Tagebuch: Wundergarten der Polyeder
Norbert Treitz macht aus Allerweltsmaterial die ausgefallensten geometrischen Gebilde. Spektrum-Redakteur Christoph Pöppe hat ihn bei seiner Ausstellung im Gießener "Mathematikum" besucht.
Aber seine besondere Zuneigung gilt der räumlichen Geometrie und da insbesondere den Polyedern, den von ebenen Flächen begrenzten Körpern. Als Physikdidaktiker hat man wenig Gelegenheit, diese Liebe dienstlich auszuleben; die Elementarzelle des Diamant-Kristallgitters ("Wie Atome den Raum unter sich aufteilen") ist eben nur eins von vielen Themen. Aber kaum ist Norbert Treitz im Ruhestand, nutzt er seinen ersten freien Monat, um die Produkte seiner langjährigen Freizeitbeschäftigung einem größeren Publikum vorzustellen. Vom 8. April bis zum 3. Mai war im Gießener Mathematikum seine Ausstellung "Ecken – Kanten – Körper" zu sehen.
Dem Besucher springt zuallererst die große Vielfalt der Materialien ins Auge. Treitz verschmäht auch die kommerziellen Produkte wie Eisenkugeln mit Magnetstäbchen oder die zusammenklickbaren Plastik-Vielecke nicht. Aber er baut seine Polyeder mit allem, was brauchbar und vor allem billig ist: Trinkhalme, Wurststäbchen, Papier…
Die einfachsten Übungen sind die konvexen Körper, die nur aus Dreiecken bestehen: Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder oder weniger regelmäßige Varianten. Die nehmen schon dann die richtige Form an, wenn die Kantenlängen stimmen, denn ein Dreieck ist durch seine drei Seitenlängen eindeutig festgelegt. Anderen Körpern kann man Pyramiden aufsetzen (deren Seitenflächen sind sämtlich Dreiecke) und dadurch die hübschen, wohlbekannten Sternkörper erzeugen. Aber Treitz wandelt auch hier gerne abseits der ausgetretenen Pfade und präsentiert uns die ausgefalleneren Schönheiten.
Das andere Tensegrity zum Dodekaeder (unten im Bild) wirkt wesentlich aufgeräumter: Stangen verlaufen entlang von Flächendiagonalen, fügen sich zu einem Kantenmodell des Würfels und demonstrieren damit eine der zahlreichen Verwandtschaften der platonischen Körper untereinander. Die noch nicht versorgten Ecken werden durch längliche Rechtecke, deren Kanten parallel zu den Würfelkanten verlaufen, in die richtige Position gebracht.
Die einzelnen Oktaederstümpfe sind dreifach-periodisch im Raum angeordnet wie Atome in einem Kristallgitter. Das gilt für die einfachste Raumfüllung, den Stapel aus lauter Würfeln, auch, aber die Packungen sind nicht einfach äquivalent in dem Sinne, dass man jeden Würfel zu einem Oktaederstumpf deformieren könnte und dann wieder eine Raumfüllung hätte. Was allerdings geht, ist jeden Oktaederstumpf trickreich in Teile zu zersägen und diese dann zu Würfeln zusammenzufassen. Dabei müssen, wohlgemerkt, die Teile sich nicht bewegen! Diese Zersägung ist verwandt mit derjenigen von Arthur Schonflies, welcher mit ähnlichen Mitteln die Raumfüllung durch Oktaederstümpfe in eine durch Rhombendodekaeder verwandelte ("Die seltsamen Kristallklötzchen des Arthur Schoenflies").
Immerhin: Man kann Würfel und Dodekaeder periodisch so im Raum anordnen, dass sie einander an den Ecken berühren. Dazwischen bleiben allerdings große Lücken. Überraschenderweise lassen sich diese Lücken sämtlich mit einem einzigen Baustein (in hinreichend vielen Exemplaren) stopfen. Er trägt den Namen Bilunabirotunda und ist in einer Sammlung exotischer Körper einer der exotischsten. Das heißt, unter den 92 konvexen, von lauter regelmäßigen Vielecken begrenzten Polyedern, die ein Kauz namens Norman Johnson erschöpfend beschrieben hat, ist die Bilunabirotunda die Nummer 91. Alle Vorgänger in der Liste waren noch durch eine gewisse Systematik zu ermitteln ("Ein Baukasten für Polyeder").
