Gute Frage: Können wir fremde Blicke spüren?
Hatten Sie schon mal das Gefühl, jemand würde Sie hinter Ihrem Rücken beobachten? Und als Sie sich dann umdrehten, stellten Sie da vielleicht verblüfft fest, dass tatsächlich eine fremde Person Sie anstarrte? Glückwunsch, dann gehören Sie zu den vielen Menschen, die über genau solche sonderbaren Erfahrungen berichten.
Es gibt dafür sogar einen Fachausdruck: SBO oder »sense of being observed« (zu Deutsch: das Gefühl, beobachtet zu werden). Bereits 1898 führte der britische Psychologe Edward Titchener ein Experiment durch, mit dem er dieses Phänomen ein für alle Mal als Aberglauben entlarven wollte. Er führte Probanden in einen Raum und stellte mal eine weitere Person einige Meter entfernt hinter sie – und mal nicht. Niemand konnte mit überzufällig hoher Wahrscheinlichkeit die Anwesenheit der zweiten Person erspüren. Ist die Überzeugung, man könne fremde Blicke fühlen, also ein Hirngespinst, ein Produkt des Zufalls?
Ganz so leicht lassen sich Abergläubige freilich nicht bekehren. Anfang der 2000er Jahre veröffentlichte der britische Biologe und bekennende Parapsychologe Rupert Sheldrake einen Bericht, wonach er in mehreren Experimenten tatsächlich den SBO-Effekt bestätigen konnte. Sheldrake lieferte auch gleich eine Theorie mit, die das Phänomen erklären sollte: die »morphischen Felder«. Demnach handelt es sich bei unserem Bewusstsein um eine Art elektromagnetisches Feld, das selbst über große Distanz wirksam sein kann.
David Marks von der City University London sowie sein Kollege John Colwell argumentierten, dass diese vermeintliche Signifikanz mit Sheldrakes Untersuchungsdesigns zu tun haben könne. Eine vollkommen zufällige Abfolge von Episoden mit und ohne anwesenden Beobachter lasse die Möglichkeit zu, dass mehrmals hintereinander eine der beiden Bedingungen in Serie auftritt. Also etwa: Die andere Person ist da – nicht da – nicht da – nicht da – da – nicht da – da.
Der Bestätigungsfehler
Das Team um Sheldrake hatte jedoch korrigierend eingegriffen, indem es eine mehr oder weniger wechselnde Abfolge zwar nicht durchgängig, aber doch überzufällig oft darbot. Dies könnte laut Marks und Colwell eine Pseudovorhersehbarkeit der Daten erzeugt haben. Später zeigte der US-amerikanische Psychologe und Skeptiker Michael Shermer, dass es sich bei dem Phänomen um ein Beispiel für den verbreiteten »confirmation bias« handelte, zu Deutsch: Bestätigungsfehler. Dieser besagt: Wir neigen dazu, Informationen so zu verarbeiten, dass sie unseren vorgefassten Erwartungen und Überzeugungen entsprechen.
Es gehört zu den größten Talenten unseres Gehirns, sich selbst in den eigenen Annahmen zu bestätigen
Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie säßen in der U-Bahn oder im Restaurant und hätten das unheimliche Gefühl, jemand würde Sie beobachten. Sehen Sie sich nun um und entdecken dabei niemanden, der Sie ansieht, so vergessen Sie den Anfangsverdacht in der Regel rasch wieder. Sobald Ihr Blick aber beiläufig auf jemanden fällt, der Sie anzustarren scheint, gräbt sich das in Ihr Gedächtnis ein und Sie sehen darin nur zu gern einen Beleg für die Macht der Gedanken beziehungsweise Blicke. Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein falsch positives Ergebnis, da der Betreffende auch nur zufällig in Ihre Richtung geguckt oder sogar erst im Moment Ihres eigenen Aufblickens zu Ihnen geschaut haben könnte.
Parapsychologen wie Rupert Sheldrake meinen, alle möglichen Arten von übernatürlichen Phänomenen »bewiesen« zu haben, dabei produzierten sie eigentlich nur eins: Zufallstreffer. Es gehört zu den größten Talenten unseres Gehirns, sich selbst in den eigenen Annahmen zu bestätigen. Dem können wir nur entgehen, wenn wir unserem spontanen ersten Eindruck misstrauen.
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