Gute Frage: Machen uns soziale Medien unglücklich?
Nie zuvor haben wir so viel Zeit an unseren Smartphones, Tablets und Laptops verbracht wie in der Corona-Pandemie. Seitdem sind Facebook, Whatsapp, Instagram und Co. noch mehr als sonst die Hauptquelle für Unterhaltung, Informationen und Beziehungspflege für viele Menschen – ja geradezu ihr Tor zur Außenwelt. Soziale Medien geben jedoch auch laufend Anlass zur Ablenkung und zu sozialen Vergleichen, sie bergen Gefahren wie Cybermobbing und Belästigungen oder können uns mit ihrer Reizüberflutung belasten. Machen soziale Medien unter dem Strich also eher unglücklich?
Seit dem Aufkommen von digitalen Medien beschäftigt diese Frage auch viele Wissenschaftler. Herrschte anfangs eine pessimistische Sichtweise vor – dominiert vom Glauben, das Netz verdränge reale soziale Kontakte und fördere Einsamkeit –, so liegt das Augenmerk heute sowohl auf den Risiken als auch auf den Chancen. Beispielsweise zeigten sich Vorteile vor allem für jene, die im »Offline-Leben« häufig zu kurz kommen, wie etwa introvertierte oder sozial isolierte Personen. Andererseits belegten Studien auch die so genannte »Wer hat, dem wird gegeben«-These: Demnach profitiert von sozialen Medien besonders, wer ohnehin schon gut vernetzt ist und mit dem Netz um eine weitere Kommunikationsressource reicher wird.
Großen Einfluss scheint auch die Art der Nutzung zu haben. Während es eher den Neid fördert, wenn man nur passiv durch die Profile anderer browst, geht eine aktive, kommunikative Nutzung sozialer Medien häufig mit höherem Wohlbefinden einher. Ob positive oder negative Effekte überwiegen, lässt sich daher nicht so einfach beantworten. Blickt man auf Metaanalysen, welche eine Vielzahl von Studien zusammenfassen, zeigt sich insgesamt fast überhaupt kein Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und dem Wohlbefinden.
Ein genauerer Blick auf die Daten offenbart, dass soziale Medien sich nicht bei jedem gleich auf das Wohlbefinden auswirken, sondern bei manchen positiv, bei anderen negativ und bei wieder anderen gar nicht. Erklären lassen sich diese Unterschiede durch die Art der konsumierten Inhalte, den sozialen Kontext und individuelle Charaktereigenschaften, die über die Stärke und Richtung von Medienwirkungen mitbestimmen. Betrachten wir etwa die Nutzung sozialer Medien zur politischen Information: Die »Generation Z« der um die Jahrtausendwende herum Geborenen steht politischen Institutionen teils distanziert gegenüber; hier kann eine direktere Ansprache etwa durch twitternde Politiker manche Hürden abbauen helfen. Andererseits ist klar, dass die sozialen Medien auch einen Nährboden für Fehlinformationen und Verschwörungsmythen darstellen.
Ein besonders prägnantes Beispiel ist »Pizzagate«: Im Jahr 2016 kursierte im Netz die abstruse Behauptung, Hillary Clinton betreibe im Keller einer Pizzeria in Washington D. C. einen Pädophilenring. Derartige Fake News und extremistische Botschaften erreichen oft über soziale Medien ihr Publikum und können so zur Ausbreitung polarisierter Einstellungen und radikaler Weltanschauungen beitragen. Wieder scheinen besonders jene, die ohnehin politisch interessiert und engagiert sind, von Social Media zur (seriösen) politischen Information zu profitieren, während Menschen mit eher geringer Medienkompetenz und wenig Vorwissen schneller auf Fake News hereinfallen.
Wie lässt sich die Eingangsfrage also beantworten? Am ehesten wohl so: Soziale Medien machen sowohl glücklich als auch unglücklich, je nachdem welche Menschen welche Inhalte auf welche Weise nutzen. Allgemein empfiehlt es sich, im Internet genauso wie im »echten Leben« mit Maß und Ziel unterwegs zu sein – sowie möglichst selbstbestimmt, reflektiert und kritisch.
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