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Debatte: Wird E.T. aussehen wie wir?

Außerirdischer
Wie stehen die Chancen, dass intelligente Außerirdische einer technologisch fortgeschrittenen Zivilisation jenen Figuren gleichen, wie sie nicht selten in Science-fiction-Filmen über die Leinwand gleiten: spindeldürrer Torso, ebensolche Gliedmaßen und Finger, großer ovaler Kopf mit riesengroßen mandelförmigen Augen? Wie stehen die Chancen, dass sie vielleicht sogar humanoid sind? Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt nahe Null, behaupte ich in einem kurzen youtube-Video, das Josh Timonen von der Richard Dawkins Foundation for Reason and Science produziert hat. (Der Stiftungsgründer Dawkins ist britischer Biologe und Buchautor von "Das egoistische Gen"). Dawkins selbst merkte zu diesem Video indessen folgendes an:

"Dass sich Aliens als zweibeinige Primaten herausstellen, damit würde ich ebenfalls nicht rechnen. Ich glaube aber, dass [Shermer] die Wahrscheinlichkeit, die dagegen spricht, deutlich überschätzt. [Der Paläontologe von der University of Cambridge] Simon Conway Morris, dessen Kompetenz auf diesem Gebiet man keinesfalls unterschätzen sollte, hält bipede Primaten auf fernen Planeten für nicht unwahrscheinlich. Und Ed Wilson [ein Biologe an der Harvard University] hat sich zumindest einige Zeit lang mit Überlegungen beschäftigt, denen zufolge – wäre ihnen nicht die Katastrophe an der Kreide-Tertiär-Grenze dazwischen gekommen – aus Dinosauriern etwas Ähnliches hätte werden können wie es diese Zeichnung zeigt [eine Illustration des Paläontologen Dale A. Russell, die einen möglichen evolutionären Weg vom zweibeinigen Dinosaurier zu einem reptilienartigen Humanoiden skizziert]."

Wenn es im Wesen der Evolution liegen sollte, dass sich mit einer gewissen Unvermeidbarkeit ein intelligenter, Technologie nutzender, zweibeiniger Humanoid entwickelt, so antwortete ich Dawkins, wäre dies aber auch auf der Erde mehr als einmal geschehen. Zwar argumentiert Robert Wright in seinem 2001 erschienenen Buch "Nonzero: The Logic of Human Destiny", dass unsere Existenz das Auftreten anderer irdischer Lebensformen mit einer der unseren vergleichbaren Intelligenz verhindert. Den experimentellen Gegenbeweis – soweit dieser möglich ist – lieferten indessen die Neandertaler, die, von uns unbeeinflusst, Hunderttausende von Jahre lang in Europa lebten. Und dennoch keinen technologischen und kulturellen Fortschritt erreichten, der mit dem des modernen Menschen (der sie schließlich ersetzt hat) vergleichbar wäre.

Dawkins Rückantwort an mich erscheint mir sehr erhellend:

"Sie wechseln von einem Extrem ins andere. Im Video stellen Sie die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung als so immens hoch dar, dass Sie im gesamten Universum mit keiner zweiten humanoiden Lebensform rechnen. Und nun ... weisen Sie – zu Recht – darauf hin, dass wir im Fall einer gewissen Unvermeidbarkeit dieser Entwicklung davon ausgehen müssten, dass sich auch auf der Erde Humanoide mehr als einmal hätten entwickeln müssen! Ja, Humanoide sind ziemlich unwahrscheinlich, aber nicht notwendigerweise extrem unwahrscheinlich. Und sobald man zumindest von einer "gewissen Unvermeidbarkeit" sprechen kann, ist dies gleichbedeutend mit der Existenz von Millionen oder gar Milliarden humanoider Lebensformen im Universum – einfach deshalb, weil die Zahl der geeigneten Planeten so groß ist. Ich sehe meine Position irgendwo zwischen Ihren Extremen ... und vermute, dass Humanoide nicht so selten sind, dass die von Ihnen benutzten statistischen Superlative gerechtfertigt wären."

Ein guter Punkt. Aber von den 60 bis 80 Tierstämmen hat nur einer, die Chordaten, letztlich zu Intelligenz geführt, und nur die Vertebraten haben sie tatsächlich entwickelt. Und von allen Vertebraten haben nur Säugetiere Gehirne entwickelt, die groß genug waren, dass sie auch höhere Hirnfunktionen ermöglichten. Und von den 24 Ordnungen von Säugetieren besitzt nur eine – unsere, die der Primaten – technologische Intelligenz. Wie der 2005 verstorbene Harvard-Evolutionsbiologe Ernst Mayr sagte: "Nichts demonstriert die Unwahrscheinlichkeit, dass es zu höherer Intelligenz kommt, besser als die Millionen phyletischer Linien, denen dies nicht gelungen ist." Obwohl es auf der Erde möglicherweise zur Entstehung von rund 50 Milliarden Arten kam, so Mayr, "entwickelte doch nur eine von diesen die nötige Intelligenz, um eine Zivilisation zu begründen."

Im Jahr 1995 hatte die kalifornische Planetary Society – eine gemeinnützige Organisation, zu deren Gründern der Astronom Carl Sagan gehörte – eine Debatte zwischen Mayr und Sagan organisiert (Bioastronomy News, Vol. 7, No. 4, 1995 oder kostenfrei hier). Mayr wies im Lauf des Gesprächs darauf hin, dass Spezies, die auf technologischem Weg miteinander kommunizieren, "ebenso auf dem Land wie in den Meeren oder in der Luft leben könnten. Sie könnten eine uns unvorstellbare Biochemie und ebenso unvorstellbare Formen, Größen, Farben, Gliedmaßen und Meinungen besitzen. Wir erwarten nicht, dass sie notwendigerweise dem ganz speziellen Entwicklungspfad folgen, der zur Evolution von Menschen führte. Die Pfade hin zu intelligentem Leben mögen jeder für sich zwar unwahrscheinlich sein, in der Summe aber würde sich eine ganz erhebliche Zahl solcher Entwicklungswege ergeben.”

Die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo im Universum zur Entstehung von intelligentem Leben kommt, könnte also tatsächlich sehr groß sein. Dass es von humanoider Form ist, dafür stehen die Chancen indessen eher schlecht. Protagoras' "Der Mensch ist das Maß aller Dinge" führt uns, so meine Vermutung, gerade bei der Frage, ob wir uns in Außerirdischen wiederfinden könnten, schnurstracks in die Irre.

Der US-Amerikaner Michael Shermer ist Herausgeber der Zeitschrift Skeptic und Sachbuchautor.

Dieser Beitrag ist im Original im Scientific American erschienen.

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