Die Bilunabirotunda besteht aus zwei einander gegenüberliegenden Quadraten, vier Fünfecken und acht Dreiecken. Man setze an die sechs Flächen eines Würfels je eine Bilunabirotunda. Damit sie einander nicht in die Quere kommen, müssen drei an einer Ecke benachbarte Bilunabirotunden in drei verschiedene Raumrichtungen weisen. Und schon stellen diese drei an der Außenseite ein Bettchen aus drei aneinandergrenzenden Fünfecken bereit, in dem es sich ein Dodekaeder bequem machen kann, und so weiter (siehe auch "Dissection of a Cube").
Das stellt harte Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen! Treitz stellt dafür Modelle aus Kugeln und Stabmagneten einerseits sowie aus klickbaren Plastikteilen andererseits bereit. Man beachte, dass manche Kugeln nicht den Einheitsabstand, sondern den τ-fachen Einheitsabstand haben müssen (τ = (√5+1)/2 ist das Verhältnis des Goldenen Schnitts); dafür gibt es entsprechend überlange Stäbchen. Weiße Aufkleber zeigen, wo sonst noch der Faktor τ vorkommt.
Die äußeren Ecken der sechs Bilunabirotunden, die einem Würfel anliegen, liegen sämtlich auf einer Kugeloberfläche und fügen sich zu einem archimedischen Körper, der aus Fünfecken, Quadraten und Dreiecken besteht (gelbe Stangen).
Dieses Zusammensetzverfahren lässt sich beliebig und in alle drei Raumrichtungen fortsetzen. Der elementare Baustein ist denkbar einfach zu fertigen: Man klebe einen vierteiligen Streifen zum Ring. Zu solchem Tun waren die Besucher der Ausstellung eingeladen und hatten bis zum Ende ein imposantes Gebilde fertiggestellt.
Denkt man es sich bis ins Unendliche fortgesetzt, so kann man es mit einiger Berechtigung einen unendlichen platonischen Körper nennen ("Polyeder aneinanderkleben"): Alle Flächen sind regelmäßige Vielecke, nämlich Quadrate, und alle Ecken sind gleich. Nur konvex ist der Körper nicht.
Zu allem Überfluss bietet er eine interessante Lösung für ein brennendes politisches Problem. Was macht man mit zwei Volksgruppen, die dasselbe Land für sich beanspruchen und einander nicht ausstehen können? Man steckt die einen in den Teilraum mit den weißen Wänden und die anderen in den mit den roten Wänden. Jede der beiden Gruppen hat unendlich viel Platz zur Verfügung. Jeder kann seine eigenen Genossen problemlos erreichen und bekommt sein ganzes Leben lang keinen seiner Feinde zu sehen, obgleich er mit ihnen Wand an Wand lebt. Höchstens Partylärm dringt vielleicht von der einen Welt in die andere. Wie schön wäre es, wenn dieser Friedensplan nicht ganz so theoretisch wäre!
Christoph Pöppe
Leser dieser Zeitschrift kennen Norbert Treitz, Physikprofessor aus Duisburg, als regelmäßigen Autor unserer Rubrik "Physikalische Unterhaltungen". Dass er neben seiner Neigung zu unkonventionellen Blicken auf die Physik auch ein Faible für ansehnliche Mathematik hat, konnte der aufmerksame Beobachter daraus erschließen, dass er immer wieder gern auf die hübschen Epi- und Hypo-zykloiden und -trochoiden zurückkommt.
Aber seine besondere Zuneigung gilt der räumlichen Geometrie und da insbesondere den Polyedern, den von ebenen Flächen begrenzten Körpern. Als Physikdidaktiker hat man wenig Gelegenheit, diese Liebe dienstlich auszuleben; die Elementarzelle des Diamant-Kristallgitters ("Wie Atome den Raum unter sich aufteilen") ist eben nur eins von vielen Themen. Aber kaum ist Norbert Treitz im Ruhestand, nutzt er seinen ersten freien Monat, um die Produkte seiner langjährigen Freizeitbeschäftigung einem größeren Publikum vorzustellen. Vom 8. April bis zum 3. Mai war im Gießener Mathematikum seine Ausstellung "Ecken – Kanten – Körper" zu sehen.
