Kann Grapefruitsaft auch schaden?
Pampelmuse – so wird sie oft genannt. Doch eigentlich ist das falsch. Der Grapefruitbaum (Citrus paradisi) ist vermutlich eine eigene Art, die irgendwann als eine natürliche Kreuzung aus der Orange (Citrus sinensis) und der Pampelmuse (Citrus maxima) hervorgegangen ist.
Heute ermöglichen die vor allem aus der Türkei und Spanien importierten Früchte den täglichen Konsum. Dieser wirkt gesundheitsfördernd: Ein Glas Fruchtsaft deckt immerhin etwa 80 Prozent des Tagesbedarfs an Vitamin C. Für uns ist dieses Vitamin unverzichtbar, denn es hat bei vielen biochemischen Prozessen im Körper seine Finger im Spiel. So greift Vitamin C beispielsweise gefährliche Sauerstoffspezies an, die im Körper immer wieder entstehen und unter anderem dazu führen, dass Zellen altern. Das Vitamin hilft aber auch bei der Synthese von Botenstoffen des Nervensystems wie dem Adrenalin. Menschen, die ihren Körper mit Vitamin C überschwemmen – beispielsweise durch tägliche Einnahme von Vitaminpräparaten –, erleiden nur in sehr seltenen Fällen Magenbeschwerden und Übelkeit. Sie scheiden den Überschuss einfach wieder aus. So gesehen investieren Grapefruitgenießer durchaus in ihre Gesundheit.
Doch der Saft der Frucht enthält auch eine nicht ganz unproblematische Stoffgruppe: so genannte Furanocoumarine – hierzu zählt etwa das Bergamottin, bekannt als Parfümzusatz und Aromastoff im Earl-Grey-Tee. In der Industrie wird dieser Stoff aus dem Öl einer anderen Zitrusfrucht, der Bergamotte, gewonnen. Gelangen die Furanocoumarine der Grapefruit dann in den Darm, stoßen sie auf das Enzym CYP3A, das die Substanzen abbaut. Aber nicht nur die Fruchtstoffe zersetzt das Protein, sondern auch andere Fremdstoffe – sämtliche Medikamente und Toxine, die wir gelegentlich schlucken und die so in unserem Darm landen. Auf diese Weise verhindert es, dass große Mengen der Substanzen ins Blut gelangen und uns eventuell vergiften. Das Eiweiß modifiziert die Fremdstoffe dabei chemisch, indem es ein Sauerstoffatom in diese einbaut – die Giftstoffe werden dadurch meist wasserlöslicher.
Verzehren wir eine Grapefruit, passiert Folgendes in unserem Darm: Die CYP3A-Entgiftungsenzyme erkennen die Substanzen aus dem Saft, binden diese und sind dadurch fürs Erste beschäftigt. Problematisch wird die Proteinblockade, wenn wir zeitgleich Medikamente zu uns nehmen. Denn dann greift der entgiftende Darmschutz nicht mehr, so dass größere Mengen der Medikamente ins Blut gelangen können. Wissenschaftler der University of North Carolina beobachteten vor einigen Jahren, dass sich das blutdrucksenkende Medikament Felodipin im Körper der Probanden konzentriert, die zuvor Grapefruitsaft zu sich genommen hatten – und dadurch stärker wirkte. Über 50 verschiedene chemische Präparate, so analysierten Forscher der University of Rochester, können sich im Körper anreichern, wenn die Inhaltsstoffe des Fruchtsafts zugegen sind. Vor allem cholesterinsenkende Mittel, aber auch Heilmittel gegen Depressionen und Krebs sowie Antibiotika können auf diese Weise gefährliche Pegel erreichen.
Die körpereigene Menge von CYP3A kann von Mensch zu Mensch variieren und damit auch der Schaden durch den Fruchtsaft. Amy Karch, Forscherin an der University of Rochester, berichtet von einem Patienten, der das cholesterinsenkende Mittel Lipitor einnahm, aus dem Urlaub wiederkehrte und plötzlich an Nierenversagen starb. Es stellte sich heraus, dass er dort täglich zwei bis drei Gläser frisch gepressten Grapefruitsaft getrunken hatte. Die Hersteller des Cholesterinsenkers Lovastatin hingegen konnten immerhin entwarnen: Der morgendliche Genuss eines kleinen Gläschens Saft hätte nur minimale Folgen, man müsste dafür das Arzneimittel allerdings abends einnehmen.
Auch Hormone – beispielsweise Östradiol und Progesteron – verändern ihre Wirkstärke, wenn sie mit dem Fruchtsaft konkurrieren, wie Wissenschaftler der Universität im tschechischen Olomouc zeigten. Bei Genuss der Frucht erhöht sich höchstwahrscheinlich auch der Hormonspiegel der Anti-Baby-Pille. Die gestiegene Hormonmenge beeinträchtige jedoch offensichtlich nicht den Schwangerschaftsschutz – Studien, die das bestätigen, fehlen allerdings.
Die Forscher in Rochester glauben eine Marktlücke entdeckt zu haben: Denn furanocoumarinfreier Grapefruitsaft, so stellten sie fest, erhöhte in der Tat nicht die getestete Arzneimitteldosis im Körper der Probanden. Aber bewusst und in Maßen genossen, sollte Grapefruitsaft ungefährlich sein.
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