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Astrophysik: Ist das Universum ein Schwarzes Loch?

Man kann es nachrechnen: Die Masse des Universums in seinem Hubble-Radius ist so groß wie die Masse eines Schwarzen Lochs im gleichen Radius. So liegt die Vermutung nahe, das Universum als das Innere eines Schwarzen Lochs anzunehmen.
Das Schwarze Loch im Zentrum von Messier 87.

Meine Frage: Leben wir in einem Schwarzen Loch? Das klingt zunächst skurril, aber folgende Grobabschätzung lässt es nicht unmöglich erscheinen: Das überschaubare Weltall hat in der Größenordnung 100 Milliarden Galaxien mit im Durchschnitt 100 Milliarden Sternen (Sonnenmassen). Da der Durchmesser eines Schwarzen Lochs (SL) proportional zu seiner Masse ist, wäre der Durchmesser eines entsprechenden SL zirka 1023 Kilometer oder zehn Milliarden Lichtjahre (mit Dunkler Materie und Energie eventuell noch mehr). Das ist aber in etwa die Größe des bekannten Universums! Also: Leben wir in einem Schwarzen Loch?
(Herbert Haupt)

In dem Buch »Moderne Physik« von Gehrke und Koberle steht auf S. 27 die Gleichung für die zeitliche Entwicklung des Skalenfaktors (»Weltradius«). Nimmt man ein flaches Universum an und setzt man die dafür notwendige Dichte in die Gleichung ein, dann kommt man leicht auf die Tatsache, dass die Expansionsgeschwindigkeit des Universums gleich der Fluchtgeschwindigkeit aus dem expandierenden Universum ist. Hat das eine sinnvolle physikalische Bedeutung?
(Günter Neffe)

Über die Jahre hinweg ist mehr als einem halben Dutzend nachdenklicher Leser aufgefallen, dass die Masse eines (räumlich) flachen Universums, die sich innerhalb seines Hubble-Radius befindet, gleich der Masse eines Schwarzen Lochs mit diesem Radius als Schwarzschild-Radius ist. Der Hubble-Radius ist die Entfernung D, bei der die Expansionsgeschwindigkeit ν gemäß der berühmten Formel ν = H0D formal die Lichtgeschwindigkeit erreicht, wobei H0 die heute gemessene Hubble-Konstante ist. Wenn man den Hubble-Radius als den Radius des Universums ansieht, dann legt diese Gleichheit die Vermutung nahe, dass das Universum als ein Schwarzes Loch angesehen werden könnte.

Zunächst die kurze Rechnung, die zu dem genannten Befund führt. Die Massendichte ϱcr eines räumlich flachen Universums ergibt sich gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie aus der Hubble-Konstante H0 und der newtonschen Gravitationskonstante G zu
$${\varrho}_{cr} = \frac{3 \space {{H}_{0}}^{2}}{8 \space \pi \space G}.$$
Eine Kugel mit dem Hubble-Radius RHubble = c/H0 schließt daher die Masse
$$M = \frac{4 \space \pi}{3} \left( \frac{c}{{H}_{0}} \right)^{3}{\varrho}_{cr} = \frac{c^{3}}{2 \space G \space {H}_{0}}$$
ein. Deren Schwarzschild-Radius rS ist
$${r}_{S} = \frac{2 \space G \space M}{c^{2}} = \frac{c}{{H}_{0}} = {R}_{\text{Hubble}}, (1)$$
also gerade gleich dem Hubble-Radius. Kann das Zufall sein? Ist das Universum ein Schwarzes Loch? Die Antwort auf beide Fragen ist ein klares Nein, aus den folgenden Gründen:

□ Ein Schwarzes Loch hat ein Zentrum und ist in einen Horizont eingeschlossen, der dadurch definiert ist, dass ihn kein Licht nach außen durchdringen kann. Dies trifft auf den Hubble-Radius nicht zu, weil Licht ihn problemlos in beiden Richtungen überqueren kann.

Universum und Schwarzes Loch | Das Universum mit seinen gleichmäßig verteilten Massen (links) ist nicht mit einem Schwarzen Loch und seiner zentrierten Massenverteilung gleichzusetzen (rechts).

□ Es hängt vom Beobachter eines Schwarzen Lochs ab, wo dessen Horizont liegt. Nur für einen statischen Beobachter in unendlicher Entfernung fällt der Radius des Horizonts mit dem Schwarzschild-Radius zusammen. Ein Beobachter, der sich dem Schwarzen Loch nähert, hat den Horizont immer zwischen sich und dem Schwarzen Loch, selbst wenn er den Schwarzschild-Radius schon nach innen überquert hat.

□ Entscheidend für die Entstehung eines Schwarzen Lochs ist, dass die vorhandene Masse auf engen Raum komprimiert wird. Im Universum ist die vorhandene Masse dagegen höchst gleichmäßig verteilt, ohne dass wir eine Grenze oder ein Zentrum erkennen könnten.

□ Dennoch ist das Ergebnis (Gleichung 1) kein Zufall. Und zwar, weil die einzige Längenskala, die sich aus einer Masse, der Gravitationskonstante und der Lichtgeschwindigkeit bilden lässt, gerade G M/c2 ist und weil gleichzeitig die einzige Längenskala, die ein homogenes, isotropes, expandierendes Universum kennzeichnen kann, der Hubble-Radius RHubble = c/H0 ist. Gleichung 1 zeigt, dass diese beiden Längenskalen bis auf den Faktor zwei übereinstimmen. Das bedeutet zunächst, dass die Dynamik des Universums durch Gravitation bestimmt wird. Der Faktor zwei kommt schließlich daher, dass bei der Rechnung angenommen wurde, dass das Universum räumlich flach ist.

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