefahr gelten insbesondere die Nuklearsprengköpfe der von Amerika als Schurkenstaaten bezeichneten Nationen Nordkorea, Iran und bis zum Frühjahr 2003 auch der Irak.
Das aktuelle Programm NMD ist gleichwohl deutlich weniger ehrgeizig als einige seiner Vorgänger, insbesondere als SDI. Es soll den nordamerikanischen Kontinent lediglich gegen "begrenzte Bedrohungen durch ballistische Raketen, einschließlich unfallbedingter oder versehentlicher Starts oder Angriffe aus der Dritten Welt" schützen, und nicht mehr gegen einen flächendeckenden Großangriff. Der taktische Wechsel ist der weltweit veränderten Bedrohungslage geschuldet, schließlich hat sich der zu SDI-Zeiten einzige ernst zu nehmende Gegner, der Warschauer Pakt, längst aufgelöst.
Westliche Militärs behaupten, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion eine Folge des SDI-Programms war. Der Ostblock habe beim Wettrüsten mit den Vereinigten Staaten wirtschaftlich nicht mehr Schritt halten können. Andererseits herrscht die einhellige Meinung, dass sich die SDI-Maßnahmen leicht hätten austricksen lassen. Dies wäre zudem wesentlich billiger gewesen als der von den Amerikanern geplante lückenlose Abwehrschild. So sehen sich die hochgezüchteten und bis zu drei Millionen Dollar teuren Abfangraketen mittlerweile Projektilen gegenüber, die in der Luft gleich mehrere Sprengköpfe freisetzen. Einige davon können sogar ausschließlich Attrappen sein; und der Verteidiger weiß nicht, welche die tödliche Fracht trägt.
Aus Furcht vor dieser Verschleierungstaktik lenkten die amerikanischen Streitkräfte im Irak-Krieg von 1990/91 daher meist drei oder mehr Patriot-Abfangraketen auf je eine anfliegende irakische Scud- oder Al-Hussein-Rakete. Oft mit mäßigem Erfolg. Doch wurden die Projektile mittlerweile deutlich verbessert, was die amerikanischen Militärs 2008 eindrucksvoll mit dem erfolgreichen Abschuss eines ihrer Spionagesatelliten unter Beweis stellten. Gleichwohl benötigen die Streitkräfte weiterhin eine kostenträchtige Flut an Geschossen. Das treibt die Kosten für die Verteidigung schnell in die Höhe.
Um die Waffe auch jenseits des Horizonts einsetzen zu können, planten die Streitkräfte den Laserstrahl mittels satellitengestützter Spiegel umzulenken. Vor diesem möglichen Anlass für ein Wettrüsten im All schreckten sie jedoch zurück, weswegen die Reichweite vorerst auf einige hundert Kilometer beschränkt bleibt. Im Jahr 2009 soll die fliegende Strahlenwaffe nun einen ersten Praxistest bestehen.
Doch Gegenstrategien wurden längst entwickelt. Verspiegelt der Angreifer seine Raketen, würden sie den Laserstrahl einfach ablenken. Versetzt er sie in Drehung, würde die Wirkung des Lasers dann auf eine größere Fläche verteilt und einfach verpuffen. Auch der Airborne Laser ist also noch nicht ausgereift.
Jenseits technischer Probleme sorgt die aktuelle Verteidigungsdoktrin der Amerikaner aber auch politisch für höchst bedenkliche Entwicklungen. Sie schließt nämlich Stützpunkte in Polen und Tschechien ein, wo die US-Streitkräfte Radaranlagen und Abfangraketen stationieren wollen. Bereits im vergangenen Jahr bewegten diese Pläne Russlands damaliger Präsident Wladimir Putin zur Kündigung des "Vertrags über Konventionelle Streitkräfte in Europa" (KSE-Vertrag). Nachdem die USA und Polen im August zu einer Einigung über die Stationierung gekommen waren, brachten russische Militärs gar einen möglichen Nuklearschlag ins Spiel. Eine weitere Runde des Wettrüstens scheint sich damit anzubahnen.
Auch wenn SDI – das von seinen Kritikern in Anspielung auf einen Kinofilm "Star Wars" genannt wurde – wohl die bekannteste Doktrin war, gingen ihr andere voraus. Beim Nike-Zeus-Programm beispielsweise wollten die Amerikaner zur Verteidigung gegen anfliegende sowjetische Atomraketen unter anderem einen atomaren Sprengkopf über dem Nordpol zünden. Diesen Plan gab man allerdings bereits 1961 wieder auf. Der dadurch ausgelöste elektromagnetische Puls hätte die eigenen Satelliten und Beobachtungseinrichtungen zerstört, sodass nicht einmal die anschließende Fernaufklärung sicher gestellt schien.
Später folgten Taktiken wie Defender ("Verteidiger"), Sentinel ("Wächter") zusammen mit Bambi (für Ballistic Missile Boost Intercept, das Abfangen ballistischer Raketen in der Startphase) sowie Safeguard ("Sicherung"). Alle Strategien wurden alsbald wieder eingemottet oder modifiziert, weil sie sich politisch, finanziell oder technisch nicht durchsetzen ließen.
Zudem konterte der ehemalige Ostblock jede Bedrohung mit eigenen Programmen, es kam zu einem langen, kraftzehrenden Wettrüsten. Etwas Ruhe brachte erst der Anti-Ballistic-Missile-Vertrag, den die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion 1972 unterzeichneten. Das bilaterale ABM-Abkommen erlaubte beiden Supermächten, ein begrenztes Gebiet mit einem lokalen Raketenabwehrschild gegen Interkontinentalraketen zu schützen. Gleichzeitig verbot es darüber hinaus gehende Waffensysteme gegen atomare Angriffe.
