Wissenschaft und Karriere: "In Storys denken"
Ein positives Image kann nie schaden, negative Schlagzeilen dagegen schon. Öffentlichkeitsarbeit – auch Public Relations (PR) genannt – sorgt für ein angenehmes Grundrauschen im öffentlichen Raum. Die Einsicht in die Notwendigkeit von PR hat sich in der Wissenschaft durchgesetzt. Eine innige Beziehung ist daraus aber nicht entstanden. Öffentlichkeitsarbeit hat mit der Inszenierung von Persönlichkeiten zu tun. Geschichten, die um Menschen herum gestrickt sind, verkaufen sich nun mal besser als Produktbeschreibungen und Gebrauchsanleitungen, Formeln und Gleichungen. Damit tun sich Wissenschaftler schwer. Ihnen geht es um Sachlichkeit und Objektivität.
Während die PR der Realität immer gern etwas vorauseilt, fühlt sich der Wissenschaftler dazu berufen, die enteilte Wirklichkeit so schnell wie möglich wieder zurück zu holen. Das tut er, wenn nötig, auch auf dem Podium einer Pressekonferenz. Nicht-Wissenschaftler, die PR für eine wissenschaftliche Einrichtung betreiben, werden vom Wissenschaftsbetrieb oft nicht ernst genommen. Wissenschaftler, die mit der PR eines Instituts beauftragt sind, fühlen sich weiterhin als Wissenschaftler und nicht als PR-Manager. PR und Wissenschaft sind schwierige Partner.
Ein nüchterner Blick auf die Realität…
Die Meinungen darüber, was Öffentlichkeitsarbeit leisten kann, gehen weit auseinander. Unternehmens- oder Institutsleitungen erliegen oft dem Irrtum, das Erscheinungsbild ihrer Einrichtung lasse sich nach Belieben steuern. Vielfach sehen sie in der PR nur ein Verlautbarungsorgan oder eine Unterfunktion des Marketings: billige Werbung.
Über vierzig Prozent der deutschen Pressesprecher leiten Stabsstellen – zwar in luftiger Höhe aufgehängt, dort aber schlecht vertäut und mit wenig Durchsetzungsmacht ausgestattet. Sie verbringen ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit administrativen Arbeiten und hausinternen Absprachen. Zwar leisten sie damit einen Beitrag zur bürokratischen Selbstbelebung, nicht aber zur wirkungsvollen Außendarstellung ihrer Organisation.
… und die eigene Rolle
Ein guter Öffentlichkeitsarbeiter muss sich Gehör verschaffen. Chefs sind mit Informationen chronisch unterversorgt. Die von ihnen gewünschte Wirklichkeit steht mit der tatsächlichen Realität nicht immer in harmonischem Einklang. Der Öffentlichkeitsarbeiter muss ihnen sagen dürfen, was machbar ist, was nicht. Das ist leichter gesagt als getan, denn kein Chef gibt gern Fehler zu. Im Zweifel ist seine Entscheidung "nicht richtig kommuniziert worden". Da muss ein Pressesprecher gegensteuern. Da muss er leidensfähig sein. Das ist sein Berufsrisiko.
In Storys denken
Im Mittelpunkt der Öffentlichkeitsarbeit steht nach wie vor die klassische Medienarbeit. Es genügt nicht mehr, Verlautbarungen über einen mehr oder weniger gut gepflegten Presseverteiler auszusenden und auf Resonanz zu warten. Die meisten Pressemitteilungen müssen geschrieben werden, weil einflussreiche Menschen das wollen, auch wenn es nichts mitzuteilen gibt. Journalisten wollen aber keine vorfabrizierten Texte abdrucken, schon gar nicht, wenn sie in unverständlichem Fachjargon verfasst sind.
Es kommt nicht darauf an, Pressemitteilungen am Fließband zu formulieren, sondern Themen anzubieten. Vor deren Auswahl empfiehlt es sich zu fragen: „Was will ich in der Zeitung lesen? Dabei geht es immer um Menschen. Nachrichten werden von Menschen für Menschen gemacht. Journalisten brauchen Storys. Öffentlichkeitsarbeiter sollten daher "in Storys denken".
Kunden, keine Kollegen
Öffentlichkeitsarbeiter sprechen Journalisten gern als "Kollegen" an. Journalisten sind aber keine Kollegen, auch wenn viele Pressesprecher früher einmal Journalisten waren. Journalisten sind Kunden. Ein Kunde will umhegt und umpflegt, will gefragt werden. Er möchte selbst entscheiden, über wen und was er berichtet. Das zu akzeptieren fällt Pressesprechern schwer. Sie leben in der Erwartung, der Journalist möge sich an sie wenden. Das mag für Ministerien gelten, gerade in der Öffentlichkeitsarbeit wissenschaftlicher Einrichtungen sollte es umgekehrt sein. Hier muss der Pressesprecher seine Themen den Medien anbieten – und zwar nicht in Form ausformulierter Texte, sondern als Ideen für Geschichten. Diese zu finden ist gar nicht schwer.
"Klinkenputzen"
Journalisten haben wenig Zeit, aber sie honorieren sehr die Wertschätzung eines Pressesprechers, der sie persönlich aufsucht und sie nach ihren Interessen befragt und ihnen Themen anbietet. Der Aufbau eines Kontaktnetzes zu Journalisten ist ein zeitaufwendiges und mühseliges Geschäft. Es ist nicht anderes als "Klinkenputzen". Wer macht das schon gern? Die Mühe aber lohnt sich, denn nur so erfahren Öffentlichkeitsarbeiter, was Journalisten interessiert und unter welchen Bedingungen sie arbeiten. Bei Redaktionsbesuchen wird schnell klar, warum Pressemitteilungen oft ungelesen im Mülleimer landen, ganz einfach, weil sie am Bedarf der Kunden vorbei geschrieben wurden.
Dr. Peter Strunk ist Bereichsleiter Kommunikation bei der Betreibergesellschaft des Wissenschafts- und Technologieparks Berlin-Adlershof. Der promovierte Historiker hat sich gegen eine wissenschaftliche Laufbahn entschieden und betreibt seit 1988 seinen erlernten Beruf bevorzugt als Hobby. Er arbeitete zunächst acht Jahre als Referent beim AEG-Konzern in Frankfurt am Main und dann zwei Jahre als Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer in Cottbus. Seine Stelle in Berlin-Adlershof trat er 1999 an.
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