Dem Besucher springt zuallererst die große Vielfalt der Materialien ins Auge. Treitz verschmäht auch die kommerziellen Produkte wie Eisenkugeln mit Magnetstäbchen oder die zusammenklickbaren Plastik-Vielecke nicht. Aber er baut seine Polyeder mit allem, was brauchbar und vor allem billig ist: Trinkhalme, Wurststäbchen, Papier…
Die einfachsten Übungen sind die konvexen Körper, die nur aus Dreiecken bestehen: Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder oder weniger regelmäßige Varianten. Die nehmen schon dann die richtige Form an, wenn die Kantenlängen stimmen, denn ein Dreieck ist durch seine drei Seitenlängen eindeutig festgelegt. Anderen Körpern kann man Pyramiden aufsetzen (deren Seitenflächen sind sämtlich Dreiecke) und dadurch die hübschen, wohlbekannten Sternkörper erzeugen. Aber Treitz wandelt auch hier gerne abseits der ausgetretenen Pfade und präsentiert uns die ausgefalleneren Schönheiten.
Das Dodekaeder, der platonische Körper aus zwölf regelmäßigen Fünfecken, hat insgesamt 20 Ecken. Man verbinde man jede Ecke mit einer anderen Ecke, die eine Flächendiagonale plus eine Kante weiter entfernt ist, durch eine Stange und erhalte eine "tensegrity"-Figur ("Architekturen des Lebens"). Das ist das obere der beiden Gebilde, die Treitz im Bild links am Faden hält. Die insgesamt zehn nur auf Druck belastbaren Stangen (Trinkhalme) plus die nur auf Zug belastbaren Fäden, die entlang der Dodekaederkanten verlaufen, halten die Konstruktion in Form. Gleichfarbige Stangen stehen rechtwinklig zueinander; keine zwei Stangen haben direkten Kontakt.
Das andere Tensegrity zum Dodekaeder (unten im Bild) wirkt wesentlich aufgeräumter: Stangen verlaufen entlang von Flächendiagonalen, fügen sich zu einem Kantenmodell des Würfels und demonstrieren damit eine der zahlreichen Verwandtschaften der platonischen Körper untereinander. Die noch nicht versorgten Ecken werden durch längliche Rechtecke, deren Kanten parallel zu den Würfelkanten verlaufen, in die richtige Position gebracht.
Eine weitere Verwandtschaft zwischen platonischen Körpern wird durch diese Trinkhalmkonstruktion offenbart: Teilt man sämtliche Kanten eines Oktaeders im Verhältnis des Goldenen Schnitts, so bilden die Teilpunkte die Ecken eines regelmäßigen Ikosaeders.
Man kann die Kantenmittelpunkte eines Würfels paarweise durch gleich lange Stangen verbinden derart, dass diese Stangen vier gleichseitige Dreiecke bilden. Jedes dieser Dreiecke ist mit allen anderen in unauflöslicher Weise verknotet. Verdickt man die Stangen zu Balken geeigneter Form, so erhält man einen Knotenkörper, dessen Komponenten nicht mehr gegeneinander beweglich sind ("Geordnetes Gestrüpp"). Treitz hat auch dieses Prinzip mit einem Tensegrity realisiert. Da allerdings die Würfelecken nicht von Stangen berührt werden, schneidet er dem Würfel in Gedanken alle Ecken mitsamt der Hälfte der jeweils daran hängenden Kanten ab, so dass nur ein Kuboktaeder (Würfelstumpf) übrig bleibt. Dieser Körper, in dem an jeder Kante ein Quadrat und ein gleichseitiges Dreieck aneinandergrenzen, ist durch die Fäden realisiert.
Das Goldberg-Ikosaeder (der "Blasebalg-Körper") besteht aus zwei fünfseitigen Doppelpyramiden, die entlang einer Kante aufgeschlitzt und um 90 Grad gegeneinander verdreht zusammengefügt werden. Drückt man die eine Hälfte zusammen, so bläht sich die andere auf. Die Bewegung funktioniert nicht exakt, aber in so guter Näherung, dass das Material nur geringfügig deformiert werden muss – kein Problem für Treitzens Trinkhalmkonstruktion. Aus diesem Körper hat die Berliner Künstlerin Eva Wohlleben ihre "Korpuskelketten" entwickelt ("Große Wackelpolyeder").