Dahinter verbarg sich die Logik der gegenseitigen Abschreckung. Ein Erstschlag sollte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen gleichfalls alles vernichtenden atomaren Gegenschlag nach sich ziehen. Die Sowjets entschlossen sich daraufhin, die russische Hauptstadt Moskau zu schützen, während die Vereinigten Staaten sich für ihre Minuteman-Raketensilos in North Dakota entschieden.
Doch zum Juni 2002 kündigte die US-Regierung unter George W. Bush den ABM-Vertrag auf. Sie begründete ihren Schritt mit veränderten nationalen Sicherheitsinteressen sowie einer neuartigen Bedrohung durch Drittstaaten, die nun ebenfalls über Raketen zur Massenvernichtung verfügen. Als Gefahr gelten insbesondere die Nuklearsprengköpfe der von Amerika als Schurkenstaaten bezeichneten Nationen Nordkorea, Iran und bis zum Frühjahr 2003 auch der Irak.
Das aktuelle Programm NMD ist gleichwohl deutlich weniger ehrgeizig als einige seiner Vorgänger, insbesondere als SDI. Es soll den nordamerikanischen Kontinent lediglich gegen "begrenzte Bedrohungen durch ballistische Raketen, einschließlich unfallbedingter oder versehentlicher Starts oder Angriffe aus der Dritten Welt" schützen, und nicht mehr gegen einen flächendeckenden Großangriff. Der taktische Wechsel ist der weltweit veränderten Bedrohungslage geschuldet, schließlich hat sich der zu SDI-Zeiten einzige ernst zu nehmende Gegner, der Warschauer Pakt, längst aufgelöst.
Westliche Militärs behaupten, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion eine Folge des SDI-Programms war. Der Ostblock habe beim Wettrüsten mit den Vereinigten Staaten wirtschaftlich nicht mehr Schritt halten können. Andererseits herrscht die einhellige Meinung, dass sich die SDI-Maßnahmen leicht hätten austricksen lassen. Dies wäre zudem wesentlich billiger gewesen als der von den Amerikanern geplante lückenlose Abwehrschild. So sehen sich die hochgezüchteten und bis zu drei Millionen Dollar teuren Abfangraketen mittlerweile Projektilen gegenüber, die in der Luft gleich mehrere Sprengköpfe freisetzen. Einige davon können sogar ausschließlich Attrappen sein; und der Verteidiger weiß nicht, welche die tödliche Fracht trägt.
Aus Furcht vor dieser Verschleierungstaktik lenkten die amerikanischen Streitkräfte im Irak-Krieg von 1990/91 daher meist drei oder mehr Patriot-Abfangraketen auf je eine anfliegende irakische Scud- oder Al-Hussein-Rakete. Oft mit mäßigem Erfolg. Doch wurden die Projektile mittlerweile deutlich verbessert, was die amerikanischen Militärs 2008 eindrucksvoll mit dem erfolgreichen Abschuss eines ihrer Spionagesatelliten unter Beweis stellten. Gleichwohl benötigen die Streitkräfte weiterhin eine kostenträchtige Flut an Geschossen. Das treibt die Kosten für die Verteidigung schnell in die Höhe.
Ähnlich umstritten ist die Durchschlagskraft des auf einem Jumbo-Jet installierten Airborne Lasers. Aus dem Bug der Maschine lässt die ebenfalls zu SDI-Zeiten ersonnene Laserkanone einen extrem gebündelten megawattstarken Infrarotstrahl hervorschießen. Er soll auf die Außenhaut von Raketen gerichtet werden und diese so erhitzen, dass die darunter liegende Flugkontroll- und Zielelektronik versagt. Außerdem soll er den Außenmantel des anfliegenden Projektils aufweichen, damit er den starken aerodynamischen Kräften, die beim Aufstieg durch die Atmosphäre wirken, nicht mehr standhält.
Um die Waffe auch jenseits des Horizonts einsetzen zu können, planten die Streitkräfte den Laserstrahl mittels satellitengestützter Spiegel umzulenken. Vor diesem möglichen Anlass für ein Wettrüsten im All schreckten sie jedoch zurück, weswegen die Reichweite vorerst auf einige hundert Kilometer beschränkt bleibt. Im Jahr 2009 soll die fliegende Strahlenwaffe nun einen ersten Praxistest bestehen.
Doch Gegenstrategien wurden längst entwickelt. Verspiegelt der Angreifer seine Raketen, würden sie den Laserstrahl einfach ablenken. Versetzt er sie in Drehung, würde die Wirkung des Lasers dann auf eine größere Fläche verteilt und einfach verpuffen. Auch der Airborne Laser ist also noch nicht ausgereift.
Jenseits technischer Probleme sorgt die aktuelle Verteidigungsdoktrin der Amerikaner aber auch politisch für höchst bedenkliche Entwicklungen. Sie schließt nämlich Stützpunkte in Polen und Tschechien ein, wo die US-Streitkräfte Radaranlagen und Abfangraketen stationieren wollen. Bereits im vergangenen Jahr bewegten diese Pläne Russlands damaliger Präsident Wladimir Putin zur Kündigung des "Vertrags über Konventionelle Streitkräfte in Europa" (KSE-Vertrag). Nachdem die USA und Polen im August zu einer Einigung über die Stationierung gekommen waren, brachten russische Militärs gar einen möglichen Nuklearschlag ins Spiel. Eine weitere Runde des Wettrüstens scheint sich damit anzubahnen.
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