Von Michael Goldberg stammt auch ein weiteres (nicht theoretisch, aber praktisch) deformierbares Ikosaeder. Von einem gewöhnlichen Ikosaeder nehme man bestimmte Paare benachbarter Dreiecke weg und verbinde die frei werdenden vier Eckpunkte auf die andere der beiden möglichen Arten durch Dreiecke. Es ist erstaunlich, wie weit sich dieser Körper klaglos verformen lässt.
Aus geraden Stäben kann man auch krumme Dinge machen, vor allem die beliebten Hyperboloide und hyperbolischen Paraboloide. Diese Flächen bestehen nicht nur vollständig aus Geradenscharen, sie sind auch noch unter Erhaltung dieser Eigenschaft deformierbar. Das Hyperboloid, wiedererkennbar an den roten Knötchen, lässt sich sogar vollständig plattmachen, ohne dass ihm auch nur ein Wurststäbchen gekrümmt werden müsste (strenggenommen gilt das natürlich nur für unendlich dünne Wurststäbchen, aber immerhin).
Der Oktaederstumpf ist einer der elementaren Raumfüller: Man kann viele Exemplare von ihm dicht an dicht in den Raum packen, ohne dass Lücken bleiben. Wie kommt man an einen Oktaederstumpf? Man schneide einem Oktaeder alle Ecken ab, und zwar so, dass von jeder einer Ecke anliegenden Kante ein Drittel mit weggeschnitten wird. Von den ursprünglichen Dreiecksflächen des Oktaeders bleiben regelmäßige Sechsecke, und die Schnittflächen selbst sind Quadrate.
Die einzelnen Oktaederstümpfe sind dreifach-periodisch im Raum angeordnet wie Atome in einem Kristallgitter. Das gilt für die einfachste Raumfüllung, den Stapel aus lauter Würfeln, auch, aber die Packungen sind nicht einfach äquivalent in dem Sinne, dass man jeden Würfel zu einem Oktaederstumpf deformieren könnte und dann wieder eine Raumfüllung hätte. Was allerdings geht, ist jeden Oktaederstumpf trickreich in Teile zu zersägen und diese dann zu Würfeln zusammenzufassen. Dabei müssen, wohlgemerkt, die Teile sich nicht bewegen! Diese Zersägung ist verwandt mit derjenigen von Arthur Schonflies, welcher mit ähnlichen Mitteln die Raumfüllung durch Oktaederstümpfe in eine durch Rhombendodekaeder verwandelte ("Die seltsamen Kristallklötzchen des Arthur Schoenflies").
Weniger bekannt als die Raumfüllereigenschaft des Oktaederstumpfs ist die Tatsache, dass man ihn auch aushöhlen kann, und zwar streng nach dem archimedischen Reinheitsgebot. Will sagen: Man kann den Oktaederstumpf von oben bis unten mit einem Loch durchbohren, dessen Wand ausschließlich aus regelmäßigen Vielecken besteht. Allgemein gibt es eine ungeheure Vielfalt an Toroiden: Körpern, die von lauter regelmäßigen Vielecken begrenzt sind und obendrein Löcher haben dürfen. Ein kauziger Professor namens Bonnie Stewart hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, sie möglichst vollständig aufzuführen ("Die schönsten Toroide"). Um Stewarts Toroide eindrucksvoll in Szene zu setzen, verwendet Treitz ein besonders geeignetes Material: farbige, durchscheinende, steife Kunststofffolie.
Würfel und Dodekaeder haben zwar durchaus gewisse Gemeinsamkeiten. So kann man von den zwanzig Ecken des Dodekaeders acht auswählen, welche die Ecken eines Würfels bilden, und das auf fünf verschiedene Weisen. Aber um den Raum mit Würfeln und Dodekaedern gleicher Kantenlänge zu füllen, dafür reicht es dann doch nicht. Quadrate und Fünfecke passen einfach nicht zusammen.
Immerhin: Man kann Würfel und Dodekaeder periodisch so im Raum anordnen, dass sie einander an den Ecken berühren. Dazwischen bleiben allerdings große Lücken. Überraschenderweise lassen sich diese Lücken sämtlich mit einem einzigen Baustein (in hinreichend vielen Exemplaren) stopfen. Er trägt den Namen Bilunabirotunda und ist in einer Sammlung exotischer Körper einer der exotischsten. Das heißt, unter den 92 konvexen, von lauter regelmäßigen Vielecken begrenzten Polyedern, die ein Kauz namens Norman Johnson erschöpfend beschrieben hat, ist die Bilunabirotunda die Nummer 91. Alle Vorgänger in der Liste waren noch durch eine gewisse Systematik zu ermitteln ("Ein Baukasten für Polyeder").
Die Bilunabirotunda besteht aus zwei einander gegenüberliegenden Quadraten, vier Fünfecken und acht Dreiecken. Man setze an die sechs Flächen eines Würfels je eine Bilunabirotunda. Damit sie einander nicht in die Quere kommen, müssen drei an einer Ecke benachbarte Bilunabirotunden in drei verschiedene Raumrichtungen weisen. Und schon stellen diese drei an der Außenseite ein Bettchen aus drei aneinandergrenzenden Fünfecken bereit, in dem es sich ein Dodekaeder bequem machen kann, und so weiter (siehe auch "Dissection of a Cube").
Das stellt harte Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen! Treitz stellt dafür Modelle aus Kugeln und Stabmagneten einerseits sowie aus klickbaren Plastikteilen andererseits bereit. Man beachte, dass manche Kugeln nicht den Einheitsabstand, sondern den τ-fachen Einheitsabstand haben müssen (τ = (√5+1)/2 ist das Verhältnis des Goldenen Schnitts); dafür gibt es entsprechend überlange Stäbchen. Weiße Aufkleber zeigen, wo sonst noch der Faktor τ vorkommt.
Die äußeren Ecken der sechs Bilunabirotunden, die einem Würfel anliegen, liegen sämtlich auf einer Kugeloberfläche und fügen sich zu einem archimedischen Körper, der aus Fünfecken, Quadraten und Dreiecken besteht (gelbe Stangen).
Am Ende kommt die eigentlich langweilige gewöhnliche Würfelpackung doch noch zu Ehren. Und das geht so. Man nehme einem Würfel zwei gegenüberliegende Seiten weg, so dass man in sein Inneres schauen kann, und färbe die verbleibenden Seiten außen rot und innen weiß – oder umgekehrt. Man klebe einen rot-weißen Hohlwürfel mit einer ganzen Fläche an einen weiß-roten, und zwar so, dass die Hohlräume nicht in dieselbe Richtung weisen. Dann tragen automatisch Flächen, die durch diesen Klebeakt benachbart werden, dieselbe Farbe.
Dieses Zusammensetzverfahren lässt sich beliebig und in alle drei Raumrichtungen fortsetzen. Der elementare Baustein ist denkbar einfach zu fertigen: Man klebe einen vierteiligen Streifen zum Ring. Zu solchem Tun waren die Besucher der Ausstellung eingeladen und hatten bis zum Ende ein imposantes Gebilde fertiggestellt.
Denkt man es sich bis ins Unendliche fortgesetzt, so kann man es mit einiger Berechtigung einen unendlichen platonischen Körper nennen ("Polyeder aneinanderkleben"): Alle Flächen sind regelmäßige Vielecke, nämlich Quadrate, und alle Ecken sind gleich. Nur konvex ist der Körper nicht.
Zu allem Überfluss bietet er eine interessante Lösung für ein brennendes politisches Problem. Was macht man mit zwei Volksgruppen, die dasselbe Land für sich beanspruchen und einander nicht ausstehen können? Man steckt die einen in den Teilraum mit den weißen Wänden und die anderen in den mit den roten Wänden. Jede der beiden Gruppen hat unendlich viel Platz zur Verfügung. Jeder kann seine eigenen Genossen problemlos erreichen und bekommt sein ganzes Leben lang keinen seiner Feinde zu sehen, obgleich er mit ihnen Wand an Wand lebt. Höchstens Partylärm dringt vielleicht von der einen Welt in die andere. Wie schön wäre es, wenn dieser Friedensplan nicht ganz so theoretisch wäre!
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